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Ursula Nonnemacher spricht zur Volksinitiative "Für den Erhalt einer leistungs- und handlungsfähigen sowie wahrnehmbar präsenten Polizei in allen Regionen des Landes Brandenburg"

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- Es gilt das gesprochene Wort ! -

Anrede!

Als vom 4. September bis zum 14. Dezember 2010 in Rekordzeit nahezu 100.000 Menschen die Volksinitiative unterzeichneten, hatten sie sicherlich unterschiedliche Motive. Die meisten Menschen dürften aber aus Sorge vor den angekündigten gewaltigen Personalkürzungen bei der Polizei und aus Sorge um den Erhalt der Polizeiwachen in ihrer Stadt oder Region unterschrieben haben. Sie wollten damit dokumentieren, dass sie mit dieser Reform oder zumindest dem Umfang der Kürzungen nicht einverstanden sind. Sie haben sicher nicht deswegen unterschrieben, um abstrakt die Debattenkultur des Landtages zu befördern, sondern weil sie etwas erreichen wollten. Jetzt bewertet der Landtag die Volksinitiative als reine „Befassungsinitiative", die damit erfüllt wird, wenn er eine weitere Aussprache zu dem Thema anberaumt.

Dass die Initiatoren der Volkinitiative sich veranlasst sahen, den Text so dehnbar und allgemein zu formulieren, ist den restriktiven Regelungen in Brandenburg zur Volksgesetzgebung geschuldet. Sobald eine Volksinitiative direkt oder indirekt Auswirkungen auf den Haushalt hat (und welches relevante Thema hätte das nicht!), riskiert sie wegen Haushaltrelevanz für unzulässig erklärt zu werden. Dieses Risiko wollten die Initiatoren nicht eingehen und so sind konkrete Forderungen zum Stellenabbau und zu Polizeiwachen vermieden worden. Die Gewerkschaftsvertreter und die kommunalen Verantwortungsträger haben zwar immer die Definitionen mitgeliefert, welche Kriterien sie an eine „leistungs-, handlungsfähige und wahrnehmbare Polizei in allen Regionen" anlegen, aber formulieren durften sie das nicht. Und die Bürger haben immer diese mitgelieferten Interpretationen im Kopf gehabt, als sie unterschrieben, aber dokumentiert werden konnte das nicht.

So haben wir jetzt eine geradezu absurde Situation: der Landtag nimmt einstimmig eine Volksinitiative an, obwohl allen klar ist, dass das, was die Mehrheit dieses Landtages durchsetzen will, gerade nicht mit dem Willen der 100.000 Bürger, die unterschrieben haben, zusammengeht. Vermutlich wird diese Annahme der Volksinitiative noch als Sieg der direkten Demokratie vermarktet werden. Sehet her, der Landtag hat die Volksinitiative unverändert und einstimmig angenommen! Welche Verhöhnung! Diese Volksinitiative zeigt erneut, wie dringlich unsere Volksgesetzgebung reformiert werden muss. Der strikte Haushaltvorbehalt muss fallen und die Hürden für Volksbegehren gesenkt werden. Der Wille der Bürgerinnen muss ernst genommen werden.

Zeitgleich mit der Befassung der Volksinitiative liegt nun seit dem 1. April der bitterernste Bericht der Aufbaustäbe vor. Wer auf Kurskorrekturen unter der Ägide von Dr. Woidke gehofft hatte, sieht sich enttäuscht. Das Stellenabbauprogramm des Rainer Speer – Zielzahl 7000 und 15 plus x – schreitet voran. Standortschließungen, Minimalreviere, erhebliche Löcher in der Fläche zwischen einzelnen Inspektionen, bedenklicher Abbau bei der Kriminalpolizei, größere Städte wie Frankfurt, Eberswalde und Falkensee mit Revieren ohne Rund-um die Uhr-Besetzung: diese Vorschläge sind mit dem Anliegen der Volksinitiative nun wirklich nicht vereinbar!

„Der Landtag bewertet die Volksinitiative anhand ihres Wortlautes als eine Befassungsinitiative ...", heißt es in der Stellungnahme des Innenausschuss, die auch der Beschlußempfehlung des Hauptausschuss zugrunde liegt. Wir wollen nochmals darauf hinweisen, dass im Wortlaut auch von Überprüfung und Korrektur die Rede ist. Auf Initiative der Fraktion Bündnis90/Die Grünen wurde die Annahme der Volksinitiative mit der neuerlichen Befassung vor der Sommerpause verknüpft. Nur unter dieser Prämisse ist die Beschlussempfehlung für uns zustimmungsfähig. Ursprünglich war eine neue Befassung erst für das erste Quartal 2012 vorgesehen; dann wären aber alle Messen definitiv gesungen gewesen. Wenn uns der Minister jetzt Ende Mai definitiv erklären wird, welche Schlüsse er aus den Vorschlägen der Aufbaustäbe zu ziehen gedenkt, ist die allerletzte Gelegenheit, korrigierend im Sinne der Volksinitiative einzugreifen. Diese ist nämlich vorwiegend als „Korrekturinitiative" gedacht gewesen.