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Enquetekommission beschließt weitreichende Handlungsempfehlungen für die Brandenburger Landwirtschaft

Turm des Landtags auf dem Brauhausberg © Seema Mehta / Fraktion
Foto: Seema Mehta / Fraktion

Am heutigen Freitag hat die Enquetekommission mit breiter Mehrheit die Handlungsempfehlungen zum Themenfeld Landwirtschaft verabschiedet. Die Empfehlungen an die Landesregierung beruhen auf zahlreichen Gutachten und Anhörungen der Kommission in den zurückliegenden Jahren.

Wir listen nachfolgend die Empfehlungen im Einzelnen auf.

Gescheiterte Umwandlungen von LPG / Vermögensauseinandersetzung

Die Enquetekommission 5/1 hält es für politisch und rechtsstaatlich geboten, dass die Fälle der in der von Prof. Bayer zur Verfügung gestellten Liste aufgeführten Unternehmen, bei denen die Umwandlung von LPG in juristische Personen bundesdeutschen Rechts gescheitert sein soll („Scheinrechtsnachfolger“), nach mehr als 20 Jahren einer endgültigen Klärung zugeführt werden.

Obwohl es sich bei „Scheinrechtsnachfolgern“ um Fälle handelt, die von den unmittelbar Beteiligten auf zivilrechtlichem Weg zu lösen sind, erkennt die Enquetekommission 5/1 Handlungsbedarf bei der Landesregierung nach Landwirtschaftsanpassungsgesetz § 70, Absatz 3, sowie beim Landesbauernverband (hinsichtlich betroffener Mitgliedsbetriebe) und beim Bauernbund Brandenburg. Sie sollten im Rahmen des rechtlich Zulässigen aktive Unterstützung, z. B. in Form von abstrakten Empfehlungen an die vermeintlichen Rechtsnachfolger und die Mitglieder der bislang unerkannt in Liquidation befindlichen LPG über die außergerichtlichen oder zivilrechtlichen Möglichkeiten zur Klärung der Rechtsverhältnisse leisten.

Im Einzelnen wird folgendes empfohlen:

  • Bitte an die Registergerichte, den auf Initiative der Enquetekommission 5/1 veranlassten Prüfungsprozess zügig zum Abschluss zu bringen.
  • Mitteilung der Landesregierung an jene Unternehmen, die in der Liste gescheiterter Umwandlungen von LPG aufgeführt sind, dass für sie eine registerrechtliche Prüfung veranlasst wurde.
  • Die Mitteilung sollte zugleich die Aufforderung beinhalten, dass sich das Unternehmen eigenverantwortlich Klarheit über seine Rechtssituation verschafft und ggf. selbst die erforderlichen Konsequenzen zieht.
  • Bei Unternehmen, wo sich der Befund aus der o.g. Liste bestätigt, sollte er am Standort des betroffenen Unternehmens nach Abstimmung mit und nach Zustimmung der Landesdatenschutzbeauftragten veröffentlicht werden, um so Mitgliedern der bislang unerkannt in Liquidation befindlichen LPG sowohl den außergerichtlichen wie auch den Zivilrechtsweg zur Klärung der Rechtsverhältnisse zu ermöglichen.
  • Vorrang sollten bei Unternehmen, wo sich der Befund aus der o. g. Liste bestätigen sollte, tragfähige, möglichst interessengerechte Lösungen für alle Beteiligten in Form von Kompromissen in Auswertung der Erfahrungen mit außer-gerichtlichen Vereinbarungen auf der Grundlage von Gesetz und Gerichtsentscheidungen haben.

Bodenreformland und Neusiedlererben

  • Initiativen zur Rückgängigmachung der in Durchführung der Abwicklung der Bodenreform nach dem Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetz von Neusiedlern und deren Erben zugunsten des Landesfiskus aufgelassenen Flächen durch Rückgabe bzw. Entschädigung zu ergreifen. Bis zur abschließenden Klärung sollte ein Verwertungsverbot dieser Flächen gelten.
  • Evaluation der Erfahrungen bei der Einschaltung von Erbenermittlern und ggf. Veranlassung der flächendeckenden Erbensuche durch Erbenermittler.

Problemkreis Boden

  • Veranlassung einer Übersicht über die landeseigenen landwirtschaftlichen Nutzflächen (LN), deren Verwaltung, ihre regionale Verteilung und die Bewirtschaftungsverhältnisse durch die Landesregierung, die regelmäßig zu aktualisieren ist und mit der transparent nachvollzogen werden kann, wie der Artikel 40 (1) der Verfassung des Landes Brandenburg umgesetzt wird.
  • Erarbeitung einer Konzeption durch das Agrar- und das Finanzministerium zur gezielten Nutzung der landeseigenen LN für die Förderung agrarpolitischer Schwerpunkte durch vorrangige Flächenverpachtung an arbeitsintensive Betriebe (insb. Betriebe bodengebundener Milchviehhaltung und ökologischen Landbaus), an Junglandwirte und Existenzgründer sowie zur Arrondierung bäuerlicher Betriebe.
  • Initiierung einer Statistik über die Entwicklung der Eigentumsverhältnisse in Land- und Forstwirtschaft in Brandenburg (auch im Hinblick auf den zunehmenden Flächenerwerb durch nichtlandwirtschaftliche und überregionale Investoren) und Bundesratsinitiative zur Einführung einer solchen Statistik auf Bundesebene.
  • Befassung der AG Bodenmarkt mit folgenden Empfehlungen und ein Bericht über die Ergebnisse der Beratungen und die zu ergreifenden Maßnahmen im Plenum des Landtags:
    Neufassung des Grundstücksverkehrsrechts auf Landesebene mit dem Ziel, die Position der ortsansässigen Landwirte gegenüber nicht landwirtschaftlichen und überregionalen Investoren zu stärken und dafür den Erwerb von Boden so weit wie möglich auf ortsansässige Landwirte und Unternehmen im Eigentum ortsansässiger Landwirte zu beschränken und bei Ausübung des Vorkaufsrechts die Vergabe der Grundstücke nach verbindlichen Kriterien soweit wie möglich ausschließlich an ortsansässige Landwirte vorzunehmen, sowie den Flächenerwerb für Mitglieder von landwirtschaftlichen Genossenschaften zu ermöglichen.
  • Initiative zur Änderung der BVVG-Privatisierungsgrundsätze mit dem Ziel einer breiteren Eigentumsstreuung: niedrigere Höchstgrenzen für den Erwerb von BVVG-Flächen zum Verkehrswert; niedrigere Höchstgrenzen für direkten Pächtererwerb; Ausschreibungen berücksichtigen den Arbeitskräftebesatz und – soweit möglich – gegenwärtige oder geplante Ortsansässigkeit.

Problemkreis Wertschöpfung, Agrarförderung & Sonstiges

  • Im „Entwicklungsprogramm für den ländlichen Raum für die Förderperiode 2014-2020 (EPLR)“ sollten die Fördermittel des ELER, der GA und des Landes prioritär für Maßnahmen zur Erhöhung der regionalen Wertschöpfung mit folgenden Schwerpunkten eingesetzt werden: Verlängerung der Wertschöpfungskette, Direktvermarktung, Diversifizierung landwirtschaftlicher Betriebe und deren Produktportfolio (Hochpreis-und Bioprodukte), Schaffung außerlandwirtschaftlicher Arbeitsplätze (Verarbeitung, Dienstleistungen, Agrotourismus ect.). Die Förderung sollte stärker als bisher regionalen Kreisläufen beim Verarbeiten, Vermarkten und Konsum von vor Ort produzierten Lebensmitteln und Produkten gelten. Etablierung eines Existenzgründerprogramms, mit dem die Neueinrichtung von landwirtschaftlichen Betrieben finanziell (z.B. durch zinsverbilligte Kredite mit langen Laufzeiten) und durch entsprechende Beratungsleistungen unterstützt wird. Investitionsförderung im Bereich der Tierhaltung sollte nur bis zu einem Viehbesatz von maximal 2 Großvieheinheiten und bei umwelt- und tiergerechter bodengebundener Haltung mit ausreichender Fläche gewährt werden. Zugleich sollten die Möglichkeiten der regionalen Vernetzung der drei Europäischen Fonds (EFRE, ESF, ELER) sinnvoll ausgeschöpft werden.
  • Ausschreibung und Finanzierung einer unabhängigen wissenschaftlichen Studie über die aktuelle Situation der Agrarbetriebe in Brandenburg (Größen, Gesellschaftsformen, Zusammensetzung von Gesellschaftern, Generationswechsel etc.) und zu den Folgen der betrieblichen Veränderungsprozesse auf die Entwicklung der ländlichen Räume. Ebenfalls sollte die Landwirtschafts- und Vermarktungsstruktur unter folgenden Aspekten evaluiert werden: Inwieweit entspricht die angebotene Produktpalette den Erfordernissen des Berliner Marktes? Wo gibt es noch ungenutzte Potenziale hinsichtlich Produktpalette, Veredelung, Absatzstrukturen oder landwirtschaftsnaher Dienstleistungen? Im Ergebnis sollten mögliche Handlungsbedarfe aufgezeigt werden.
  • Empfehlung an die brandenburgischen Landwirtschaftsverbände, ihre Mitgliedsbetriebe anzuregen, die ab 2014 vorgesehene erweiterte Veröffentlichung der Empfänger von Zahlungen aus den EU-Agrarfonds EGFL/ELER und der Beträge der jeweiligen Agrarbeihilfen durch freiwillige Angaben zur bewirtschafteten Fläche, Betriebsstruktur, Anzahl der Arbeitskräfte und den erbrachten Produktions-, Versorgungs-, Umwelt- und Tierschutzleistungen zu ergänzen. Dadurch (und nicht durch das bloße Auflisten der Höhe der Fördermittel je Betrieb) kann von der Öffentlichkeit die Verwendung der öffentlichen Mittel tatsächlich nachvollzogen und bewertet sowie der „Neiddiskussion“ begegnet werden. Die Landesregierung sollte prüfen, inwieweit sie eine solche Initiative zu mehr Transparenz unterstützen könnte.
  • Unterstützung aller Initiativen zur Einführung eines Mindestlohns in der Landwirtschaft, der zunächst 8,50 Euro pro Stunde betragen sollte.
  • Prüfung, inwieweit landesgeförderte Bildungs- und Forschungseinrichtungen (z.B. Landeszentrale für politische Bildung), sich stärker als bisher mit lokaler bzw. regionaler (Agrar-)Geschichte auseinandersetzen können (Forschung, Projekte, Veröffentlichungen und Veranstaltungen) und Initiierung entsprechender Maßnahmen.
  • Eine deutlich verstärkte museale Aufarbeitung der Bodenreform 1945 und der Kollektivierungsschübe 1952/53 und 1960 sowie der Arbeit in den LPG, wie es ausführlich schon im Erinnerungskulturkonzept „Geschichte vor Ort“ 2009 angemahnt wurde. Dabei kann an geeignete Ausstellungsorte (Wandlitz, Luckau, etc.) angeknüpft werden. (Wird neu im Themenfeld „Bildung“ aufgenommen.)
  • Übergabe noch vorhandener Unterlagen zum Transformationsprozess in der Landwirtschaft an das Landeshauptarchiv. Auch die am Transformationsprozess beteiligten Vereine, Verbände, Organisationen etc. sind gebeten, wichtige Dokumente im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu archivieren bzw. dem Landeshauptarchiv anzudienen. Das betrifft insbesondere die VdgB-Akten und Dokumente der Übergangszeit zum Landesbauernverband.