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Ursula Nonnemacher spricht zum Haushaltseinzelplan 03 für das Ministerium des Inneren

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- Es gilt das gesprochene Wort !

Der Haushalt des Innenministeriums enthält auf den ersten Blick wenig Überraschendes, wie das bei einem Ressort mit einem großen hauptsächlich aus Beamten bestehenden Personalkörper auch kaum zu erwarten ist. Das Haushaltsvolumen beträgt 642 Millionen Euro und weist damit abermals einen Aufwuchs von 20 Millionen auf. Der Anteil der Personalkosten sinkt von 71% in 2010 auf 67%, die Reduktion bei den Personalkosten beträgt 11 Mill. € . Dafür steigen die sächlichen Verwaltungskosten um 22,6 Mill. € an. Und da lohnt sich ein zweiter kritischer Blick. Die Verwaltungsausgaben betragen nunmehr 25% (2010 22%) des Einzelplanes. Ein Teil dieser Verwaltungsausgaben ist temporär und lässt sich mit Verpflichtungen des Landes aus Bundes- oder EU-Vorgaben begründen wie zum Beispiel der Durchführung des registergestützten Zensus 2011. Auch den Ausgabenzuwachs durch Aufbau des Digitalfunks wollen wir mal als vorübergehend und begründet ansehen, wobei der größte Posten erst im Jahr 2012 droht. Ob allerdings dieser Aufbau wie geplant bis zum Jahr 2013 abgeschlossen sein wird und eine deutliche Ansatzreduktion im Haushaltsplan zur Folge haben wird, wagen wir nach den bisherigen Schwierigkeiten zu bezweifeln. Eklatant sind die Steigerungen für die Mietzahlungen an die BLB, die zu über 50% durch Steigerung der Betriebskosten verursacht werden. Insgesamt wird das Innenressort im Haushaltsjahr 2011 17,4 Millionen Euro an Heiz- und Nebenkosten ausgeben, eine Steigerung um satte 19,7%. Die Verschwendung von Energie und anderen Rohstoffen verursacht Kosten, die zu Gunsten Dritter den Landeshaushalt belasten. Wie im Vorjahr, so mahnen wir ein zentrales Energiemanagement bei den Landesliegenschaften an!

Es bleibt die große Frage, wann der Einzelplan 03 einen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung leistet. Trotz kontinuierlichen Personalabbaus (ich erinnere erneut daran, dass bereits zwischen 2002 und 2009 bei der Polizei 1312 Stellen eingespart wurden) sind die Ausgaben dieses Einzelplans seit 2007 um sage und schreibe 32% aufgewachsen. In der mittelfristigen Finanzplanung wird ein stetiger Zuwachs für Verwaltungskosten in den nächsten Jahren prognostiziert, an denen das Ministerium für Inneres nicht unschuldig ist. Verwaltungskosten werden größtenteils durch den Einsatz von Personal generiert und sollten bei spürbarem Stellenrückgang auch sinken. Wir fordern eine Haushaltskonsolidierung auch durch Einsparungen von sächlichen Verwaltungskosten.

Der Blickwinkel auf die Innenpolitik des Landes Brandenburg wird weiterhin durch die Polizeistrukturreform dominiert. Dabei muss jetzt ausgebadet werden, was von Anbeginn an schlecht und unprofessionell begonnen wurde. Schon die im Zuge der Koalitionsverhandlungen im Herbst 2009 durch den Raum geisternde Zahl von 3000 einzusparenden Polizeistellen war bestens dazu geeignet, Ängste und Widerstand zu schüren. Der vom Innenminister eingesetzten Expertenkommission „Polizei Brandenburg 2020" wurde die Zielzahl 7000 mit auf den Weg gegeben und die dezidierte Anweisung, ein Stelleneinsparprogramm zu erarbeiten.. Die im Koalitionsvertrag vorgegebene Personalausstattung von 40.000 Bediensteten bis 2019 sollte schnellstmöglich „von oben nach unten" durchgesetzt werden. Der vom Finanzminister zum Innenminister beförderte Rainer Speer schien die idealen Voraussetzungen dafür zu bieten, haushälterische Vorgaben mit kaltschnäuziger Autorität durchsetzen zu können. Motto:" Die Axt im Haus erspart den Zimmermann." So geriet eine an sich notwendige und sinnvolle Polizeistrukturreform von Anfang an zum kommunikativen Desaster. Die Chance und Herausforderung, in einem großen, von der demographischen Entwicklung und weg brechenden Finanzressourcen stark betroffenen Flächenland über realistische Standards für die Innere Sicherheit zu diskutieren, wurde im Ansatz vertan. Eine von der märkischen Sozialdemokratie vorgegebene Neigung, Entscheidungen des engsten Führungszirkels ohne breitere Diskussionsprozesse zu exekutieren traf auf eine Linkspartei, die von der Perspektive einer lang ersehnten Machtbeteiligung berauscht, ihre eigenen politischen Positionen eiligst über Bord warf. Pech für diesen Politikansatz, dass sich zwanzig Jahre nach der Wende auch im Osten der Republik Demokratisierungsprozesse nicht mehr ignorieren lassen! Pech, dass sich in Gesamtdeutschland der Zeitgeist dahingehend entwickelt hat, das große Projekte nicht widerspruchslos hingenommen werden. Top down funktioniert so nicht mehr! Statt durch raubeiniges Autoritätsgehabe die betroffenen Polizeibeamte, die Vertreter der Kommunen und die Bevölkerung zu beunruhigen und auf die Barrikaden zu treiben, wäre gerade zu Anfang eine Haltung der Vermittlung, des Werbens, der Deeskalation, der an teilnehmenden Fürsorge und des Gesprächs auf Augenhöhe von Nöten gewesen. Viel Widerstand und viele Befürchtungen – ob nun berechtigt oder überzogen – hätte man sich ersparen können.

Eskaliert ist der Protest an der Frage der Polizeiwachen. Hier schlug eine abstrakte Reform in die konkrete Betroffenheit vor Ort um! Die unhaltbare und kompromisslos vertretene Zauberformel 15+x verbunden mit der unfrohen Botschaft über die Schließung von 70% der Wachen ist zum Sinnbild der völlig gescheiterten Vermittlung geworden. Hat diese Landesregierung, hat dieses Innenministerium keine Berater, die etwas von Psychologie verstehen? Musste die gute Nachricht, nämlich das Bekenntnis zum Standorterhalt, so viele Monate auf sich warten lassen?

Innenminister Dr. Woidke muss nun mühsam nacharbeiten, was initial dilettantisch versemmelt wurde. Sein Besuchsprogramm bei Polizeidienststellen, Bürgermeistern und Kreisverwaltungen nötigt Respekt ab. Er hört zu, er nimmt sich Zeit und seine Partner ernst, er führt Gespräche und er versucht, Vertrauen zurückzugewinnen. Auch dabei macht er eine gute Figur. Es darf aber nicht vergessen werden, dass nicht nur Reparaturarbeiten in puncto vertrauensbildender Maßnahmen und Kommunikation zu bewältigen sind. Nein, auch inhaltlich muss nach gearbeitet werden. Es rächt sich jetzt, vorschnell mit einem nicht zu Ende gedachten Konzept vorgeprescht und den Bürgern die Antwort auf die Ausgestaltung der Reform in ihrem konkreten Lebensumfeld schuldig geblieben zu sein. Das, was nicht richtig auf die Spur gebracht wurde auszubügeln, kostet Zeit und viele Ressourcen. Das Innenressort im Land Brandenburg wird noch lange Zeit mit der Polizeistrukturreform beschäftigt sein.

Dabei gibt es vieles, um das es sich ebenso dringlich kümmern müsste! Wir erleben doch gerade anhand der Diskussion zum Finanzausgleichsgesetz die Finanznöte der Kommunen, Landkreise und insbesondere der Kreisfreien Städte.

Mal abgesehen von der politischen Großwetterlage wie Konjunktur, wirtschaftlicher Entwicklung in Deutschland , Ausrichtung der Kommunalfinanzierung auf Bundesebene und dem Ärgernis, dass den Kommunen immer mehr nicht aus finanzierte Sozialleistungen aufgebürdet werden, gibt es hier reichlich Handlungsbedarf auf Landesebene. Brandenburg leistet sich bei sinkenden Bevölkerungszahlen administrative Strukturen, die nicht mehr als zukunftsfest bezeichnet werden können. Schon jetzt gibt es 40 Kommunen, die die in der Gemeindegebietsreform 2003 angestrebte Mindestgröße von 5000 Einwohner unterschritten haben. Mehr als die Hälfte der 197 Brandenburger Kommunen liegt an oder unterhalb der Wirtschaftlichkeitsgrenze von 10.000 Einwohnern – Tendenz steigend. Die Aufteilung in 14 Kreise bei derzeit 2,5 Millionen Einwohnern wirft dringende Fragen auf, demographiefest ist sie keinesfalls. Das Land Sachsen hat bereits 2008 eine umfassende Verwaltungs- und Funktionalreform durchgeführt und bei immerhin 4,2 Millionen Einwohnern die Anzahl seiner Kreise von 22 auf 10 reduziert und die Zahl seiner kreisfreien Städte von 7 auf 3 zurückgeführt. Görlitz, Plauen, Zwickau und Hoyerswerda wurden zum 1.1.2009 „eingekreist". Die verbliebenen Kreisfreien Städte Chemnitz, Dresden und Leipzig weisen Einwohnerzahlen zwischen 230.000 und 500.000 auf. Die Kreisfreie Stadt Frankfurt in Brandenburg hat gerade die 60.000 Einwohner Grenze unterschritten. Philosophische Betrachtungen über die Segnungen der Kreisfreiheit dürften da bald an ihre Grenzen stoßen.

Auch Mecklenburg-Vorpommern hat sich nach Anlaufschwierigkeiten dieses Jahr zu einer umfassenden Kreisgebietsreform entschlossen. Die Zahl der Landkreise sinkt von 12 auf 6, wobei fast alle eine größere Fläche als unser größter Landkreis Uckermark aufweisen werden. Die Zahl der Kreisfreien Städte sinkt von 6 auf 2, nämlich Rostock und die Landeshauptstadt Schwerin. Auch wenn diese Einschnitte schmerzlich und die Größe der Landkreise erheblich ist, so bleibt doch die richtige Erkenntnis, dass bei sinkenden Einwohnerzahlen und sinkenden Einnahmen nicht knappes Geld zur Aufrechterhaltung ineffizienter Verwaltungen ausgegeben werden kann.

Auch wir in Brandenburg müssen uns forciert mit diesen Problemen auseinandersetzen. Wir brauchen ebenso wie eine Polizeistrukturreform auch eine Verwaltungsstrukturreform 2020. Die Evaluierung der Gemeindegebietsreform von 2003 muss erheblich forciert werden. Mit einer halbherzigen und konzeptlosen Förderung von freiwilligen Zusammenschlüssen wird es nicht getan sein. Dass die Koalition einer flächendeckenden Kreisgebietsreform eine Absage erteilt hat, wird sich als schwerer Fehler erweisen. Auch diese Reform wird viel Begleitung und Vermittlung erfordern, je früher damit angefangen wird, desto besser.

Zu den schwachen Kreisen, von denen nur noch einer einen ausgeglichenen Haushalt aufweist, während mehrere mit nicht genehmigungsfähigen Haushaltssicherungskonzepten kämpfen, kommen die massiven Probleme der kreisfreien Städte. Deren strukturelle Defizite sind aus eigener Kraft überhaupt nicht mehr lösbar, da schon zur Erfüllung pflichtiger Aufgaben auf Kredite zurückgegriffen werden muss. Freiwillige Aufgaben, auf die verzichtet werden könnte, sind kaum noch vorhanden und wenn bedeutet der Verzicht eine weitere Schwächung der Attraktivität des Standortes. In Anbetracht der Finanzlage wird kommunale Selbstverwaltung zur Chimäre. Zur Stärkung der kommunalen Finanzkraft fordern wir nach wie vor, den ungerechtfertigten Vorabzug von 50 Millionen Euro im FAG zu streichen.

Auch andere Projekte im innenpolitischen Bereich kommen nur schleppend voran. Die im Koalitionsvertrag versprochene Einführung einer Kennzeichnungspflicht für uniformierte Polizeibeamtinnen und -beamte im Einsatz wurde zwar durch einen CDU-Antrag forciert. Die erste Lesung des „Siebenten Gesetz zur Änderung des Brandenburgischen Polizeigesetzes" fand bereits am 1.7.2010 statt. Die notwendige Befassung im Innenausschuss und die lange geplante Anhörung zum Thema wurden aber von den Koalitionsfraktionen arg auf die lange Bank geschoben. Erst die Polizeistrukturreform durch den Landtag schiffen, bevor wir uns weiteren Ärger aufladen, lautete die Devise.

Gleiches gilt für die Herabsetzung des Wahlalters auf 16 für Kommunalwahlen. Die Kollegen der FDP-Fraktion haben das Gesetz zur Änderung der Verfassung des Landes Brandenburg und des Brandenburgischen Kommunalwahlgesetzes bereits im August in den Landtag eingebracht. Auch hier zeichnet sich jetzt schleppend nach mehrmaliger Nachfrage die Weiterbehandlung ab. Die Anhörung ist für den 31. März 2011 vorgesehen.

Zur Stärkung der demokratischen Mitwirkungs- und Gestaltungsrechte der Bürgerinnen und Bürger - auch ein Anliegen des Koalitionsvertrages – hat inzwischen meine Fraktion die Initiative ergriffen und Gesetzentwürfe zur Verfassungsänderung und zur Änderung des Volksabstimmungsgesetzes intern allen Fraktionen zur Stellungnahme vorgelegt. Wir sind sehr an einem konstruktiven und einvernehmlichen Diskussionsprozess interessiert, um zur Stärkung der direkten Demokratie einen breiten Konsens aller demokratischen Parteien erzielen zu können.

Besondere Aktivitäten zur Verwaltungsmodernisierung oder zur durchdachten Funktionalreform sind mir nicht aufgefallen. Das gerade im parlamentarischen Verfahren befindliche Ordnungsbehördengesetz ist ja mehr ein abschreckendes Beispiel für punktuelles Krisenmanagement als für sinnvolle Funktionsbetrachtungen. Fortschritte bei der Klarstellung und Förderung der wirtschaftlichen Aktivitäten von Kommunen sind nicht zu verzeichnen. Auch eine Modernisierung des Beamtenrechtes lässt auf sich warten.

Das bis Ende 2010 in Aussicht gestellt Katastrophenschutzkonzept dürfte wohl bis Anfang nächsten Jahres mit Ach und Krach vorliegen. Die Erwartung der Kommunen, dass sich das Land für die vom Bund übernommenen Verpflichtungen angemessen finanziell engagiert, dürften wohl enttäuscht werden.

Bei so viel Abarbeitungsstau wird einem Angst und Bange, wenn man daran denkt, dass sich die Koalition bis Ende des nächsten Jahres ein Megathema auf die Agenda gesetzt hat: die Evaluierung der Kommunalverfassung von Dezember 2007. Allein die umstrittenen Regelungen bezüglich der Fraktionsgrößen, die Direktwahl der Landräte, die Formen direkter Demokratie auf kommunaler Ebene und die Bestimmungen zur wirtschaftlichen Betätigung der Kommunen dürften für reichlich Zündstoff sorgen.

Gefreut habe ich mich über die Zusammenführung der Aufsicht über den Datenschutz im öffentlichen und nicht-öffentlichen Bereich, auch wenn eine Ausgestaltung als oberste Landesbehörde nicht erwirkt werden konnte. Eine personelle Verstärkung des Datenschutzes entsprechend dem stark erweiterten Aufgabenprofil mahnen wir an. Erfreulich war ferner, dass erste Ansätze zur Lockerung der Residenzpflicht für Asylbewerber und geduldete Ausländer in Angriff genommen wurden. Ärgerlich bleibt die sehr unterschiedliche Handhabung der Vorschriften durch die einzelnen Ausländerbehörden der Kreise.

Insgesamt mangelt es dieser Regierung auch im innenpolitischen Bereich an Schwung und Gestaltungskraft – von Gemeinsinn lässt sich kaum reden, da es trotz ständig beteuerter Harmonie erheblich hinter den Kulissen quietscht. Die Protagonisten sind mit sich selbst und ihren Affären beschäftigt. Besonders die Sozialdemokraten sind völlig aus dem Tritt und ringen mühsam um Fassung.
Dass die Linke - rotes Bollwerk gegen Personalabbau – im Innenausschuss die ungeliebte Polizeistrukturreform über die Runden retten muss und sich in Nibelungentreue übt, während die Krise in der SPD die Lust auf den innerparteilichen Diskurs fördert, ist fast ein Treppenwitz.

Von Erneuerung ist auch nichts zu spüren - trotz manch hoffnungsvoller Ideen im Koalitionsvertrag - versanden die rot-roten Projekte in den Mühen der Ebene.

Und außerdem ist man ja mit der Polizeireform beschäftigt .....