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Ursula Nonnemacher spricht zur Situationsanalyse zu Bedarfen für die Einführung akademischer Studienangebote für Pflege und Gesundheit

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- Es gilt das gesprochene Wort !

Anrede!

In der 30. Plenarsitzung am 23. Februar 2011 wurde mit überwältigender Mehrheit der Antrag der Koalitionsfraktionen „Akademische Studienangebote für Pflege und Gesundheit" angenommen. Darin wird die Landesregierung aufgefordert, zielgerichtet Studienangebote in Pflege und Gesundheit zu schaffen und die Einrichtung der Studiengänge zu forcieren. Die Landesregierung soll den zusätzlichen - ich wiederhole: zusätzlichen – Finanzbedarf der Hochschulen ermitteln und bis Mitte des Jahres 2011 eine Situationsanalyse erstellen. Vorausgegangen war schon die Einberufung eines Runden Tischs „Gesundheitswissenschaftliche Studienangebote" durch Frau Dr. Münch im Juni 2010. Einschlägige Analysen und Konzepte für Studienangebote im Bereich der Gesundheitsfachberufe entstanden ebenso schon in der 2. Jahreshälfte 2010.

Meine geschätzte Kollegin Frau Lehmann hat bei der Einbringung des Antrages im Februar ja auch daraufhingewiesen, dass im Arbeitskreis der Koalitionsfraktionen das MASFF und das MWFK vertreten waren und schon ein entsprechender Arbeitsvorlauf geschaffen war, bevor der Antrag hier vorgelegt wurde.

Die Situationsanalyse und die Abschätzung des Finanzbedarfs liegt jetzt also schwarz auf weiß vor. Einige Zahlen daraus möchte ich durchaus noch einmal nennen. Allein die Krankenhäuser in Berlin/Brandenburg haben zur Kompensation ihrer Altersabgänge einen jährlichen Bedarf von 2000 Fachkräften, der Hauptteil davon Krankenpflegepersonal. Aufgrund der demografischen Entwicklung ist ein Erweiterungsbedarf von 700 Kräften minimal zu unterstellen. Der Ersatzbedarf an Fachkräften im Bereich von Pflegeeinrichtungen liegt bei ebenfalls 2000 Fachkräften, bei einem geschätzten Erweiterungsbedarf allein für Brandenburg von 500 Pflegekräften jährlich. Um die Anforderungen der Qualitätssicherung, die Umsetzung von pflegewissenschaftlichen Erkenntnissen und den Bedarf an Spezialkenntnissen abzudecken, wird auch in der täglichen Arbeit ein Anteil von 5-10% akademisch gebildeter Pflegekräften nötig sein. Allein daraus lassen sich schon erhebliche Bedarfe an Studienplätzen ableiten. Schon heute kritisch ist der Mangel an Dozenten in der Ausbildung von Pflege- und Gesundheitsberufen, die akademisch ausgebildet sein müssen. Die Verordnung zur Anerkennung von Altenpflegeschulen von 2009 schreibt einen Masterabschluss für Lehrkräfte bereits verbindlich vor, die Richtlinien zur Anerkennung von Ausbildungsstätten für Gesundheitsfachberufe werden dahingehend geändert werden. Seit die Charite ihren Teilzeitstudiengang „Medizin- und Pflegepädagogik" im Wintersemester 2010 eingestellt und die Kapazitäten im Vollstudium abgesenkt hat, ist eine Versorgungslücke entstanden. Der Bericht führt aus: „Es ist unter der Berücksichtigung der Berliner Bedarfszahlen davon auszugehen, dass das künftige Studienangebot die Brandenburger Bedarfe nicht bedienen kann."

Hinzu kommt ein eklatanter Mangel an Führungskräften im Pflegebereich, die minimal über einen Bachelorabschluss in Gesundheits- und Pflegemanagement verfügen müssen. Die schon mehrfach angesprochene Strukturqualitätsverordnung von Oktober 2010 definiert die Anforderung nach akademisch qualifiziertem Leitungspersonal.

Der Bericht weist an mehreren Stellen explizit darauf hin, dass es sich bei dem Akademisierungsbedarf um Mindestzahlen handelt und dass der tatsächliche Bedarf mit hoher Wahrscheinlichkeit deutlich größer sein dürfte. Die Einführung von Studienangeboten in Gesundheitspädagogik, -management und –wissenschaft ist nach den aufgearbeiteten Zahlen also dringend erforderlich. Wieso in den Schlussfolgerungen die Studienangebote nur noch als „wünschenswert" oder „erstrebenswert" bezeichnet werden, entzieht sich der Logik, führt uns aber zum Kernproblem! Wo ist das Geld?

Der Bericht kommt auf einen Finanzbedarf als absolute Mindestgröße von 3,2 Millionen Euro jährlich zur Absicherung der notwendigsten Studienangebote. Wohlgemerkt nur für Personal und Ausbildung, investive Kosten sind darin nicht enthalten. Findet sich im Haushaltsentwurf des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur ein entsprechender Ansatz oder wenigstens ein Posten zur Anschubfinanzierung?

Ich wage dies zu bezweifeln. Das Kapitel Globalzuweisung an die Hochschulen befindet sich allein schon durch die ausgebrachte Globale Minderausgabe in Höhe von 12 Millionen Euro in absoluter Schieflage. Zusätzlich verdeutlicht wird die angespannte Finanzausstattung der Hochschulen durch die Diskrepanz zwischen steigenden Personalkosten in Höhe von mehr als 10 Millionen Euro und der Verbesserung der Gesamtausstattung des Kapitels um lediglich 1,8 Millionen Euro. Der Auftrag für die Hochschulen ist klar: Sparen was das Zeug hält.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Auch bei der Finanzierung der akademischen Studienangebote für Pflege und Gesundheit erleben wir leider wieder ein allzu bekanntes Phänomen: Problem ist erkannt, erheblicher Bedarf dokumentiert, durchaus richtige Vorarbeiten sind geleistet, Konzepte liegen in der Schublade, ein fast einstimmiger politischer Beschluss des Landtages liegt vor, aber unsere Regierung ist nicht in der Lage oder nicht willens, dies auch durch die Haushaltsaufstellung abzusichern.

Es handelt sich um eine relativ kleine Summe, die für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes in mehrfacher Hinsicht bedeutsam ist. Politische Schwerpunktsetzung in Bildung und Wissenschaft und Investition in die Köpfe unserer Menschen sieht anders aus.

Frau Prof. Kunst, Sie haben im Februar in der Plenardebatte gesagt, dem Landtag müsse klar sein, dass es zusätzliche Studienangebote nicht zum Nulltarif gibt, wenn er der Landesregierung den Auftrag zur forcierten Einrichtung der Studiengänge erteilt. Der Auftrag wurde erteilt und Sie wollten ihn gerne annehmen. Wir möchten Sie jetzt um die Umsetzung bitten!