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Michael Jungclaus sieht erheblichen Nachbesserungsbedarf bei der Digitalisierung in Brandenburg

(Nr. 160) Auf seiner Sommertour zu den Ostsee-Anrainersaaten, für die Brandenburg seit Anfang des Jahres einen Partnerschaftsbeauftragten hat, ist der Landtagsabgeordnete und infrastrukturpolitische Sprecher der bündnisgrünen Fraktion Michael Jungclaus ca. 1.600 Seemeilen gesegelt. Er informierte sich vor Ort bei neun Terminen über für Brandenburg relevante Themen. In Tallinn standen die Chancen und Risiken der Digitalisierung auf dem Programm.

Estland gilt als eine Vorzeigenation bei der Digitalisierung. Im jährlich von der EU-Kommission ermittelten Fortschrittsreport zur Digitalisierung belegt Estland, wie bereits in den vergangenen Jahren, den ersten Platz. Deutschland liegt bei der digitalen Verwaltung hingegen auf Platz 20 und auch in Brandenburg ist in den vergangenen Jahren viel zu wenig passiert.

"Die Landesregierung hat das Thema Digitalisierung bislang verschlafen. Viel zu lange ist nichts oder zu wenig passiert. Erst im Mai dieses Jahres wurde endlich der Entwurf für ein E-Government-Gesetz vorgelegt. Nun soll es immerhin zum Jahresende auch eine Digitalisierungsstrategie für Brandenburg geben - besser spät als nie.

Während andere Länder, wie beispielsweise Estland, die Digitalisierung bereits seit Jahren leben, hat Brandenburg die Chancen dieser Technik in den vergangenen Jahren ungenutzt gelassen. Bei meinem Besuch im Showroom der estnischen Wirtschaftsförderung "Enterprise Estonia" in Tallinn konnte ich mich davon überzeugen, wie die konsequente Digitalisierung der Verwaltung zu einem enormen Wettbewerbsvorteil werden kann - vorausgesetzt, Datenschutz und IT-Sicherheit sind gewährleistet.

Grundvoraussetzung hierfür ist eine funktionierende Infrastruktur - leider sind in Brandenburg noch immer 38 % der Haushalte und Unternehmen vom schnellen Internet (mindestens 50 Mbit) abgehängt. In Estland verfügen 88 % der Haushalte über Glasfaserleitungen.

Auch für Brandenburg muss das Ziel heißen, flächendeckend Glasfaseranschlüsse zu bekommen. Vor allem im ländlichen Raum werden dies zukünftig Lebensadern sein.

Ob Fahrzeug-Zulassungen, Parlamentswahlen, Arbeitslosengeldanträge, Organspende-Ausweis oder Steuererklärung: 99% aller Behördengeschäfte lassen sich in Estland inzwischen per Internet erledigen. Ausländischen Unternehmen wird die Ansiedlung über eine sogenannte "e-residence" erleichtert. 4.000 Firmen machten davon bereits Gebrauch.

In Brandenburg hingegen soll es frühestens in 6 Jahren möglich sein, den Personalausweis oder einen Bauantrag online zu stellen. Brandenburg hinkt Estland nicht ein bis zwei Schritte hinterher. Das baltische Land ist IT-technisch eine komplett andere Welt. Ohne moderne Dateninfrastruktur werden wir in Brandenburg den Anschluss an die Entwicklungen in Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung verlieren.

Wenn wir bei uns nicht schleunigst eine erhebliche Temposteigerung in Richtung Digitalisierung hinbekommen, werden andere Länder uneinholbar vorbeiziehen."

Die bisherige Arbeit des sogenannten Digitalkabinetts der Landesregierung sieht Jungclaus skeptisch.

"DigitalAgentur, Digitalbeirat, Digitalisierungsstrategie und Dialogveranstaltung zur Digitalisierung können keine fehlenden Netze und Strukturen ersetzen. Es ist ja nicht so, dass hier das Rad neu erfunden werden muss. Und auch ein vom Chef der Staatskanzlei zum Digitalisierungskoordinator herunter gestufter Staatssekretär Kralinski wird vermutlich keine Trendwende bei diesem Zukunftsthema bewirken.

Tobias Koch von der estnischen Wirtschaftsförderung bat mich, unserer Landesregierung eine Einladung zu überbringen, sich dort ebenfalls über die Chancen und den Umsetzungsstand der Digitalisierung zu informieren. Bisher haben zwar schon über 650 Delegationen aus aller Welt den Showroom von Enterprise Estonia besucht - aus der Mark fand sich jedoch kein Eintrag im Gästebuch. Ich empfehle der Landesregierung dringend, die Einladung anzunehmen", sagte Michael Jungclaus.