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Ursula Nonnemacher spricht zum Antrag "Chancen bieten, Potentiale nutzen - Anerkennungsgesetz der Bundesregierung für im Ausland erworbene Berufsqualifikationen unterstützen!"

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- Es gilt das gesprochene Wort ! -

In Dänemark besteht für Migrantinnen mit ausländischen Qualifikationen seit fast zehn Jahren ein Rechtsanspruch auf ein Gutachten, in dem ihre Berufsabschlüsse bewertet werden. Der Rechtsanspruch steht in Verbindung mit einem individuellen Kompetenzfeststellungsverfahren und einem individuellen Integrationsplan. In Deutschland hat die Bundesregierung einen Anspruch auf ein Anerkennungsverfahren ausländischer Berufsabschlüsse schon zu Beginn der Legislatur in Aussicht gestellt, entsprechende Eckpunkte lagen seit Dezember 2009 vor. Am 23.März 2011 hat jetzt das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf für das lange überfällige Anerkennungsgesetz gebilligt.

Es wird vermutet, dass fast 300.000 in Deutschland lebende Migranten Interesse an der Anerkennung ihrer extern erworbenen Qualifikationen haben, der Großteil sind Menschen mit Lehrberufen. Es geht nicht darum, deutsche Ausbildungsstandarts auszuhöhlen oder zu unterlaufen, sondern gleichwertige Qualifikationen als solche anzuerkennen. Bei nicht parallel verlaufenden Ausbildungsgängen kann auch Berufserfahrung berücksichtigt werden.

Das Anerkennungsgesetz ist ein Artikelgesetz, welches aus dem Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz und rund 60 Berufsgesetzen und Verordnungen des Bundes besteht. Für rund 350 nicht reglementierte Ausbildungsberufe wird erst einmal ein Anspruch auf Anerkennung der Gleichwertigkeit innerhalb von 3 Monaten geschaffen.

Grundsätzlich begrüßen wir GRÜNEN den Bundes-Gesetzentwurf, weil er zur Integration der hier lebenden Menschen beiträgt und den Fachkräftemangel in vielen Berufen verringern hilft!

Besonders positiv ist am Gesetzentwurf hervorzuheben, das künftig alle Personen mit ausländischen Berufsabschlüssen unabhängig von ihrer Staatsbürgerschaft und ihrem Wohnsitz Zugang zu Anerkennungsverfahren erhalten werden. Die Entkopplung des Berufsrechts von der Staatsbürgerschaft ist ein wirklicher Fortschritt!

Jedoch gibt es im Bundes-Gesetzentwurf Regelungen, die erheblichen Nachbesserungsbedarf haben.

Im Bundesgesetz wird die Beratungsfrage nicht geklärt. Zwar soll unmittelbar nach Inkrafttreten des Gesetzes eine Hotline geschaltet werden, die wohl für einen Erstkontakt nutzbar sein wird. Sie erfüllt aber sicherlich nicht, wie noch im vormaligen Eckpunktepapier geplant, die Aufgaben einer Anlaufstelle, wo MigrantInnen Informationen zum Anerkennungsverfahren in einer optimierten Beratung erhalten können. Darauf gibt es keinen Rechtsanspruch!

Für eine sinnvolle Integration in den Arbeitsmarkt müsste bei Teilanerkennung von Abschlüssen auch klar sein, welche Anpassungsqualifizierungen zu erfolgen haben. Auf solche Angebote zur passgenauen Anpassungsqualifizierung und zu berufsbezogenen Sprachkursen sind Bund und Länder bisher nicht vorbereitet.

Weiterhin lässt der Gesetzentwurf offen, wer bei den landesrechtlich geregelten Berufsausbildungen zukünftig für Einheitlichkeit, Fairness und Rechtssicherheit der Anerkennungsverfahren und der Bewertungskriterien sorgen wird. Der Gesetzentwurf schließt nicht explizit aus, dass die Länder von den geregelten Verwaltungsverfahren abweichen dürfen. Damit wären unterschiedlichen Verfahrensstandards je nach Bundesland möglich und die bundesweite Gültigkeit der Anerkennungsergebnisse würde unwahrscheinlich. Weiterhin offen bleiben Fragen des Verfahrenszugangs für Asyl- und Schutzsuchende, der Gebühren sowie der einheitlichen Anwendung in den verschiedenen Bundesländern. Hier muss die Bundesregierung im Gesetzgebungsverfahren für Klarheit sorgen!

Wir können den Jubel der FDP-Fraktion über das Anerkennungsgesetz nicht so richtig teilen, es ist in unseren Augen nicht der große Wurf. Wichtig ist aber, dass es in puncto Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen jetzt zügig und kontruktiv weitergeht. Die Intention, den Gesetzentwurf im Bundesrat kritisch zu begleiten und sich auf die notwendigen landesrechtlichen Bedingungen schnellstmöglich vorzubereiten, teilen wir. Wir werden uns zu dem vorliegenden Antrag enthalten.