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Carsten Szczepanski – eine lange verkannte Neonazi-Größe?

Das Terrorismus-Verfahren gegen Carsten Szczepanski und den Ku-Klux-Klan wäre im September 1992 womöglich nicht von der Bundesanwaltschaft eingestellt worden, wenn sie um die KKK-Bezüge und Szczepanskis Rolle bei einem Mordversuch im Mai 1992 gewusst hätte. Das hat die Staatsanwältin Petra Marx am 8. Dezember 2017 als Zeugin vor dem brandenburgischen NSU-Untersuchungsausschuss angedeutet.

Begleitet von „Ku-Klux-Klan“-Rufen eines rassistischen Mobs um Carsten Szczepanski hat ein Rechtsextremist am 9. Mai 1992 in Wendisch-Rietz beinahe einen Lehrer aus Nigeria ermordet: „M. hatte inzwischen sein Feuerzeug hervorgeholt und versuchte den Nebenkläger an dessen Jacke anzuzünden, um ihn zu verbrennen. Als ihm dies mangels Benzin misslang, erscholl aus der in Ekstase versetzten Meute der Ruf: ,Ertränken das Schwein.‘ Der durch die Gruppe hochstimulierte und von ihr noch immer gegen helfende Gäste abgedeckte M. ließ daraufhin von den Verbrennungsversuchen ab, packte sein bewusstloses Opfer, schleppte es zum Seeufer und warf es, da es noch röchelte, bäuchlings soweit ins Wasser, dass nur noch die Unterschenkel und Füße über die Wasseroberfläche ragten.“ So steht es im Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 13. Februar 1995, das Szczepanski des versuchten Mordes schuldig gesprochen hat.

„Tief verinnerlichte Ziele des KKK“ und Tötungsvorsatz

Dass der Mord nicht vollendet wurde, ist einem Zeugen zu verdanken, der das schwerstverletzte Opfer, „dessen Gesicht er sodann nur noch als formlose Masse blutschaumigen Sekrets erkennen konnte“, aus dem See zog. Bezüglich Szczepanski schrieb das Gericht: „In der erhofften Tötung des Steve E. erblickte der Angeklagte die Verwirklichung der von ihm tief verinnerlichten Ziele des Ku-Klux-Klans und die Gelegenheit, dessen Methoden exemplarisch zu vollziehen. […] Der Angeklagte handelte hierbei mit direktem Tötungsvorsatz.“

Trotzdem verwarf die Bundesanwaltschaft wenige Monate nach dem Mordversuch ihren Terrorismusverdacht gegen Szczepanski und den Ku-Klux-Klan. Im September 1992 stellte sie das entsprechende Verfahren ein.

Zu diesem Zeitpunkt war Szczepanskis Beteiligung an dem Mordversuch bekannt, er galt aber noch nicht als einer der Haupttäter. Das änderte sich erst, als die Frankfurter Staatsanwältin Petra Marx das Verfahren übernahm. Sie entdeckte Hinweise auf den rassistischen Ku-Klux-Klan in den Ermittlungsakten und wurde auf das abgeschlossene Terrorismusverfahren des Generalbundesanwalts aufmerksam.

Der Verfassungsschutz hatte Erkenntnisse zu Szczepanski

Die Juristin kam zu dem Ergebnis, dass es sich bei Szczpeanski um einen „herausragenden Neonazi“ handelt, der „bis nach Amerika vernetzt“ ist. Ihr sei klar geworden, sagte sie als Zeugin im NSU-Untersuchungsausschuss, „das muss der geistige Kopf sein, der bisher verkannt wurde“. Dass dies aus den Ermittlungsakten nicht hervorging, sei „kein Ruhmesblatt“ gewesen. Der brandenburgische Staatsschutz habe den Rechtsextremisten schlicht nicht auf dem Schirm gehabt. Aber: „Der Verfassungsschutz hatte Erkenntnisse zu Carsten Szczepanski.“

Aufgrund der Einstellung des Generalbundesanwalts habe Szczepanski „Oberwasser“ gehabt, berichtete die Staatsanwältin. Er habe durchstarten wollen und habe sich ermuntert gefühlt, für den Ku-Klux-Klan weiterzumachen. Dabei wäre er für den Mordversuch wohl gleich mit dem Haupttäter inhaftiert worden, wenn alle Erkenntnisse schon damals zusammengeführt worden wären, meinte Marx. Da dies nicht geschah, blieb Szczepanski zwei Jahre lang auf freiem Fuß, ehe die Staatsanwältin im Mai 1994 einen Haftbefehl gegen ihn erwirkte.

Kurz darauf, im Juli 1994, nahm der Neonazi zum brandenburgischen Verfassungsschutz Kontakt auf und bot einen Informationsaustausch an. In der Folge sind regelmäßig Deckblattmeldungen entstanden – also Verfassungsschutzdokumente, in denen die Informationen von V-Leuten niedergeschrieben werden. War Szczepanski in zwei Monaten Untersuchungshaft geläutert?

Landgericht sah keine Anhaltspunkte für Reue

Ein dreiviertel Jahr später, im Februar 1995, hieß es im Urteil gegen Szczepanski: „Das Gericht ist von der Unaufrichtigkeit des Bedauerns überzeugt. […] Es fehlen greifbare Anhaltspunkte für eine Reue oder für eine auch nur im Ansatz erkennbare innere Umkehr.“