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Das Brandenburger „Schweigekartell“: Ein Fehler

Gastbeitrag von Dr. Helmut Müller-Enbergs Politikwissenschaftler, Sachverständiger der Enquete-Kommission Enquete Aufarbeitung

Wer vertritt das Volk im Parlament? In wessen Hände werden Entscheidungen gelegt, die weitreichende Folgen für Brandenburg haben? Warum gab es keine Auseinandersetzung mit der Vergangenheit der politischen Klasse? „Das war ein Fehler", räumte Ministerpräsident Matthias Platzeck ein. „Wir hatten in Brandenburg über mehr als zehn Jahre Defizite in dieser Frage. Seien wir ehrlich: Die Vergangenheitsdebatte war in unserem Land seit Mitte der neunziger Jahre tot.“ Diese Fehler und Defizite, die der Ministerpräsident selbst eingesteht, müssen natürlich bereinigt werden. Aber wie ist es darum bestellt?

Nehmen wir das Beispiel der „inoffiziellen Mitarbeiter“ (IM) der Staatssicherheit, mit denen sich die Enquete-Kommission befasst. Eigentlich waren IM nichts anderes als Puppen eines Marionettenspielers, der Staatspartei SED. Puppen also, denen nach den Gesetzen der DDR juristisch nichts vorzuwerfen ist. Doch belastet das hörbare Schweigen der ehemaligen IM sie selbst und die Gesellschaft.

Bei den aktuellen Bemühungen der Kommission, sich ein umfassendes Bild über mögliche IM-Tätigkeiten von Abgeordneten und Verwaltungsbeschäftigten zu verschaffen, hakt es an einem Punkt: Das Parlament ließ sich während seiner ersten Legislaturperiode von der Gauck-Behörde überprüfen. Aber nicht alle Gauck-Bescheide wurden von der Überprüfungskommission geöffnet, stattdessen blieben sie mehr als ein Jahrzehnt lang in der Schublade. Die Öffentlichkeit erfuhr damals nur von zwölf Abgeordneten, die der Staatssicherheit gedient hatten, 17 sollen es gewesen sein. Das Landesarchiv weigerte sich trotz Aufforderung der Enquete-Kommission lange, die Bescheide für Gutachter zugänglich zu machen. Daran, ob der Ministerpräsident bzw. Rot-Rot für vollständige Offenheit sorgt, wird sich zeigen, ob es die Landesregierung ernst damit meint, Fehler zu berichtigen, oder ob sie weiterhin Teil des „Schweigekartells“ bleiben will.