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Ursula Nonnemacher spricht zum Antrag unserer Fraktion "Modernisierung der Landesverwaltung"

- Es gilt das gesprochene Wort !

Die Basisdaten zur Haushaltslage des Landes Brandenburg sind klar und hier immer wieder besprochen worden: Auslaufen der sogenannten Solidarpaktmittel bis 2019, abnehmende Europäische Fördermittel durch Herabstufung Brandenburgs vom Höchstfördergebiet in eine Übergangsregion und die Unsicherheiten des Länderfinanzausgleichs lassen erwarten, dass sich die Einnahmen Brandenburgs bis 2020 auf etwa 8 Milliarden verringern.

Trotz der zur Zeit anspringenden Konjunktur, der erfreulichen Meldungen der Steuerschätzer und der am heutigen Tag verabschiedeten Erhöhung der Grunderwerbssteuer auf 5% wird es nicht möglich sein Mehreinnahmen in der Größenordnung zu generieren, dass die weg brechenden Bundes- und EU Mittel auch nur annähernd kompensiert werden können.

Hinzu kommt unser erheblicher Schuldenstand, der trotz der geschätzten Steuermehreinnahmen noch anwachsen dürfte. Dabei werden wir momentan durch historisch niedrige Zinssätze noch begünstigt. Die 700 Millionen Euro, die Brandenburg jährlich an Zinsen für seine Schulden zahlt, können bei steigenden Zinssätzen dramatisch zunehmen.

Es bleibt die bekannte Tatsache, dass Haushaltskonsolidierung vorwiegend über die Ausgabenseite bewerkstelligt werden muss und dass zur Senkung der Ausgaben auch mittel- und längerfristige Strukturanpassungen schnellst möglich vorgenommen werden müssen.

Dies alles wird nächsten Monat zur Haushaltsdebatte rekapituliert werden und vermutlich wird es wieder das Lamento des Finanzministers geben, die Opposition habe keinerlei Vorschläge zur Haushaltskonsolidierung beizutragen. Diese Jacke haben wir uns noch nie angezogen, aber diesmal legen wir schon vor der eigentlichen Haushaltsdebatte ein sehr detailreiches Papier vor, wie durch Modernisierung der Landesverwaltung diese strukturellen Anpassungen zur Reduzierung der Ausgabe – insbesondere der Personalausgaben und Personalfolgekosten – geleistet werden kann.

Im Mittelpunkt des Antrages stehen Fragen des Beamtenrechts. Uns bereitet Sorge, dass die Versorgungsaufwendungen für Beamte und Beamtinnen im Ruhestand exponentiell ansteigen. Nach 2020 ist mit Pensionslasten von 750 Millionen bis zu einer Milliarde Euro jährlich zu rechnen. Der Barwert der ab dem1.1.2020 fälligen Pensions- und Beihilfezahlungen liegt je nach Besoldungsdynamik und Zinserwartung im Zweistelligen Milliardenbereich (bis zu 30 Milliarden) (S.111 HH-Gesetz)! Die Personalkosten werden wegen der Pensionslasten trotz Personalabbau in den kommenden Jahren weiter steigen.

Wir wollen prinzipiell den Beamtenstatus auf sehr enge Kerngebiete hoheitlicher Aufgabenwahrnehmung beschränken. Dazu gehört mit Justiz, Polizei und Steuerverwaltung die klassische Eingriffsverwaltung. Heutzutage mutet es skurril an, dass noch in den siebziger Jahren Müllmänner und Sozialarbeiterinnen als hoheitlich Tätige angesehen wurden, dass es noch länger Bahnbeamte und Postbeamte gab. Für uns Grüne gehören heutzutage Lehrkräfte an Schulen und Hochschulen und Forstbedienstete ausdrücklich nicht zu hoheitlichen Aufgabenträgern.

Gerade bei der Frage der Lehrerverbeamtung gibt es immer wieder erbitterte Diskussionen. Meistens werden sehr kurzfristige Argumente angeführt, dass der Arbeitsmarkt an Nachwuchslehrern leer gefegt sei und Brandenburg ohne Verbeamtungsangebot im bundesweiten Wettbewerb noch schlechter da stände. Der Wettbewerb um gute Kräfte, seien es nun Wissenschaftlerinnen und Lehrer oder Fachkräfte allgemein, wird eine der größten Herausforderungen der kommenden Dekade sein. Es käme auch niemand auf die Idee, den Anteil an niedergelassenen Fachärztinnen in der Uckermark über ein Verbeamtungsangebot zu heben oder Altenpfleger zu Staatsbediensteten zu machen. Das klassische Berufsbeamtentum gehört auf den Prüfstand und taugt nicht zur Lösung von Rekrutierungsproblemen. Ich sage das ganz bewusst auch vor dem Hintergrund der Rede von Renate Künast letzte Woche in Berlin.

Das Pensionsmodell für Beamte verlagert Belastungen in die Zukunft und dies wollen wir begrenzen.

Ziel für uns ist sowieso ein möglichst einheitliches Dienstrecht im öffentlichen Dienst. Darauf zielen die Forderungen ab, den Eintritt in den Ruhestand den Altersgrenzen in der gesetzlichen Rentenversicherung anzugleichen – auf Sonderregelungen für besonders belastete Funktionsträgerinnen wird eingegangen. Darauf zielt auch die Forderung ab, die Pensionsansprüche am Lebensdurchschnittseinkommen zu orientieren und die Einbeziehung der Beamtinnen in die gesetzliche Krankenversicherung. Letzteres ist nur über den Umweg von Bundesratsinitiativen realisierbar. Prinzipiell bleibt unser Ziel eine einheitliche Bürgerversicherung unter Einschluss der Beamten. Damit sollen die unseligen Beihilferegelungen auslaufen und - dies sage ich in Richtung auf die Kollegen der FDP – die Zwangsrekrutierung der Beamtinnen und Beamten für die private Krankenversicherung unterbunden werden.

Unser Antrag auf Modernisierung der Landesverwaltung beinhaltet auch deutliche Verbesserungen für die Beschäftigten: Aufstiegschancen, verbesserte Durchlässigkeit zwischen den Laufbahngruppen, aufgabengerechte Bezahlung, vermehrte Ausgestaltung des Polizeidienstes als Laufbahn des gehobenen und höheren Dienstes sowie vernünftige Einstellungskorridore.

Im zweiten Teil des Antrages wird auf die aus unserer Sicht unerlässliche Überprüfung der Aufgabenverteilung zwischen Land und Kommunen (Stichwort Funktionalreform) und auf die Überprüfung der Notwendigkeit, Qualität und Aufgabentiefe von öffentlichen Leistungen (Stichwort Aufgabenkritik) abgestellt. Dabei ist zu prüfen, welche Aufgaben privatisiert werden könnten, welche in öffentlicher Trägerschaft bleiben und welche ggf wieder rekommunalisiert werden sollten. Prinzipiell stehen wir wirtschaftlichen Aktivitäten der Kommunen positiv gegenüber. Das Modell Stadtwerke im Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge erfährt nicht umsonst eine Renaissance.

Aus den geschilderten aufgabenkritischen Analysen können dann exakter Personalbedarfe und Vergütungsfragen in den Verwaltungen ermittelt werden.

Man muss das Pferd nicht immer – wie bei der Polizeireform – von hinten aufzäumen!

Meine Damen und Herren, wir Grünen pflegen den Slogan „Jetzt für morgen". Heute müssen die Probleme der Zukunft konsequent und nachhaltig angegangen werden, denn gerade Strukturveränderungen haben lange Vorlaufzeiten. Wir haben Ihnen hier einen Fächer von Maßnahmen angeboten, die die Verwaltung modernisieren und für eine Haushaltskonsolidierung unerlässlich sind.

Wir müssten das nicht tun. Wir sind die kleinste Oppositionspartei und könnten uns gemütlich in der Ecke der Fundamentalkritik einrichten. Wir tun auch unseren eigenen Anhängern mit diesen Maßnahmen weh. Streichung von Sonderzahlungen und Verweigerung des Beamtenstatus sind keine Forderungen, mit denen man sich beliebt macht. Wir hängen aber immer noch dem Glauben an, dass Politik wahrhaftig sein muss, dass sie sich den realen Problemen stellen und nicht nur auf den kurzfristigen Beifall schielen kann. Und auch wenn wir Grünen die Wähler mit den höchsten Bildungsabschlüssen und hohem Durchschnittseinkommen haben: wir sind keine Klientelpartei!

Jetzt für morgen! Machen Sie was daraus!

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>>> Antrag "Modernisierung der Landesverwaltung" als pdf