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Film mit Podiumsdiskussion: „Das Geschäft mit der Geburt“

„The Business of Being Born“ (USA 2007)
Montag, 16. April 2012, 19 Uhr
Tanzsalon Zippel, Puschkinallee 16 in Eberswalde

Warum steigen seit Jahren die Raten bei Kaiserschnitten? Was brauchen Gebärende wirklich an medizinischer Unterstützung? Verlieren wir die natürliche Geburt? Um diese Fragen ging es am Montag, 16.4.12 im Eberswalder Tanzsalon Zippel. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Brandenburger Landtag hatte zu einem Film- und Diskussionsabend zum Thema „Das Geschäft mit der Geburt" eingeladen und mehr als 80 Gäste füllten den Tanzsalon.

Bei 28,3 Prozent liegt die Rate der Kaiserschnitte aktuell in Brandenburg (Deutschlandweit bei 31,9 Prozent). Irene Behrmann, Vorsitzende von GreenBirth e.V., erinnerte daran, dass Schwangerschaft und Geburt natürliche Prozesse sind, in die man nur im Notfall eingreifen sollte. Mehr als 90 Prozent der Frauen könnten eine vollkommen natürliche Geburt haben, aber die Eltern werden nicht ausreichend oder falsch informiert. Das muss sich ändern, denn die Form der Geburt hat konkrete Auswirkungen: Auf die Mutter-Kind-Bindung, auf das geistige und körperliche Wohlbefinden von Mutter und Kind. Deshalb wünscht sich die Erziehungswissenschaftlerin eine breite gesellschaftliche Debatte über das Thema, die durch Sachverstand und weniger durch Angst geprägt wird.

Cordula Exner, Hausgeburtshebamme aus Brodowin, berichtete, dass Mütter ihre Kinder in vertrauter Umgebung sehr viel leichter gebären als im Krankenhaus. Ihr neue Hebammenpraxis, die am 28.April in Brodowin eröffnet, wird deshalb ein Ort sein, an dem sie traditionelles Wissen über die Geburt an junge Kolleginnen weitergibt. Das ist auch dringend nötig – Hebammen erleben während der Ausbildung nur noch selten eine natürliche Geburt. Kein Wunder, wenn traditionelles Wissen Stück für Stück verloren geht. Kritisch sieht Exner die Zukunft der Hebammen. Steigende Prämien für die Haftpflicht machen die Existenz der Hebammen nahezu unmöglich. Ohne zweites Standbein bewegt man sich auf dünnem Eis.

Eine Hausgeburt beinhaltet für eine gesunde Frau kein höheres Risiko als eine Geburt in einer Klinik, sagte Dr. Thomas Michel. Der Chefarzt der Abteilung Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Werner Forßmann Krankenhaus räumte damit ein verbreitetes Vorurteil aus dem Weg. Aus dem Klinikalltag weiß Michel, dass fast jede zweite Schwangere den Kaiserschnitt wünscht ohne genau zu wissen, was dieser Eingriff für sie bedeuten kann. Michel warb dafür, noch intensiver zusammen zu arbeiten. Hebammen, Klinik und Geburtshäuser sind aufeinander angewiesen, können ungemein voneinander lernen und gemeinsam am Besten für eine gute Aufklärung über die Geburtshilfe sorgen. Zugleich kritisierte Michel die Rahmenbedingungen für Hebammen, die kaum noch von ihrer Arbeit leben können. Trotzdem sieht er mit Blick auf die Quoten bei Kaiserschnitten gute Chancen für einen „Salto rückwärts".

Ursula Nonnemacher, gesundheitspolitische Sprecherin der Bündnisgrünen im Landtag ist sicher: „Hebammen brauchen eine stärkere Lobby. Wir müssen für mehr Aufklärung sorgen." Kritik übte sie an der Bundesregierung: „Schwarz-gelb tut nichts, sondern verschließt die Augen vor den Problemen der Hebammen und verschanzt sich hinter der ärztlichen Selbstverwaltung." Frau Nonnemacher erinnerte an die Probleme der medizinischen Versorgung im ländlichen Raum, die sich bei den Hebammen noch deutlicher auswirken. Wenig junge Frauen und sinkende Geburtenzahlen bergen die Gefahr, dass die Versorgung ganz eingestellt wird. Um hier etwas zu ändern, muss umverteilt werden: „Die Unterversorgung auf dem Land lindern wir nur, wenn wir die Überversorgung in Großstädten und in Regionen mit hohen Einkommen begrenzen."

Dass der amerikanische Dokumentarfilm „The Business of Being Born" einem breiten Publikum zugänglich war, ist der Eberswalderinn Corinna Crotty und ihrem Mann Brian zu verdanken. Sie haben das Original in monatelanger Arbeit mit deutschen Untertiteln versehen. Corinna Crotty: „Ich bin sehr glücklich über die gelungene Deutschland-Premiere. Den Film habe ich seinerzeit in den USA gesehen und war sofort überzeugt, dass ihn auch hierzulande möglichst viele Menschen sehen und verstehen sollten. Toll, dass so viele Hebammen, Ärzte und junge Frauen im Publikum waren, die eine so engagierte und konstruktive Diskussion geführt haben."

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