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Ursula Nonnemacher spricht zum Antrag "Leiharbeit begrenzen und sozial fair gestalten"

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Es gilt das gesprochene Wort !

Anrede!

Mit dem hier vorliegenden Antrag rennen die Koalitionsfraktionen bei uns Grünen sozusagen offene Scheunentore ein. Die hier erhobenen Forderungen nebst Begründung unterstützen wir voll inhaltlich. Unsere Vorstellungen gehen in einigen Punkten sogar noch weiter, wie unsere Bundestagsfraktion bereits vor einem Jahr in ihrem Antrag „Zeitarbeitsbranche regulieren – Missbrauch bekämpfen" formuliert hat.

Wir Grünen fühlen uns historisch für die schlechten Arbeitsbedingungen in der Leiharbeit durchaus mitverantwortlich. Durch die Reform des Arbeitsnehmerüberlassungsgesetzes 2002 unter rot-grün wurde der Boom der Leiharbeit erst möglich. Damals bei über 5 Millionen Arbeitslosen als Brücke in den ersten Arbeitsmarkt gedacht, haben sich schnell Fehlentwicklungen gezeigt, die dringend korrigiert werden müssen. Missbrauch von Leiharbeit hat zu Lohndumping und zur Substitution von Stammbelegschaften geführt, es besteht dringlicher Regelungsbedarf, um die Erosion regulärer sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse durch Zeitarbeit zu stoppen. Die Intention, Menschen dauerhaft in den ersten Arbeitsmarkt zu bringen, hat sich als Illusion erwiesen: der sogenannte Klebeeffekt, nämlich die Übernahme von Zeitarbeiterinnen durch den Entleihbetrieb liegt nur bei 7%. Studien zeigen, dass wer vor dem Einsatz in der Leiharbeit arbeitslos war, es mit hoher Wahrscheinlichkeit auch nach Beendigung der Beschäftigung in der Zeitarbeitsbranche wieder ist. Leiharbeit ist in hohem Maße prekäre Beschäftigung, bedeutet Niedriglohn, über 10% ergänzendes ALG II und – Leiharbeit ist natürlich wieder überwiegend weiblich!

Die Leiharbeit hat sich in der Dekade von 1998 bis 2008 nahezu verdreifacht auf eine dreiviertel Million Beschäftigte. Mit der Wirtschaftskrise kam 2009 ein Einbruch, 2010 hat mit dem Aufschwung die Beschäftigung in der Leiharbeit fast die Millionengrenze erreicht. Die Leiharbeitsquoten in den Betrieben der Metall- und Elektroindustrie bewegen sich auf sehr hohem Niveau. Unser Gesundheitswesen ist zu einem Eldorado für die Leiharbeit geworden. Mein Damen und Herren, ich weiß, wovon ich rede. In meiner Klinik habe ich auf einer Intensivstation in mancher Schicht fast nur noch mit sog. Leasingkräften gearbeitet. Neben den arbeitsmarktpolitischen Problemen haben sich dabei auch oft Qualitätsprobleme ergeben: in einem Notfallteam muss jeder Handgriff sitzen und eine Leasingkraft, die trotz vorhandener beruflicher Qualifikation die Infrastruktur und die Verfahrensabläufe des Hauses nicht kennt, kann kein adäquater Ersatz für die reguläre Belegschaft sein.

Wir wollen Zeitarbeit nicht generell unmöglich machen. Sie kann bei verantwortlicher Handhabung Flexibilisierungsvorteile gerade für kleine Unternehmen bieten. Ziel muss aber der Ausbau regulärer sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse und der Schutz von Zeitarbeitnehmerinnen wie Stammbelegschaft gleichermaßen sein. Dazu wollen wir:

Durchsetzung des Prinzips „gleicher Lohn für gleiche Arbeit" durch Streichung des Tarifvorbehaltes. Glücklicherweise hat das Bundesarbeitsgericht der Tarifgemeinschaft christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen die Tariffähigkeit aberkannt.

Einen Zuschlag in Höhe von 10% des Bruttolohnes für Zeitarbeiterinnen zum Ausgleich der unsicheren Beschäftigung und zur Verringerung des Anreizes, reguläre Arbeit zu vernichten. Dies ist z.B. in Frankreich schon lange üblich.

Synchronisationsverbot mit Mindestlohn in der verleihfreien Zeit sowie ein Recht auf Qualifizierung

Eine Quote von max. 10% Leiharbeit in Großbetrieben über 200 Beschäftigten.

Verbot der konzerninternen Arbeitnehmerüberlassung.

Anrede, sozial ist nicht, was Arbeit schafft, sondern sozial ist, was gute Arbeit schafft. Wir brauchen in Brandenburg gute Arbeit zur Bewältigung unserer Zukunftsaufgaben.