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Ursula Nonnemacher: Geheimhaltung und Schwärzung auf das zulässige Maß begrenzen

„Die Geheimhaltungs-Einstufung und die Schwärzung von ,Verfassungsschutz‘-Akten muss auf das zulässige Maß begrenzt werden.“ In dieser Forderung sieht sich Ursula Nonnemacher, die bündnisgrüne Obfrau im brandenburgischen „NSU“-Untersuchungsausschuss, nach der Sachverständigen-Vernehmung von Untersuchungsausschuss-Vorsitzenden des Bundestags sowie der Landtage in Thüringen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen bestätigt.

Marx: „Nachrichtendienst hat kein Recht auf Schwärzung gegenüber dem Souverän“

„Wir akzeptieren keine geschwärzten Akten!“ Da herrsche in Thüringen parteiübergreifend Konsens, berichtete die Vorsitzende des dortigen NSU-Untersuchungausschusses, Dorothea Marx (SPD). „Schwärzungen nein. Geheimhaltung ja – sofern die Voraussetzungen vorliegen.“ Sie begründete das demokratietheoretisch: „Es gibt in einem demokratischen Staat keine kontrollfreie Macht. Auch ein Nachrichtendienst hat kein Recht auf Schwärzungen gegenüber dem Souverän, und das sind wir.“

Das Interesse an der NSU-Aufklärung sei riesengroß, berichtete die Thüringer Vorsitzende. Und Schwärzungen würden Verschwörungstheorien befeuern. Folglich könnten schwärzungsfreie Akten „auch eine Entlastungswirkung“ haben. Marx: „Wenn wir das Vertrauen in unsere Institutionen wieder herstellen wollen, dann müssen wir in größtmöglichem Maße öffentlich aufklären.“ Und trotz des „offenen Umgangs“ mit Akten seien im Thüringer Untersuchungsausschuss keine Geheimnisse öffentlich geworden.

Das sagte auch Sven Wolf (SPD) über den NSU-Untersuchungsausschuss in Nordrhein-Westfalen. Aus „vertraulich“ eingestuften Unterlagen und Sitzungen sei nichts publik geworden. Auf seinen Abschlussbericht hin versuche der Ausschuss nun, „für möglichst viele Informationen aus eingestuften Sitzungen die Freigabe zu erhalten“ – um möglichst weitgehend öffentlich Bilanz ziehen zu können.

Wolf: Transparenz zwingend nötig, um Vertrauen in Rechtsstaat wieder herzustellen

In vielen Gesprächen mit „NSU“-Opfern und deren Angehörigen habe sich ein „ganz großer Vertrauensverlust gegenüber dem Rechtsstaat“ offenbart, berichtete Wolf: „Um dieses Vertrauen in den Rechtsstaat wieder herzustellen, ist Transparenz zwingend nötig.“

Der Untersuchungsausschuss des Landtags in Nordrhein-Westfalen habe sich deshalb in Abstimmung mit dem dortigen Geheimschutzbeauftragten am Bundestag orientiert: Aus „Verschlusssachen – Nur für den Dienstgebrauch“ dürfe in öffentlicher Sitzung zitiert werden, weil es sich bei einem Akten-Vorhalt in öffentlicher Untersuchungsausschuss-Sitzung um einen „Dienstgebrauch“ handle.

Bündnisgrüne fordern Änderung des Untersuchungsausschussgesetzes

In Brandenburg ist das gegenwärtig nicht möglich. Deshalb fordert die bündnisgrüne Obfrau Ursula Nonnemacher eine Änderung des Untersuchungsausschussgesetzes, die sicherstellt, dass „VS-NfD“-Vorhalte in öffentlicher Sitzung möglich sind.

Nach Meinung von Clemens Binninger (CDU), dem Vorsitzenden des Bundestags-Untersuchungsausschusses, sind Schwärzungen vertretbar, wenn beispielsweise in einem Abhörprotokoll die Intimsphäre berührt sei oder es um die Methodik der Nachrichtendienst-Arbeit gehe. Für die Schwärzung von Sachbearbeitern jedoch, „fehlt mir die Begründung“.

Brandenburger Ausschuss sucht Gespräch mit dem Innen- und dem Justizminister

Ursula Nonnemacher und der CDU-Obmann Jan Redmann hatten bereits auf eine Presseanfrage am Wochenende hin die Einstufungs- und Schwärzungspraxis der brandenburgischen Verfassungsschutzbehörde kritisiert. Sie nahmen einen Vorschlag von Clemens Binninger auf, diesbezüglich das Gespräch mit dem Innen- und dem Justizminister sowie dem Abteilungsleiter für Verfassungsschutz zu suchen. Der Untersuchungsausschuss hat sich darauf verständigt, dass dies in einer nicht-öffentlichen Sitzung im Januar geschehen soll.

Bezüglich eines Löschmoratoriums für alle Akten mit Rechtextremismus-Bezug, wie es der Untersuchungsausschuss fordert, hat Justizminister Stefan Ludwig (LINKE) zwischenzeitlich mitgeteilt: „Eine Vernichtung von Akten, die nach heutigem Wissenstand Relevanz für die NSU-Untersuchungsausschüsse haben könnten, findet im Geschäftsbereich des Brandenburger Justizministeriums nicht statt.“

Gegenüber dem Bundesamt für Verfassungsschutz hartnäckig geblieben

Auch das Untersuchungsausschuss-Problem, dass Akten – insbesondere vom Bundesamt für Verfassungsschutz – vorenthalten werden, war ein Thema der Sachverständigenvernehmung. Nordrhein-Westfalens Ausschuss-Vorsitzender Wolf empfahl, hartnäckig zu bleiben. Sein Gremium habe erfolgreich darauf beharrt, Mitarbeiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz in öffentlicher Sitzung zu vernehmen. Sein Bundestags-Kollege Binninger erläuterte zum Thema Akten: „Wenn es gelingt, in einem Beweisantrag einen lokalen Bezug nach Brandenburg herzustellen beziehungsweise eine Person in Brandenburg zu verorten“, dann liege für den Landesausschuss auch die Voraussetzung vor, die entsprechenden Beweismittel zu erhalten.

Angeblich kein NSU-Bezug? Marx: Notfalls den Rechtsweg beschreiten

Gegen ablehnende Bescheide, weil die angeforderten Akten keinen NSU-Bezug hätten, könne der Rechtsweg beschritten werden, sagte die Thüringer Vorsitzende Marx. Eine Behörde dürfe einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss nämlich nicht die Wertung „aus der Hand nehmen“. Deshalb sei der Anspruch auf die Untersuchung von Akten „großzügig auszulegen“. Diesbezüglich gebe es auch entsprechende Rechtsprechung.