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Ursula Nonnemacher spricht zur "Polizeistrukturreform 2020"

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- Es gilt das gesprochene Wort !

Es wird ernst! Heute steht das Polizeistrukturreformgesetz in unveränderter Form zur Abstimmung an. Obgleich durch Errichtung eines Polizeipräsidiums als Landesoberbehörde nur die oberste Organisationsstufe der Polizei gesetzlich geregelt wird, wird damit der Auftakt für die größte Polizeireform im Land Brandenburg eingeleitet.

Trotz zahlloser Proteste im Vorfeld, die ihren Ausdruck in den 97.500 am Dienstag übergebenen Unterschriften der Volksinitiative „Für den Erhalt einer leistungs – und handlungsfähigen sowie wahrnehmbar präsenten Polizei in allen Regionen des Landes Brandenburg" finden, wird das Gesetzgebungsverfahren nicht ausgesetzt. Mit dieser riesigen Menge an Unterschriften wurde das Quorum für eine Volksinitiative fast fünf mal übertroffen und eine Anzahl Unterschriften in Rekordzeit gesammelt, die auch für ein Volksbegehren ausgereicht hätten. Dem Anliegen der Unterstützer, dass sich der Landtag intensiver mit der Reform befassen solle und nicht große Teile dem Ermessen des Innenministers überlassen bleiben, wird damit nicht entsprochen.

Daran ändern auch die durch Innenminister Dr. Woidke angekündigten Korrekturen und der auf Initiative der Linken vorgelegte Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen nichts. Der Innenminister hat die „semantisch missglückte Formel" von 15 plus x Polizeiwachen kassiert und spricht jetzt nicht mehr von Wachen. Er spricht jetzt von 15 rund um die Uhr besetzten Inspektionen mit Führungsstab. Positiv zu werten ist die Aussage zum Standortserhalt. Auch in diesem Zusammenhang wird der Begriff „Wache" peinlich vermieden, wir reden jetzt von Revieren. Diese Reviere sollen flexibel ausgestaltet werden was Personal und Öffnungszeiten angeht, vom Stützpunkt eines Revierpolizisten bis hin zur Beinahe-Inspektion mit 24 Stunden Besetzung, Vorhalten von Gewahrsam und Kriminalpolizei ist alles möglich. Auch saisonale Verstärkungen werden erwogen.

Die vorgestellten Überlegungen zu 15 Inspektionen und vermutlich 35 Revieren sind so elastisch in ihren Interpretationsmöglichkeiten, dass nahezu alles hinein interpretiert werden kann. Vom Worst-Case-Szenario – es bleibt bei 15 Polizeiwachen, die jetzt nur zu Inspektionen umetikettiert worden sind - bis hin zu einem sinnvollen flächendeckenden Netz an Polizeistandorten mit unterschiedlicher und flexibilisierbarer Ausstattung. Auch die hinter den Kulissen so hart umkämpften Polizeiwachen in Gransee, Guben/Forst, Eberswalde, Rathenow, Schwedt und Lübben lassen sich mit der neuen Nomenklatur herrlich in der Schwebe halten. Vom Erhalt in heutiger Form bis zur de-facto Abwickelung ist alles möglich. Misstrauisch muss machen, dass der Minister trotz vorsichtiger Kurskorrekturen an der willkürlichen Zielzahl von 7000 festhält. Wer Polizeiarbeit in akzeptabler Qualität in der Fläche sinnvoll organisieren will, muss erst das Konzept ausarbeiten und dann Hausnummern verkünden.

Wir fassen zusammen: ein umsichtig agierender und um ernsthafte Kommunikation mit den Betroffenen bemühter Minister hat bezüglich der Polizeiwachen vage Kurskorrekturen in Aussicht gestellt. Ob es sich dabei im Bemühen verbrannte Begrifflichkeiten zu meiden um einen reinen Etikettenschwindel oder den Ansatz zu einem wirklich sinnvollen Kompromiss, dem auch die Grünen gerne ihre Zustimmung erteilen würden handelt, lässt sich nicht absehen. Die Polizeireform bleibt in wichtigen Anteilen unklar, der Landtag als Gesetzgeber wird nicht weitergehend beteiligt. Eine Generalvollmacht wird es von den Grünen nicht geben, den vorliegenden unzureichenden Gesetzentwurf lehnen wir ab.