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Ursula Nonnemacher spricht zur Anpassung des Lebenspartnerschaftsrechts

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- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede!

Am 10. Juni 2001 fand das berühmte coming out von Klaus Wowereit auf dem Sonderparteitag der Berliner SPD statt. Seine Worte: „Ich bin schwul – und das ist auch gut so" dürfen zu Recht als historisch gelten. Sie hatten ein ungeheures Presseecho und stellten einen Befreiungsschlag für die Emanzipation Homosexueller in unserem Land dar. Heute sind schwule und lesbische Prominente wie Anne Will, Guido Westerwelle, Hella von Sinnen oder Ole von Beust für den allergrößten Teil der Bevölkerung Selbstverständlichkeiten.

Das Jahr 2001 war auch in anderer Hinsicht ein Wendepunkt im Kampf der Schwulen und Lesben um gesellschaftliche Anerkennung: am 1.8.2001 trat das „Gesetz über eingetragene Lebenspartnerschaften" der rot-grünen Bundesregierung in Kraft, im Volksmund besser bekannt als Homo-Ehe.

Eine rechtliche Gleichstellung mit der Ehe war aber dadurch noch lange nicht erreicht. Wegen des Widerstandes der uniongeführten Bundesländer im Bundesrat konnte das ursprünglich umfassend geplante Gesetzeswerk nur in deutlich abgespeckter Form in Kraft treten. Trotzdem stellte es seit dem Kampf gegen den unseeligen Paragraphen 175 eine Zäsur auf dem Weg der vollständigen Gleichberechtigung Homosexueller dar. Die von den Ländern Bayern, Sachsen und Thüringen angestrengte Normenkontrollklage wurde vom Bundesverfassungsgericht in allen Punkten verworfen. Damit war der Weg frei zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsgesetzes, wodurch Anfang 2005 die Stiefkindadoption, die Zugewinngemeinschaft als Regelfall, die Unterhaltsvorschriften, die Hinterbliebenenversorgung, der Versorgungsausgleich bei Trennung und weitere Regelungen angepasst werden konnten. Die Gleichstellung der Lebenspartnerschaften mit der Ehe schritt in den letzten Jahren kontinuierlich voran. Im Juli 2009 nach einem weiteren Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts war klar: Eine Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnern mit Ehegatten in sämtlichen Bereichen ist verfassungsrechtlich geboten. Aus dem Schutz von Ehe und Familie nach Artikel 6 GG kann nicht abgeleitet werden, dass andere Lebensgemeinschaften mit geringeren Rechten ausgestattet werden. Der Gleichheitsgrundsatz des GG erfordert eine Gleichbehandlung.

Auch die europäische Gleichstellungsrichtlinie, die eigentlich schon 2003 in nationales Recht hätte umgesetzt werden müssen, fordert diese Gleichbehandlung. Diskiminierende Lücken bestehen weiterhin im Adoptionsrecht, im Steuerrecht, insbesondere bei der Einkommenssteuer und partiell im Beamtenrecht des Bundes und einiger Bundesländer.

Zehn Jahre nach Inkrafttreten des Lebenspartnerschaftsgesetzes passt jetzt das Land Brandenburg sein Landesrecht an die bundesgesetzlichen Regelungen sowie die Rechtssprechung von Bundesverfassungsgericht und Europäischem Gerichtshof an. Elf andere Bundesländer sind diesen Schritt bereits gegangen. Der vorliegende Gesetzentwurf zum Landesanpassungsgesetz ist sehr zu begrüßen. Damit werden nun endlich auch in Brandenburg weitere Diskriminierungen abgebaut und in vielen Lebensbereichen die überfällige Rechtssicherheit geschaffen.

In unserer Verfassung ist in § 26 neben Ehe und Familie die Schutzbedürftigkeit anderer auf Dauer angelegter Lebensgemeinschaften schon ausdrücklich erwähnt.

Was bleibt noch zu tun? Wir wünschen uns mit dem Lesben- und Schwulenverband in Deutschland die rückwirkende Anpassung einiger besoldungs- und versorgungsrechtlicher Vorschriften für verpartnerte Beamtinnen und Richter sowie die Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften mit der Ehe im Kindschaftsrecht. Dazu liegt eine Gesetzesinitiative des Landes Berlin im Bundesrat vom März 2011 sowie ein aktueller Gesetzentwurf von Bündnis90/Die Grünen im Bundestag vor.

Auf dem Weg zur vollen Gleichberechtigung von Lesben und Schwulen ist in den letzten 10 Jahren einiges erreicht worden, auch wenn immer noch Diskriminierung in vielen Bereichen des Alltags zu verzeichnen ist. Die Legalisierung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften ist für den Emanzipationsprozess nicht zu unterschätzen. Dem vorgelegten Gesetzentwurf stimmen wir gerne zu.