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NSU-Untersuchungsausschuss: Ehemaliger Verfassungsschutz-Leiter bewertet die Nichtweitergabe der „Trio“-Hinweise an die Polizei als Gesetzesverstoß

(Nr. 159) „Der NSU-Untersuchungsausschuss Brandenburg ist nach seiner gestrigen Sitzung (30.08.2018) auf einem sehr guten Weg, den Kernbereich seines Untersuchungsauftrags erfolgreich zu erfüllen.“ Das sagte die bündnisgrüne Fraktionsvorsitzende und Obfrau im NSU-Untersuchungsausschuss Ursula Nonnemacher. „Es geht um die Frage, inwiefern der Brandenburger Verfassungsschutz noch vor dem ersten NSU-Mord wesentlich dazu beitragen hätte können, dass das untergetauchte Bombenbauer-Trio aus Jena verhaftet werden kann.“

Brandenburgs Verfassungsschutz-Informant „Piatto“ hatte im September 1998 Hinweise auf Bewaffnungs- und Überfall-Pläne der flüchtigen Neonazis geliefert sowie auf deren Kontaktpersonen und Aufenthaltsort. Ein Auswerter in der Behörde ordnete die drei untergetauchten Rechtsextremisten daraufhin zutreffend als „Rechtsterroristen“ ein.

Diese Hinweise hat der Verfassungsschutz aber nicht an die Polizei weitergegeben. Dieses Vorgehen bewertete der damalige Verfassungsschutz-Leiter Dr. Hans-Jürgen Förster als Zeuge vor dem NSU-Untersuchungsausschuss als Verstoß gegen das brandenburgische Verfassungsschutzgesetz. Der Ermessensspielraum habe diesbezüglich „bei Null“ gelegen.

Försters Stellvertreter hatte dafür gesorgt, dass der entsprechende Rechtsterrorismus-Vermerk den Behördenleiter nicht erreichte. Er will Förster lediglich mündlich informiert haben. Förster kann sich jedoch an keine mündliche Information erinnern. Sofern er informiert gewesen wäre, hätte für ihn festgestanden, dass notfalls auch die Quelle „Piatto“ riskiert werden müsse – weil die Quellenführung des Verfassungsschutzes kein Selbstzweck sei, betonte Förster.

Förster, der 1998 kurz nach dem Untertauchen des Trios öffentlich vor der Gefahr des Rechtsterrorismus gewarnt hatte, wollte nicht spekulieren, warum ihm der zentrale Auswerter-Vermerk vorenthalten worden sein könnte. Er wies aber darauf hin, dass in seiner Behörde bekannt gewesen sei, dass er die Quelle „Piatto“ für problematisch gehalten habe – und auch sein streng rechtsstaatlich orientiertes Verfassungsschutzhandeln sei umstritten gewesen.

Ursula Nonnemacher: „Es sieht sehr danach aus, dass im September 1998 interessierte Kreise innerhalb des Verfassungsschutzes den eigenen Behördenleiter hintergangen haben, um ein Auffliegen ihres Informanten ,Piatto‘ zu verhindern beziehungsweise das nicht einmal zu riskieren. Dadurch sind Informationen, die zu einer Ergreifung des in Chemnitz untergetauchten Trios vor dem ersten NSU-Mord hätten führen können, nicht bei den zuständigen Ermittlungsbehörden in Thüringen und Sachsen angekommen. Das ist ein Skandal!“