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Ursula Nonnemacher spricht zur Evaluierung der Kommunalverfassung

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Es gilt das gesprochene Wort !

Anrede!

zu dem hier vorliegenden Evaluationsbericht gäbe es viel zu sagen – mehr als in fünf Minuten, auch mit „Mächtig'scher Schnellligkeit", angesprochen werden kann.

Wenn man dem Bericht der Landesregierung zur Evaluierung der Kommunalverfassung glauben soll, ist quasi alles in bester Ordnung: Die Novellierung sei ohne größere Probleme von der Praxis angenommen worden und die Kommunalverfassung wurde überwiegend positiv bewertet. Immerhin schlägt die Landesregierung ein paar kleinere Modifizierungen vor, die aber doch eher kosmetischen Charakter haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die „überwiegend positive Bewertung" hat einen gravierenden Schönheitsfehler:

Die Evaluierung der Kommunalverfassung fand, wie wir dem Bericht entnehmen, in Workshops und Abstimmungen mit den unteren Kommunalaufsichtsbehörden, den kommunalen Spitzenverbänden sowie Interessen- und Fachverbänden und der Wissenschaft statt. Während also die Aufsichtsbehörden und die Spitzenverbände zahlreich vertreten waren, tauchen die demokratisch gewählten, ehrenamtlichen Mitglieder der Kreistage, Gemeindevertretungen und Stadtverordnetenversammlungen nicht auf.

Eine umfassende Beteiligung aller Betroffenen scheint mir das nicht zu sein. An dieser Stelle herrscht für mich der dringende Bedarf, sich weitere Meinungen und Erfahrungsberichte einzuholen. Deshalb ist eine Überweisung in den Innenausschuss unbedingt geboten und notwendig. Hier sollten wir uns intensiv mit dem Bericht auseinandersetzen, auch die Sichtweise der gewählten kommunalen Abgeordneten einholen und nicht nur stoisch auf den angekündigten Gesetzentwurf zur Änderung der Kommunalverfassung warten.

Eine der einschneidensten Neuerungen der Kommunalverfassung war die Heraufsetzung der Mindestfraktionsstärke. Diese Regelung ist zu Recht vom Landesverfassungsgericht einkassiert worden. Auch die Folgen dieses Urteils sollten wir im Rahmen dieser Evaluierung im Innenausschuss beraten, um dafür Sorge zu tragen, dass in den kommunalen Vertretungen Fraktionsmindestgrößen nicht willkürlich festgelegt werden können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Kommunalverfassungsreform 2007 hat unter dem Mantel der Stärkung der Eigenverantwortlichkeit der Kommunen in einigen wichtigen Bereichen keine landesweiten Standards und Regelungen gewagt, sondern die konkrete Ausgestaltung wichtiger Themen von übergeordnetem Interesse wie Transparenz und BürgerInnenbeteiligung der jeweiligen Hauptsatzung überlassen. Damit wurden grundlegende demokratische Mitwirkungsrechte und Spielregeln wie beispielsweise der Minderheitenschutz den jeweiligen politischen Mehrheiten vor Ort, der Auslegung der Verwaltung und nicht zuletzt der Kassenlage anheim gegeben. Hierbei von Stärkung der Eigenverantwortlichkeit zu sprechen, ist unangemessen und wird dem Thema nicht gerecht. Wir BündnisGrünen halten landesweit verbindliche Regelungen im Bereich der BürgerInnenbeteiligung für wichtig. Um Demokratisierungsprozesse und die Identifikation mit dem Lebensumfeld zu unterstützen, sollten z.B. die direkt-demokratischen Instrumente Bürgerbegehren und Bürgerentscheid ortsteil- oder stadtteilbezogen möglich sein, soweit sie nur den Orts- oder Stadtteil betreffen. Derzeit gibt es (in § 15) in der Kommunalverfassung einen umfangreichen Katalog, wozu ein BürgerInnenentscheid gar nicht stattfinden kann. Themenausschlüsse verhindern BürgerInnenbeteiligung zu vielen kommunalpolitisch wichtigen und für das Gemeindeleben bedeutsamen Fragen. Dieser Katalog gehört dringend entrümpelt - bei der Bauleitplanung sollten die EinwohnerInnen genauso mitreden können wie bei Teilen des Haushalts.

Wir halten es ebenso für dringend notwendig, die Berücksichtigung der Belange bestimmter Gruppen auch in der Kommunalverfassung zu verankern. Beispielhaft ist dafür unser Gesetzesantrag zur Kinder- und Jugendbeteiligung. Es ist sinnvoll hier Vorgaben zu machen, die Umsetzung und Ausgestaltung aber den Kommunen vor Ort überlassen.

Die Stellung des Hauptverwaltungsbeamten wurde durch die neue Kommunalverfassung erheblich gestärkt. Wir müssen vermeiden, dass die gewählten Vertretungen zu einem reinen Abnick-Verein werden. Ich sehe daher die Festschreibung der Amtszeit des Hauptverwaltungsbeamten auf acht Jahre kritisch. Zwischen dem Wunsch nach Kontinuität an der Verwaltungsspitze und der regelmäßigen demokratischen Legitimation bzw. Bestätigung könnte ein Ausgleich durch eine kürzere Amtszeit, z.B. auch auf 5 Jahre gefunden werden.

Eine hauptamtliche Gleichstellungsbeauftragte ist nach der Kommunalverfassung derzeit nur in Gemeinden mit mehr als 30.000 EinwohnerInnen vorgesehen. Das dürfte schon heute auf weniger als 20 Gemeinden im ganzen Land Brandenburg zutreffen und es werden bei den absehbar sinkenden EinwohnerInnenzahlen in unserem Bundesland in den kommenden Jahren noch weniger. Die Gleichstellung von Frau und Mann in Beruf, öffentlichem Leben, Bildung und Ausbildung, Familie sowie in den Bereichen der sozialen Sicherheit ist keine Luxusaufgabe. Wir wollen deshalb, dass Gleichstellungsbeauftragte künftig in Gemeinden mit mehr als 10.000 EinwohnerInnen hauptamtlich tätig werden und hierfür eine angemessene Stundenzahl zur Verfügung haben. Ähnliches gilt ebenso für die Behindertenbeauftragten. Auch hier müssen wir zu Besserstellungen kommen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit dieser Aufzählung konnte ich nur einen Teil der kritikwürdigen Regelungen der Kommunalverfassung anreißen. Viele von Ihnen haben auch kommunale Mandate und können die Liste wahrscheinlich noch verlängern.

Zum Schluss wollte ich eigentlich noch auf die Evaluierung der haushaltsrechtlichen Vorschriften eingehen. Die Probleme, die die Einführung der Doppik hervorrufen, sind eklatant. Es spricht ja eigentlich Bände, dass die Landesregierung nicht im Traum daran denkt, die Doppik für ihren eigenen Haushalt anzuwenden. Ob sich die versprochenen positiven Veränderungen – wie Steuerungswirkung und mehr Transparenz - jemals einstellen werden, wird sich erst in einigen Jahren zeigen. Es bleibt leider festzuhalten, dass weiterhin viel Kraft und viele Ressourcen bei der Einführung der Doppik gebunden bleiben, die in den Kommunen eigentlich für andere Aufgaben notwendig wären.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und bitte um Zustimmung zur Verweisung der Vorlage in den Innenausschuss.