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Bündnisgrüne setzen sich mit ihren Forderungen in der Enquete-Kommission durch - Empfehlungen für ländlichen Raum dürfen sich aber nicht als leere Versprechen erweisen

(Nr. 56) Die Enquete-Kommission „Zukunft der ländlichen Regionen vor dem Hintergrund des demografischen Wandels“ beschließt heute ihren Abschlussbericht. Der bündnisgrüne Landtagsabgeordnete Benjamin Raschke, Mitglied und einer der Initiatoren der Enquetekommission, sagte dazu: „Ich bin insgesamt zufrieden mit dem Ergebnissen. Diese dürfen nun aber nicht in der Schublade verschwinden.“

Er sei mit folgenden Zielen in die Kommission gegangen: Den ländlichen Regionen mehr Gehör zu verschaffen; die Potentiale der Dörfer zu betonen und ihnen zu mehr Mitbestimmung zu verhelfen und die nachhaltige Wertschöpfung etwa in Landwirtschaft, Tourismus oder Forst zu stärken. Benjamin Raschke sagte:

„Die Politik für ländliche Räume folgte lange Zeit Klischees: Aufgrund des demografischen Wandels würden die Dörfer sterben, die ländlichen Regionen fernab der Städte würden ausdünnen. Doch die Wirklichkeit ist differenzierter. Unsere Fraktion hat daher am Anfang dieser Wahlperiode die Einsetzung der Enquete-Kommission gefordert, damit sich die Landespolitik wieder intensiv mit den ländlichen Räumen beschäftigen muss und den Blick stärker auf die Lebenswirklichkeit der Menschen dort richtet.

Mein Ziel war es, dem Gefühl des Abgehängtseins, das bei vielen Menschen in den ländlichen Regionen vorherrscht, etwas entgegenzusetzen. Wir wollten, dass der Landtag zuhört, dass wir zu den Menschen gehen und uns die Chancen jeder Region anschauen. Dank uns ging der Landtag mit der Kommission daher auch neue Wege bei der Bürger*innenbeteiligung: Fast die Hälfte der Sitzungen fand nicht in Potsdam, sondern im ländlichen Raum statt. Dort wurde eine Sprechstunde für Bürger*innen angeboten. Sitzungen in Potsdam wurden online übertragen, zusätzlich wurde ein Online-Dialogportal eingeführt. So viel Beteiligung der Bürger*innen dürfte bundesweit einmalig sein.

Es war mir ein Herzensanliegen, mehr Rechte und Gestaltungsmöglichkeiten für die Dörfer durchsetzen, weil diese bisher vor allem in der Landespolitik zu wenig Gehör finden. Das ist gelungen. Um den Handlungsspielraum der kommunalen Ebene und die demokratischen Teilhabemöglichkeiten auf der Ebene der Dörfer bzw. Ortsteile zu erhöhen, empfiehlt die Kommission Ortsteilbudgets, die Ausweitung der Rechte der Ortsbeiräte und Ortsvorsteher*innen, Veto-Rechte für Dörfer und die Schaffung eines „Parlaments der Dörfer“.

Ein weiterer Schwerpunkt unserer Arbeit in der Kommission war außerdem das Thema regionale Wertschöpfung. Dazu gehört der ländliche Tourismus ebenso wie die etwa die Land- und Holzwirtschaft.“

Die von der bündnisgrünen Fraktion in die Kommission entsandte Expertin, Frau Prof. Dr. Dr. Martina Schäfer (TU Berlin), sagte:

„Ich bin sehr zufrieden damit, dass sich die Kommission für Maßnahmen zur Verlängerung der Wertschöpfungskette, zur besseren Vermarktung von regionalen landwirtschaftlichen und gartenbaulichen Erzeugnissen und zur besseren Erschließung der N­achfragepotenziale des Berliner Marktes ausgesprochen hat. Besonders positiv ist es zu sehen, dass alle Fraktionen sich einig darin sind, dass Brandenburg nun auch einen Öko-Aktionsplan erstellen sollte, in dem vielfältige Maßnahmen formuliert werden, mit denen das bundesweite und Brandenburger Ziel 20 % Ökolandbau erreicht werden kann. Brandenburg schließt hier endlich eine Lücke.“

Der nach dreieinhalb Jahren Arbeit nun vorliegende Abschlussbericht ist aus Sicht der bündnisgrünen Fraktion ein solides Arbeitsprogramm, mit weit über 100 Empfehlungen.

Unter diesen finden sich viele grüne Kernforderungen wieder. Etwa die Empfehlung, verstärkt Landesmitteln zur Finanzierung des ÖPNV einzusetzen und Rahmenbedingungen zu schaffen, die vollflexible Flächenrufbusse ermöglichen. Oder die Empfehlungen, im Landesentwicklungsplanung zusätzliche Experimentierklauseln einzuführen, durch die die Kommunen mehr Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum zur Anpassung an regionale Gegebenheiten erhalten. Aber auch die Empfehlung, das umstrittene Konzept der Regionalen Wachstumskerne zu einem ganz Brandenburg abdeckenden Regionalentwicklungskonzept weiterzuentwickeln. Mehr gewünscht hätten sich die bündnisgrünen Vertreter u.a. bei dem auch für den Tourismus so wichtigen Thema Radverkehr. Beim Thema Integration konnte fraktionsübergreifend ebenfalls nur einen Minimalkonsens gefunden werden; hier hatte sich die Kommission vor allem auf die Integration in den Arbeitsmarkt konzentriert.

Benjamin Raschke: „Die Arbeit in der Kommission hat deutlich gemacht, dass die bisherige Regierungsarbeit zum Thema ländliche Räume ungenügend war. Mit dem Ende der Enquete-Kommission entsteht in der Behandlung dieses Politikfelds nun erneut eine erhebliche Lücke, die vom Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft in seiner bisherigen Struktur und Arbeitsweise nicht ausgefüllt werden kann. Deshalb müssen nun Taten folgen, die Arbeit darf nicht für die Schublade gewesen sein. Es muss darüber gewacht werden, dass sie in den nächsten Wahlperioden politisch aufgegriffen und weiterentwickelt wird. Aus bündnisgrüner Sicht braucht es daher dauerhaft eine stärkere Koordination über Ressortgrenzen hinweg. Hierzu muss in der nächsten Wahlperiode zum einen das zuständige Ministerium deutlich aufgewertet werden. Als Partner in der Staatskanzlei braucht es zudem eine neu einzurichtende Stabsstelle zur `Stärkung der Ländlichen Räume´ mit einem zusätzlichen Staatssekretär. Dieser muss die zentrale politische Koordinierung in diesem Politikfeld übernehmen, zentraler Ansprechpartner für alle Beteiligten innerhalb und außerhalb der Landesregierung und Anlaufstelle für Bürger*innen aus dem ländlichen Raum sein.“

Zum Herunterladen

>> Abschlussbericht der Enquete-Kommission 6/1 (pdf-Datei)