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Ursula Nonnemacher spricht zum Haushaltsplan des Ministeriums des Inneren für 2013/2014

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- Es gilt das gesprochene Wort !

Anrede!

Der Gesamthaushalt des Einzelplanes 03 zeichnet sich dadurch aus, dass er in diesem Jahr durchaus in der Lage ist, einen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung zu leisten. Im Vergleich zum Vorjahr steigen die Einnahmen um gut 14,7 Mio. EUR und die Ausgaben verringern sich um 16 Mio. EUR. Ein ähnliches Bild ergibt sich im Jahr 2014. Im Gegensatz zu 2013, wo allein im Bereich der Personalausgaben fast 5 Mio. EUR eingespart werden liegt im Jahr 2014 der Schwerpunkt der Einsparungen allein im Bereich der Investitionen. Insgesamt gehen die Investitionen von 2013 auf 2014 um 13 Mio. EUR zurück. Der Großteil betrifft Umbauten und kleinere Instandsetzungen, also Maßnahmen, die auch ein Jahr später durchgeführt werden können. Ein gewisser Sparwille ist hier also zu erkennen.

Die Personalkosten wachsen trotz anhaltender Stellenreduktion von 67% im Jahr 2012 auf gut 70% im Jahr 2014 und hier sind die Mittel für den Versorgungsfond noch gar nicht enthalten, die im gleichen Zeitraum von knapp 4,5 Mio. auf über 8 Mio. EUR anwachsen. Die weiter steigenden Mietzahlungen an den BLB – wir hatten in den letzten Jahren besonders die stark gestiegenen Betriebskosten kritisiert – schlagen im Jahr 2014 mit fast 43 Millionen Euro zu buche. Einspareffekte durch eine geänderte Bewirtschaftung oder energetische Sanierungen sucht man in diesem Bereich weiterhin leider vergebens.

Der Landesrechnungshof hat in seinem jüngsten Bericht den, im Vergleich mit anderen Bundesländern deutlich zu hohen Anteil der Zurruhesetzungen wegen Dienstunfähigkeit an der Gesamtzahl der Ruhestandsfälle im Land Brandenburg kritisiert. Vor allem im Bereich der Polizei sei dies augenfällig. Er führt weiter an, dass die Dauer der Zurruhesetzungsverfahren, gerechnet vom Krankheitsbeginn bis zur Versetzung in den Ruhestand, unbefriedigend ist und sich dies, genau so wie die Unterschiedlichkeit der Verfahrensdauer, überwiegend nicht objektiv begründen lässt. Die durchschnittliche Verfahrensdauer lag im Bereich des Ministeriums des Inneren bei 566 Kalendertagen. Da das Durchschnittsalter der wegen dauernder Dienstunfähigkeit zurruhegesetzten Beamten im Vollzugsdienst 50 Jahre und das der Beamten in den übrigen Bereichen 49 Jahre betrug und die Anzahl mit 1012 Personen seit 1994 hoch ist, wird der Landeshaushalt mit erheblichen zusätzlichen Ausgaben belastet.

Bei einem Schuldenstand von 18,66 Milliarden Euro nach Abschluss des Haushaltsjahres 2011 - ohne Einbeziehung der Schulden des Landeswohnungsbauvermögens – stiegen die Versorgungsausgaben weiter überproportional an. Die Steigerungsraten bei den Versorgungsausgaben liegen zur Zeit jährlich um die 20%. Die vom Landesrechnungshof wegen der vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand angemahnten Maßnahmen - zügige Durchführung der Verfahren, Beachtung des Instrumentes der begrenzten Dienstfähigkeit und Reaktivierung von in den Ruhestand versetzten Beamten sowie die mögliche Einführung eines zentralen amtsärztlichen Dienstes für die Landesverwaltung – sind also von hoher Relevanz.

Angesichts der prognostizierten Höhe der Versorgungsaufwendungen, nämlich c.a. 1 Milliarde Euro in 2030 und dem bekannten hohen strukturellen Defizit des Brandenburger Landeshaushalts halten wir es aber weiter für unumgänglich, endlich Verbeamtungen auf das absolute Mindestmaß in Bereichen mit hoheitlicher Aufgabenwahrnehmung zu beschränken und die Ruhestandsregelungen den rentenrechtlichen Regelungen anzupassen. Bei etwa 37.500 Landesbeamten und 2000 Kommunalbeamten sind die Auswirkungen auf künftige Haushalte exorbitant. Von diesen Erwägungen bezüglich der Pensionsgrenzen hatte sich ja auch ursprünglich der Koalitionsvertrag leiten lassen, in dem zu lesen ist:

„Die allgemeine Altersgrenze für Beamtinnen und Beamte wird von 2010 bis 2019 schrittweise an die allgemeine Altersgrenze angepasst, die besondere Altersgrenze wird für Beamte des Polizeidienstes mit mindestens 20-jährigem Wechselschichtdienst schrittweise auf 62 Jahre festgesetzt.“ Dass das Pensionsalter 67 für Beamte in Brandenburg nach diesem Koalitionsvertrag zehn Jahre schneller eingeführt werden sollte als in der gesetzlichen Rentenversicherung, wo die Übergangsfristen bis 2029 laufen, hatte uns verwundert und hatten wir als ungerecht empfunden. Die Angleichung der Beamten bis 2029 – bei Sonderregelungen für besonders belastete Vollzugsbeamtinnen und –beamte - halten wir aber sowohl für dringend geboten als auch für eine Frage der Gerechtigkeit. Das sah bis vor kurzem auch die Landesregierung so. Das Kabinett hat am 22.5.2012 das Eckpunktepapier zum Landesbeamtengesetz verabschiedet, zu dem Minister Woidke erklärte: „Der demographische Wandel und die gestiegene Lebenserwartung zwingen uns bei der Lebensarbeitszeit zu Veränderungen, wenn wir die Versorgung im öffentlichen Dienst weiter sicherstellen wollen. Es steht außer Frage, dass hierzu jeder seinen Beitrag leisten muss. Da können die Beamten nicht außen vor bleiben.“ Grundsätzlich werde es keine Privilegierung der Beamten gegenüber Tarifbeschäftigten geben, das würde kein Bürger verstehen.

Unter dem massiven Druck der Interessensvertreter wurden die Eckpunkte Ende September aber verändert auf 62 Jahre für den mittleren Dienst, 64 Jahre mit Reduzierungsmöglichkeit für den gehobenen Dienst und 65 Jahre für den höheren Dienst. Statt Sonderregelungen für besonders Belastete - wie wir sie auch für Tarifbeschäftigte brauchen - gibt es doch wieder Privilegien für Beamte. Das versteht keine Bürgerin mehr!

Laut Koalitionsvertrag lebt Demokratie „vom Mittun, vom Mitgestalten der Bürgerinnen und Bürger. Ausgehend vom Auftrag der Brandenburger Landesverfassung wollen die Koalitionspartner in diesem Sinne die bestehenden demokratischen Mitwirkungs-­ und Gestaltungsrechte der Bürgerinnen und Bürger ausbauen und damit dem Trend zunehmender Politikverdrossenheit entgegenwirken.“

Diesen Passus des Koalitionsvertrages finden wir GRÜNEN besonders wichtig und gut und schauen darum immer gerne mal nach, was sich in puncto demokratischer Mitwirkungs- und Gestaltungsrechte so tut.

Letztes Jahr um diese Zeit wurde auf unseren Druck hin die Volksgesetzgebung reformiert mit einem in unseren Augen unzureichenden Ergebnis. Immerhin haben die geringen Verbesserungen Brandenburg prompt das erste erfolgreiche Volksbegehren in seiner Geschichte eingebracht. Und zwar nicht so mit Ach und Krach, sondern mit dem überwältigenden Ergebnis von über 106.000 gültigen Stimmen! Der Erfolg dürfte maßgeblich auf die Möglichkeit des Briefeintrages zurückzuführen sein, von dem weit über ein Viertel der Abstimmenden Gebrauch machte. Ein eindrucksvoller Beleg, dass der obligatorische Amtseintrag der größte Feind der direkten Demokratie ist. Und was macht diese Koalition, die die Mitwirkungsmöglichkeiten verbessern und der Politikverdrossenheit entgegenwirken will? Nichts, sie macht gar nichts! Herr Platzeck nimmt das Ergebnis mit Respekt zur Kenntnis als ein erwartbares Signal aus der Flughafenregion und Ausdruck lebendiger Demokratie. Außerdem, so der verschnupfte Hinweis, haben sich ja nur rund fünf Prozent der Wahlbürger artikuliert. Dass bei uns ein Landrat oder Bürgermeister auf 8 Jahre mit einer Fülle an Kompetenz gewählt ist, wenn sich „nur“ 15 % der Wahlbürger für ihn aussprechen, wird dann schnell vergessen.

So, liebe Brandenburgerinnen und Brandenburger, zurück in den Sandkasten, nett dass ihr so schön lebendige Demokratie gespielt habt. Aber ihr seid ja nur eine regionale Spielstätte und bestimmt haben wieder die restlichen 95% der Wahlbürger genau die gleiche Haltung wie die SPD. Es ist schon eine unglaubliche Unverfrorenheit aus einem so starken Signal wie dem Volksbegehren nicht einen klaren Handlungsauftrag abzuleiten, alles Menschenmögliche für die Umsetzung eines strengen Nachtflugverbotes zu unternehmen! Statt dessen lehnen sie sich jetzt in aller Ruhe zurück und bauen auf das prohibitive Zustimmungsquorum beim Volksentscheid. Wir wollten es durch eine einfache Mehrheit ersetzen, dann nämlich wäre Demokratie lebendig geworden, wenn auch die Gegner des Nachtflugverbotes hätten mobilisieren müssen. So werden mehr als Hunderttausend Menschen und ihre Familien die Erfahrung machen, dass sie sich über Monate erfolglos bemüht haben. Hervorragend Koalition! Beim Kampf gegen Politikverdrossenheit grandios durchgefallen, Note 6, setzen!

Auch die von uns mit großer Spannung erwartete Evaluation der Kommunalverfassung war eine große Enttäuschung. Bis auf kleinste vorgeschlagene Anpassungen alles schick und eitel Sonnenschein. Beim Thema Bürgerbeteiligung und direkte Demokratie auf kommunaler Ebene beißt man bei dieser Koalition auf Granit: Verankerung von Kinder- und Jugendbeteiligung, abgesenkte Hürden für Bürgerbegehren und Bürgerentscheide, mehr Rechte für Gemeindevertreterinnen, Senkung der Einwohnergrenze für kommunale Gleichstellungsbeauftragte und Implementierung einer Behindertenbeauftragten sind für sie momentan keine Themen. Hier blockt besonders die SPD, die als „eingebildete“ Staatspartei mehr ihren Hauptverwaltungsbeamten etwas zutraut als den Bürgerinnen und Bürgern.

Wie steht es in diesem Zusammenhang eigentlich mit den Schlussfolgerungen, die aus der Direktwahl der Landräte 2010 gezogen werden sollten? Soll sie beibehalten werden, das Quorum verändert oder die Amtsperiode verkürzt und mit den Kommunalparlamenten synchronisiert werden, was wir ausdrücklich befürworten würden? Dass die Koalitionsfraktionen die Initiative der FDP-Fraktion zur Abschaffung von Altersgrenzen bei kommunalen Wahlbeamten diskussionslos abgebügelt haben, finden wir ärgerlich. Zumal sich Brandenburg in seinem seniorenpolitischen Maßnahmepaket auf die Fahnen geschrieben hat, alle altersdiskriminierenden Normen und Gesetze auf den Prüfstand zu stellen.

Beim Thema Aufgabenübertragung vom Land auf die Kommunen stehen wir vor einer weiteren Stärkung unserer Landräterepublik, wenn wir nicht aufpassen. Die Übertragung von Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung stärkt die Befugnisse des Hauptverwaltungsbeamten und führt nicht zu einem mehr an Demokratie. Hier müssen wir wachsam sein und auch die Kreistage mit in unsere Überlegungen einbeziehen, damit am Ende der Reform der Kommunal- und Landesverwaltung nicht ein weniger an Demokratie und demokratischer Kontrolle steht.

Ach ja, die Enquetekommission! Nirgends ist der zerrüttete Zustand dieser rot-roten Regierungskoalition besser zu beobachten als dort, nirgends treten die fehlenden politischen Gemeinsamkeiten unverhohlener hervor. SPD und LINKE bilden jeweils die Extreme in der politischen Diskussion und stehen weit voreinander entfernt. Die SPD singt das Loblied der großen Einheiten, die LINKE ist sich auch nach anderthalb Jahren nicht sicher, ob Reformbedarf besteht. Entsprechend steht sie lieber auf der Bremse und redet über interkommunale Zusammenarbeit. Wie diese beiden Partner eine abgestimmte Enqueteempfehlung und nach 2014 eine Reform der Kommunalstrukturen hinbekommen wollen, fragt sich die geneigte Beobachterin mit Kopfschütteln.

Das einzige, was einigermaßen konsensfähig zu sein scheint, ist das von uns ins Gespräch gebrachte Verbandsgemeindemodell. Mit Freude haben wir im kürzlich vorgelegten Entwurf zum Leitbild Brandenburg 2020 plus der LINKEN - einem Papier mit enormem Lyrikpotential – als einsamen konkreten Punkt ein Bekenntnis dazu gefunden.

Halt, da war doch noch was! Wir wollen nicht ungerecht sein. Richtig einig sind sich die Koalitionspartner darin, eine Länderfusion Berlin-Brandenburg in eine intergalaktische Zukunft zu verlagern. Die SPD hat dazu in Luckenwalde einen Beschluss gefasst und in der linken Lyrikanthologie heißt es so schön:

„Eines Tages kann ganz von selbst die Überzeugung reifen, dass es an der Zeit wäre, aus der Lebenspartnerschaft zwischen Brandenburg und Berlin eine eingetragene Partnerschaft zu machen.“ Da möchte man sagen: Träumt weiter, Genossen!

Das Statistische Landesamt rechnet uns derweilen vor, dass Brandenburg die 2,5 Millionen Einwohnermarke unterschritten, Berlin die 3,5 Millionenmarke überschritten hat. Für Berlin wird ein Bevölkerungswachstum bis 2030 von 7% prognostiziert – hauptsächlich durch Zuzug junger Menschen - , während die Brandenburger Bevölkerung im gleichen Zeitraum um 8% schrumpft. Neben dem zunehmenden Geburtendefizit verlieren wir weiterhin junge Leute – im Gegensatz zu früheren Jahren ziehen sie kaum noch nach Westdeutschland, sondern nach Berlin. Das Durchschnittsalter liegt jetzt schon in Brandenburg 4 Jahre höher als Berlin. Wer aus altbackenen Ressentiments gegen das übermächtige und gar so verschuldete Berlin die Zeichen der Zeit weiter verschläft, der braucht in der Zukunft nicht mehr auf Augenhöhe über Fusionen reden. Der kann sich dann eingemeinden lassen!