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Weltpolitik trifft Wohnzimmer

Foto: privat

Aus der Erstaufnahmeeinrichtung ziehen die meisten Geflüchteten in Gemeinschaftsunterkünfte, eine kleine Zahl auch in Wohnungen oder WGs und einige werden bei Brandenburger Familien privat aufgenommen. Im September ist der 30-jährige Syrer Huzayfa Khalifa bei der Familie unseres Abgeordneten Michael Jungclaus in Neuenhagen eingezogen. Der studierte Business Manager hatte in der Telekommunikation gearbeitet, bevor er im November 2014 nach Deutschland flüchtete. Als anerkannter Flüchtling belegt er nun seit einigen Wochen einen Integrationskurs.

Wie war Euer Kennenlernen?

Michael: Uns hat die Willkommensinitiative Hoppegarten zusammengebracht. In meiner Heimatregion Märkisch-Oderland gibt es eine überwältigende Bereitschaft, Flüchtlinge privat aufzunehmen. In der Familie haben wir das Thema Flüchtlinge viel diskutiert, der Entschluss war schnell gefasst, unser Gästezimmer anzubieten. Eine Woche später holte ich Huzayfa an einem Sonnabendmorgen vom Bahnhof ab. Ich fragte mich als erstes, wo seine Koffer sind – er wollte wohl nicht mit der Tür ins Haus fallen. Wir haben auf dem Weg zur Wohnung munter drauf los erzählt, woher wir kommen, was wir beruflich machen. Vier Tage später haben wir dann sein Gepäck nachgeholt.

Huzayfa: Michaels Familie hat ein Hofgrillen organisiert, auf dem alle Hausbewohner und ich uns kennenlernen konnten. Eine Nachbarin gab mir sogar gleich ihre VBB-Monatskarte, die sie zur Zeit nicht braucht.

Wie kann man sich euren „WG“-Alltag vorstellen?

Michael: Seit Huzayfa da ist, kochen wir mehr gemeinsam, essen weniger Schweinefleisch und lernen die orientalische Küche kennen. Er beteiligt sich am Haushalt, geht mit allen und allem äußerst respektvoll um. Als wir mal verreist waren, hat sich Huzayfa rührend um unsere Katze gekümmert – in Syrien hatte er selber auch welche. Und ich nutze die Chance, mein Englisch aufzubessern – das spricht Huzayfa fließend.

Huzayfa: Ich habe hier angefangen zu kochen, was ich in meiner Heimat, wo ich voll berufstätig war, nie gemacht habe. Meine Mutter füttert mich mit Rezepten aus Syrien. Ich gehe dann einkaufen – am liebsten in der Berliner Sonnenallee, das erinnert mich an Syrien. Es ist lustig, dass Michael dort in Neukölln groß geworden ist. Ich fühle, dass ich in Brandenburg angekommen bin. Eine eigene Wohnung möchte ich mir später auch hier suchen, vielleicht in Petershagen.

Was ändert sich, wenn man mit Flücht lingen unter einem Dach lebt?

Michael: Wie es ist, jemand anderen in der Wohnung zu haben, kannten wir schon von unserem früheren Au-Pair. Natürlich bringt es auch Einschränkungen mit sich, wenn plötzlich ein fremder Mensch sozusagen Teil der Familie wird. Worüber Politik und Medien täglich berichten – das begreife und erlebe ich jetzt hautnah. Ich nutze das auch für meine Arbeit im Kreis- und im Landtag. Wie man sich als Geflüchteter fühlt – z. B. beim Abholen von Geld oder von Behandlungsscheinen für den Arzt – kann ich nun besser nachvollziehen. Manche Formulare, die Huzayfa von den Behörden mitbringt, verstehe ich selbst kaum. Und Huzayfa war auch mit der Anstoß, einmal in der Ausländerbehörde in Seelow zu hospitieren – und zu sehen, unter welchen schwierigen Bedingungen die Angestellten dort arbeiten und die Asylsuchenden versuchen, ihre Anträge zu stellen.

Huzayfa: Für mich ist es der beste Weg, die Kultur und die Menschen in diesem Land zu verstehen. Als Michael mich einmal mit in den Landtag nahm, habe ich zufällig auf dem Flur die Sozialministerin Daniela Golze kennengelernt. Und weil eine arabische Flüchtlingsgruppe auf der Zuschauertribüne eingeladen war, konnte ich sogar der ersten, über Kopfhörer ins Arabische übersetzten Landtagsdebatte folgen, das war schon toll.