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Soziale Dimensionen Grüner Politik

Sind „Green Jobs“ per se nachhaltige Arbeitsplätze? Wie können sich alle gut gedämmte Wohnungen und Bio-Essen leisten? Wie organisieren wir Bildung in der Peripherie, damit sie nicht am Rand steht? Mit diesen Facetten bündnisgrüner Sozialpolitik befasste sich die Sozialkonferenz unserer Fraktion im Herbst 2012 in Brandenburg/Havel.

Mehr soziale Gleichheit in einer Gesellschaft schaffe mehr Zufriedenheit und Zukunftssicherheit gerade auch bei den Menschen, denen am ehesten droht, zurückgelassen zu werden, ist Prof. Michael Opielka, Leiter des Instituts für Zukunftsstudien und Technologiebewertung in Berlin überzeugt. Welchen Stellenwert soziale Ausgewogenheit bei der ökologischen Modernisierung einnimmt, verdeutliche die aktuelle Diskussion über die Energiepreise, so Fraktionsvorsitzender Axel Vogel. In der Energiepreisdebatte versucht die alte Industrielobby, ökologischen Umbau und soziale Gerechtigkeit gegeneinander auszuspielen. Die ausufernde Befreiung der Industrie von der EEG-Umlage sowie Netzkosten führen dazu, dass VerbraucherInnen sowie kleine und mittlere Unternehmen die Energiewende alleine finanzieren. Man muss sich von den fossilen Energieträgern verabschieden, um die Energiepreise langfristig zu stabilisieren.

Gut gedämmt ist die halbe Miete

90 Prozent der Energie im Haushalt wird für Wärme genutzt. Doch obwohl die Kosten für Öl und Gas ständig steigen, werden nach der jüngst veröffentlichten Studie der Berliner und Brandenburger bündnisgrünen Fraktionen nur 0,7 Prozent der Wohnungen pro Jahr energetisch saniert. Während bei Plattenbauten bereits 70 Prozent saniert sind, sind es bei Altbauten und Einfamilienhäusern erst 10 Prozent. Hohe Kosten erwartet Michael Westphal vom Verbund Pro Potsdam vor allem bei der Sanierung von Altbauten. Plattenbauten lassen sich günstiger sanieren. Um den Klimaschutz zu stärken, könnte sich Westphal eine auf den Energieverbrauch des Gebäudes bezogene Grundsteuer, vergleichbar der KFZ-Steuer, vorstellen. Der Austausch der Heiztechnik bringe im Vergleich zu langfristigen Gebäudesanierungen auch schon kurzfristige Einsparungen, so Stephan Scherz von der Kofler Energies GmbH. Er fordert transparente Energieabrechnungen, die neben den Kosten für die Erneuerbaren auch die für Subventionierung und Emissionen fossiler Brennstoffe aufzeigt.

Dank „Muskelhypotheken“ und damals üppiger Berliner Landesfördermittel zahlen die Mitglieder der Mietergenossenschaft SelbstBau eG auch nach der Sanierung günstige Mieten. Vorstand Pit Weber wünscht sich eine stärkere Förderung von Eigeninitiative und die Vereinfachung der Gesetzesvorschriften zur Nutzung von Eigenstrom z. B. von Solardachanlagen. Michael Jungclaus, energiepolitischer Sprecher der Fraktion, fordert von der Landesregierung, endlich verstärkt die Gebäudesanierung zum Nutzen von Wirtschaft und für den Klimaschutz in Angriff zu nehmen. Die schlechteste Variante für Klima und Kosten sei, nichts zu tun, denn: Klimaschutz ist Mieterschutz.

Der Wind bläst ins Gesicht

„Green Jobs“ sind zweifellos im Aufwind. Acht Prozent des Bruttoinlandsprodukts von Brandenburg gehen auf 620 Unternehmen in der Erneuerbare-Energien-Branche zurück. 22 000 ArbeitnehmerInnen erwirtschaften 4,5 Milliarden Euro, so Torsten Stehr von der IHK Potsdam. Der Atomausstieg lässt die Umweltwirtschaft wachsen – wenn auch unter starkem Konkurrenz- und Preisdruck. So zahlt die Vestas GmbH, Herstellerin von Rotorblättern für Windkraftanlagen, ihren ArbeitnehmerInnen flexible Löhne zwischen 9,75 Euro bis 14,78 Euro pro Stunde und beschäftigt LeiharbeiterInnen. Um an Fachkräfte zu kommen, so Personalleiter Reiner Marzin, erwägt Vestas die Einrichtung einer Berufsakademie und will mit Schulen, Betrieben und mit Osteuropa zusammenarbeiten. Der Bedarf an Fachkräften in der Metallindustrie und bei den „Green Jobs“ spitze sich zu, spürt auch die DGB-Vorsitzende Berlin-Brandenburg Doro Zinke. Allerdings zahle die Autobranche andernorts weit bessere Löhne.

In Brandenburg bekämen gegenwärtig zu viele Jugendliche keinen Schulabschluss. Gut ausgebildete Jugendliche wanderten ab, weil hier das Lohnniveau für ihre Berufsausbildung zu niedrig ist. Zur notwendigen „Nestpflege“ von Unternehmen gehöre auch, Auszubildende nach Tarifvertrag zu bezahlen, so Zinke.

Die Umweltwirtschaft und Klimabranche hätten unbestritten ein hohes ökonomisches Potenzial für Brandenburg, so Ursula Nonnemacher, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Fraktion. Bei den „Green Jobs“ dürfe es aber keine prekäre Beschäftigung geben, dafür möglichst Tarifverträge. Sonst blieben gut ausgebildete Fachkräfte nicht in Brandenburg.

Viele KöchInnen veredeln den Brei

Rosa Wolff wollte es probieren: Die Autorin und leidenschaftliche Köchin ernährte sich einen Monat nur von Bio-Lebensmitteln – vom Hartz-IV-Satz. Ihr Buch „Arm aber Bio“ berichtet von diesem erfolgreichen Selbstversuch, der allerdings auch Einschränkungen, z. B. bei Erdbeeren oder Spargel, forderte und: selber kochen.

Etwas für Umwelt und Klima zu tun und auf Pestizide im Essen zu verzichten, waren ihr die Anstrengungen aber wert, so Wolff. Mit vollwertigem gesunden Essen in ausreichend langen Pausen und ansprechendem Ambiente meistern auch Kinder und Jugendliche die Anstrengungen des Lernalltags erfolgreicher. Beim aktuellen Essenspreis von rund zwei Euro in Schulkantinen sind den Caterern die Einhaltung zeitgemäßer Ernährungsstandards im Verbund mit der Verwendung regionaler, saisonaler und Bio-Produkte und einer tariflichen Entlohnung aber nicht möglich. Die agrarpolitische Sprecherin Sabine Niels sprach sich auf der Konferenz für Kita- und Schulprojekte aus, in denen Kinder und Jugendliche in hauseigenen Küchen nicht nur frisch zubereitete Mahlzeiten essen, sondern selbst kochen lernen.

Um ein Kind zu erziehen, braucht es ein ganzes Dorf

...heißt ein afrikanisches Sprichwort. Mario Tibussek von der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung nennt es: soziale Bildungslandschaften. Marie Luise von Halem, bildungspolitische Sprecherin der Fraktion, ist sich sicher: Mit ihren vier Elementen Kooperation und Netzwerkbildung, datengestütztes Vorgehen, individuelle Förderung sowie ständige Qualitätssicherung und Qualifizierung können diese ein Weg zu besseren Bildungserfolgen im dünn besiedelten Flächenland Brandenburg sein. Die Vernetzung ist aufwändig; sie muss einem klar definierten Ziel folgen, horizontal und vertikal angelegt, professionell und politisch gewollt sein. Beispiel Barnim: In thematischen Arbeitskreisen arbeiten hier IHK, Kreisvolkshochschule, Berufsschulen und Betriebe zum Thema Fachkräftesicherung bzw. Kitas, Schulen und Jugendämter zum Thema Übergang Kita-Schule, so die Koordinatorin der Bildungsinitiative Barnim Renate Wolter. Ein Ziel sei es, dass alle Jugendlichen im Landkreis einen Schulabschluss und eine Berufsausbildung haben sollen. Ein Hindernis dafür, so kam heraus, wären die Förderschulen – die Antwort müsse folgerichtig Inklusion in Verbindung mit praxisorientiertem Lernen sein.