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NSU-Untersuchungsausschuss befasst sich mit übertriebener Geheimhaltungspolitik des Verfassungsschutzes

(Nr. 3) „Als es 1998 darum ging, die Mord- und Überfallserie des NSU zu verhindern, war es Brandenburgs Verfassungsschutz wichtiger, seinen Informanten ,Piatto‘ zu schützen", kritisiert die bündnisgrüne Fraktionsvorsitzende Ursula Nonnemacher, die zugleich Obfrau im NSU-Untersuchungsausschuss ist. Die Deckblattmeldungen mit den „Piatto“-Hinweisen auf Überfall- und Bewaffnungspläne des untergetauchten Rechtsterroristen-Trios gingen nicht an die Polizei.

„Als es 2015 darum ging, die rechtsterroristische Mord- und Überfallserie des NSU vor dem Münchener Oberlandesgericht aufzuklären, war Brandenburgs Verfassungsschutz die Geheimhaltung jener Deckblattmeldungen aus dem Jahr 1998 erneut wichtiger, obwohl Informant ,Piatto‘ bereits seit dem Jahr 2000 enttarnt ist“, sagt Ursula Nonnemacher. Die Handakten des V-Mann-Führers von „Piatto“, welche die Deckblattmeldungen enthielt, wollte das Innenministerium mit einer Sperrerklärung der Beweisaufnahme im NSU-Prozess entziehen. Und das, obwohl viele Inhalte der Deckblattmeldungen bereits in den öffentlichen Abschlussbericht des ersten Bundestags-Untersuchungsausschusses zum Thema NSU eingeflossen waren.

„Der Generalbundesanwalt, 34 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte der Opferfamilien sowie die Kammer des Oberlandesgerichts München reagierten mit einem juristischen Totalverriss der Sperrerklärung“, berichtet Ursula Nonnemacher. Das Brandenburger Ministerium musste die Erklärung aufgrund vielfältiger Rechtsmängel zurückziehen.

„Wir vermissen bis heute eine umfassende selbstkritische Fehleranalyse der Verfassungsschutzabteilung nach dem NSU-Desaster“, sagte die bündnisgrüne Sicherheitspolitikerin nach den Zeugenaussagen diverser Verfassungsschutzleute vor dem NSU-Untersuchungsausschuss. „Mit der Folge, dass wir uns im Untersuchungsausschuss mit umfangreichen Geheimhaltungsforderungen der Verfassungsschützer auseinandersetzen mussten. Selbst Presseberichte in dreistelliger Zahl wurden zunächst als derart heikel eingestuft, dass sie nicht einmal in den Geheimschutzraum des Landtags geliefert wurden.“ Inzwischen ist ein Großteil dieser Akten in Landtagsbüros zugänglich, weil die Geheimhaltungsvorstellungen des Verfassungsschutzes rechtlich nicht haltbar waren.

Ursula Nonnemacher: „Besonders tragisch ist, dass der Verfassungsschutz wertvolle Personalressourcen für die Begründung seiner rechtlich unzulässigen Geheimhaltungspolitik vergeudet hat.“