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Asylrechtsverschärfungen aus Staatsräson

Gastbeitrag von Kay Wendel vom Flüchtlingsrat Brandenburg

Der Bundesregierung fällt es leicht, sich vom Rassismus à la Pegida zu distanzieren, braucht sie doch für ihr Projekt der Asylrechtsverschärfung keinen Populismus. Das macht sie aus Staatsräson, angeblich, um „Vollzugsdefizite“ zu beseitigen.

Seit Jahren wurden die Gesetzesverschärfungen vorbereitet, seit ein paar Monaten werden sie Schritt für Schritt in die Tat umgesetzt. Anfang November trat das Gesetz zu sicheren Herkunftsstaaten in Kraft, mit dem Asylanträge von Flüchtlingen aus Bosnien-Herzegowina, Serbien und Mazedonien pauschal als „offensichtlich unbegründet“ eingestuft werden. Doch schon zuvor war die Prüfung der Fluchtgründe von Roma – um diese handelt es sich meist – völlig unzureichend und oberflächlich, sodass extrem niedrige Anerkennungsquoten produziert wurden, die ihrerseits als Rechtfertigung für die Einstufung dieser Länder als sichere Herkunftsstaaten herhalten sollten. Das Grundproblem der Anhörungen von Roma war und ist, dass das Zusammenwirken von Mehrfachdiskriminierung ignoriert wird. Roma in Serbien werden von Neonazis und Hooligans überfallen. Gehen sie zur Polizei, werden sie dort erneut geschlagen. Wenn das Bundesamt sie jedoch fragt, ob sie mit der Polizei Probleme hätten, beteuern sie, dass sie keine Kriminellen seien. Ihr Antrag wird abgelehnt, sie werden abgeschoben und landen wieder im Elend, verurteilt zu einem Tod auf Raten.

Die pauschale Einstufung der Westbalkan-Länder als sichere Herkunftsstaaten gewinnt jedoch seine eigentliche Bedeutung erst auf dem Hintergrund einer zweiten Gesetzesverschärfung. Es ist ein Gesetz mit dem sperrigen Titel „Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung“. Anfang Dezember beschloss das Bundeskabinett, den Gesetzesentwurf auf den Weg zu bringen, Anfang Februar wird es zum ersten Mal im Bundesrat beraten. Ein zentrales Element dieser Gesetzesverschärfung ist die Ausweitung von Einreisesperren. Nunmehr sollen alle Flüchtlinge aus sicheren Herkunftsstaaten, deren Asylanträge als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt werden, automatisch eine Einreisesperre erhalten, auch wenn sie freiwillig ausreisen. Und eine solche Einreisesperre gilt nicht nur für Deutschland, sondern für den gesamten Schengen-Raum, also für alle EU-Länder. Die Folge wird sein, dass Flüchtlinge die „sicheren Herkunftsstaaten“ nicht mehr verlassen können, denn um sie herum ist Schengenland, und da gilt die Einreisesperre.

Das Kernstück der Asylrechtsverschärfung ist jedoch die extreme Ausweitung der Abschiebungshaft. Es werden eine Reihe neuer Haftgründe definiert:

  • alle Flüchtlinge, die schon einmal in einem anderen EU-Staat registriert wurden – Abschiebungshaft;
  • alle Flüchtlinge, die bei ihrer eigenen Abschiebung nicht mitwirken – Abschiebungshaft;
  • alle Flüchtlinge, die mehr als 3000 Euro an Schlepper gezahlt haben – Abschiebungshaft.

Von der Bleiberechtsregelung, die noch im Titel des Gesetzes steht, bleibt so gut wie nichts übrig. Der Anspruch, den ewigen Skandal der Kettenduldungen zu beenden, wird nicht eingelöst, im Gegenteil. Abgelehnte Asylsuchende, die aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht abgeschoben werden können, die jahrelang aus der Gesellschaft ausgegrenzt werden, sie werden weiter in diesem rechtlosen Zustand gehalten, sie werden von der Bleiberechtsregelung ausgeschlossen. Begründung: sie seien ihrer Ausreisepflicht nicht nachgekommen.

Wir haben es bei diesem Gesetzesentwurf mit einem massiven Programm zum Füllen der Abschiebeknäste zu tun. Die Abschiebemaschinerie soll wieder auf Hochtouren laufen, nachdem sie in den Augen der Hardliner jahrelang nicht rund lief. Die Unterscheidung in gute und schlechte Flüchtlinge soll verschärft werden: für die Guten Integration, für die Schlechten Abschiebung. Das ist es, was die Schreibtischtäter „Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung“ nennen, so der Untertitel des Aufenthaltsgesetzes. Es ist der Staat, der die Kategorie des Asylmissbrauchs schafft, der einer Gruppe von Flüchtlingen unerträgliche Lebensbedingungen auferlegt oder sie abschiebt. Die Moralisierung und Stigmatisierung dieser Gruppe ist im Gesetz selbst angelegt. Pegida und andere Rassisten plappern nur nach, was der Staat vorgibt.

Der Autor ist XXX beim Flüchtlingsrat Brandenburg.