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Brandenburg droht der intransparenteste NSU-Untersuchungsausschuss

Der brandenburgische NSU-Untersuchungsausschuss droht „zum intransparentesten aller NSU-Untersuchungsausschüsse“ zu werden. Davor hat Marie Luise von Halem, die stellvertretende Obfrau der bündnisgrünen Landtagsfraktion, nach der Ausschussitzung am 6. Oktober 2017 gewarnt. Erneut hatte das Gremium zwei Zeugen komplett unter Ausschluss der Öffentlichkeit vernommen – darunter ein Mann, an den das Bundesinnenministerium einst die Verbotsverfügung für die deutsche Division des Neonazi-Netzwerks „Blood & Honour“ adressiert hatte.

Im ersten Thüringer NSU-Untersuchungsausschuss, dessen Aufklärungsarbeit in herausragendem Maße anerkannt ist, gab es 143 Zeugenvernehmungen – nur vier liefen komplett nicht-öffentlich ab. Der brandenburgische Untersuchungsausschuss kann bislang erst 14 Zeugenvernehmungen vorweisen – aber ebenfalls schon vier Vernehmungen, bei denen Medien und Zivilgesellschaft vollständig ausgeschlossen waren. Und im Unterschied zum Thüringer Untersuchungsausschuss wollte das Brandenburger Gremium nicht einmal die Ergebnisse der nicht-öffentlichen Vernehmungen in die öffentliche Sitzung einführen. So hatte es die Ausschuss-Mehrheit entschieden, die bündnisgrüne Fraktion konnte das mit ihrer einen Stimme nicht verhindern.

Bündnisgrüne stimmten als einzige Fraktion für öffentliche Zeugenvernehmungen

„Wir waren auch im heutigen Fall die einzige Fraktion, die für eine öffentliche Vernehmung gestimmt hat“, sagte Marie Luise von Halem auf die Frage eines Pressevertreters, der sich gewundert hatte, warum der Brandenburger NSU-Untersuchungsausschuss seine Zeugen so häufig nicht-öffentlich vernimmt – im Unterschied zu anderen NSU-Untersuchungsausschüssen.

Hinzu kommt: Bei einigen Zeugenvernehmungen, die der Brandenburger Ausschuss in den vergangenen Monaten öffentlich begonnen hatte, verlangten Vertreter der Landesregierung einen Wechsel in geheime Sitzungen. Das war aus bündnisgrüner Sicht nur teilweise nachvollziehbar. „Indem die Sicherheitsbehörden eine absurde Geheimniskrämerei bei der Akteneinstufung betreiben, erreichen sie, dass die entsprechenden Inhalte nur in geheimer Sitzung behandelt werden können“, kritisiert Marie Luise von Halem.

Zeitungsberichte sind in Brandenburg so geheim wie die Namen von V-Leuten

Sogar Zeitungsberichte sind – in dreistelliger Zahl – den Landtagsabgeordneten zunächst nur im so genannten „Treptow-Verfahren“ in der Verfassungsschutzbehörde vorgelegt worden. Dieses höchstgradig geheime Verfahren war im ersten NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestags eingeführt worden, damit Abgeordnete die Klarnamen von nicht enttarnten V-Leuten des Bundesamtes für Verfassungsschutz einsehen konnten. Ein Level, das Brandenburgs Verfassungsschutz und Polizei also auch für Zeitungsberichte vorgesehen hat.

Erst auf wiederholten Widerspruch hin haben Verfassungsschutz und Polizei die Zeitungsberichte und andere Unterlagen in den Geheimschutzraum des Landtags geliefert. Dort können sie auch von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Fraktionen ausgewertet werden, die der Verfassungsschutz sicherheitsüberprüft hat. Erst auf weiteren Widerspruch hin ist inzwischen ein Großteil der Zeitungsberichte auch außerhalb des Geheimschutzraums zugänglich gemacht worden.

Die Polizei schwärzt sogar Neonazi-Namen in Presseartikeln

Von bündnisgrüner Seite ist diese Behinderung des NSU-Untersuchungsausschusses wiederholt als nicht rechtskonform kritisiert worden – aber grundlegend geändert hat sich bisher nichts. So kämpft der Untersuchungsausschuss auch weiterhin mit nicht nachvollziehbaren Aktenschwärzungen.

Marie Luise von Halem fragte in der jüngsten Ausschusssitzung einen Kriminalhauptkommissar des Landeskriminalamts, warum der Name Sven Schneider in den Polizeiakten vergleichbar konsequent geschwärzt ist (sogar in Zeitungsberichten!) wie in den Verfassungsschutzakten der Name von Christian K., bei dem es sich um einen enttarnten V-Mann handelt. Sven Schneider ist wohlgemerkt kein unbekannter Rechtsextremist. Er galt bis zum Verbot von „Blood & Honour“ in Deutschland als Sektionsführer in Nord-Brandenburg.

Der LKA-Beamte, der – wie andere Zeugen auch – eine Informantentätigkeit Schneiders für die Polizei dementierte, hatte keine Erklärung für die Schwärzung dieses Namens: „Ich sehe keine Notwendigkeit, seinen Namen in den Unterlagen zu schwärzen.“