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Defizite bei der Verfassungsschutz-Kontrolle in Brandenburg

Die Kontrolle der brandenburgischen Verfassungsschutzbehörde durch die Parlamentarische Kontrollkommission (PKK) ist „ausgesprochen schwach ausgestaltet“. Das sagte der Bayreuther Professor Heinrich Amadeus Wolff als Sachverständiger zum Thema „Sicherheitsarchitektur“ im NSU-Untersuchungsausschuss. Das Brandenburgische Verfassungsschutzgesetz sei veraltet und müsse zudem aus verfassungsrechtlichen Gründen geändert werden. Ursula Nonnemacher, die innenpolitische Sprecherin der bündnisgrünen Landtagsfraktion, sieht dringenden Handlungsbedarf.

Wenn die Vertraulichkeit gewahrt sei, könne der Verfassungsschutz gegenüber der Parlamentarischen Kontrollkommission „nur ganz weniges zurückhalten“, erklärte der Rechtswissenschaftler Wolff am Freitag im NSU-Untersuchungsausschuss. Zu dem ganz Wenigen, das zurückgehalten werden könne, gehörten etwa die Namen von V-Leuten.

Doch die Parlamentarische Kontrollkommission des Brandenburgischen Landtags verfügt über deutlich weniger Möglichkeiten, als die Kontrollgremien anderer Bundesländer. Das ging bereits kürzlich aus einem Gutachten des Parlamentarischen Beratungsdienstes (pdf-Datei) in Brandenburg hervor.

Unterstützungskräfte mit weitgehenden Auskunftsrechten fehlen

Demnach ist es anderswo vorgesehen, das parlamentarische Kontrollgremium mit einem Geschäftsführer zu verstärken, der über ähnliche Auskunftsrechte gegenüber dem Verfassungsschutz verfügt wie die Abgeordneten im Gremium. Dasselbe gilt für Mitarbeiter der Landtagsverwaltung und der Abgeordneten, die unterstützend tätig werden. Sowie für Sachverständige, die mit der Aufklärung von Einzelfällen beauftragt werden können. Prominentestes Beispiel ist der frühere Grünen-Bundestagsabgeordnete Jerzy Montag, der für das Kontrollgremium des Bundestags den Fall des überraschend verstorbenen V-Mannes „Corelli“ untersucht hat.

Auch die Berichtspflichten der Landesregierung gegenüber dem jeweiligen parlamentarischen Kontrollgremiun sind in anderen Bundesländern weitergehend beziehungsweise konkreter ausgestaltet als in Brandenburg. Sie beziehen sich unter anderem auf den Einsatz und die Vergütung von V-Personen, auf besondere Maßnahmen wie die Wohnraumüberwachung, Observationen und Telekommunikationsüberwachungen sowie beispielsweise auf Vorgänge, bei denen sich der Verfassungsschutz auf den Quellenschutz beruft. Auch die Haushaltskontrolle der Verfassungsschutzbehörde kann einer Parlamentarischen Kontroll-Kommission übertragen werden.

Insider-Hinweise für die Verfassungsschutz-Kontrolle

Um von Insidern über Missstände beim Verfassungsschutz informiert werden zu können, ist es erforderlich, dass sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Nachrichtendienstes direkt an die Kontroll-Kommission wenden können – ohne vorher den Dienstweg beschreiten zu müssen. All das steht im Gutachten des Parlamentarischen Beratungsdienstes Brandenburg, verfasst von Rolfdieter Bohm.

Darüber hinaus könnte in einem überarbeiteten Verfassungsschutzgesetz klar geregelt werden, welche Informationspflichten der Verfassungsschutz gegenüber den Ermittlungsbehörden hat. Das erläuterte Professor Ralf Alleweldt von der Fachhochschule der Polizei in Brandenburg, den der Untersuchungsausschuss als weiteren Gutachter zum Thema „Sicherheitsarchitektur“ angehört hat. Dabei geht es darum, Ermessensspielräume zu verkleinern oder zu beseitigen. So könnten beispielsweise Straftaten definiert werden, über die der Verfassungsschutz die Polizei informieren muss, wenn er davon erfährt.

Regelungsbedarf besteht laut Alleweldt auch in der Frage, „inwieweit der Verfassungsschutz strafprozessuale Maßnahmen beeinträchtigen darf“. Zudem könnten die Anwerbevoraussetzungen und der Einsatz von V-Leuten stärker geregelt werden, so der Sachverständige.

Änderung des Verfassungsschutzgesetzes aus verfassungsrechtlichen Gründen

Sogar verfassungsrechtlicher Änderungsbedarf bestehe hinsichtlich langfristiger Observationen, ergänzte Professor Wolff – hier habe das Bundesverfassungsgericht kürzlich zusätzliche Anforderungen gestellt. Abgesehen davon wies Wolff auf „fehlende Befugnisse“ des Verfassungsschutzes in Brandenburg hin. Dabei gehe es beispielsweise um den Zugang zu Internet-Foren, die passwortgeschützt seien. Außerdem fehle eine Regelung, damit sich die Verfassungsschutzbehörde an gemeinsamen Dateien des Bundes beteiligen könne – dazu zählt die „Rechtsextremismus-Datei“.