Zum Inhalt springen

Ursula Nonnemacher spricht zu "Tolerantes Brandenburg"

>>> Redemanuskript als PDF

- Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede!

Am 23. Juni jährt sich zum 15. Mal der Beschluss der Landesregierung, dass Handlungskonzept des „Toleranten Brandenburg“ zum ressortübergreifenden Leitbild der Regierungstätigkeit zu erheben, um Fremdenfeindlichkeit und Rassismus in die Schranken zu weisen. Der 4. Bericht der Landesregierung zum Landtagsbeschluss „Rechtsextremismus konsequent bekämpfen“ stellt zurecht dieses Jubiläum in den Vordergrund und lässt die Akteure des Beratungsnetzwerkes, die Landesintegrationsbeauftragte und die einzelnen Ministerien sowie wissenschaftlichen Sachverstand zu Wort kommen.

Eindrücklich wird uns noch einmal die deprimierende Ausgangslage in den neunziger Jahren vor Augen geführt: Brandenburg, das „kompromittierte“ Land machte mit rassistischen Morden an Andrzej Fratczak und Amadeu Antonio bis hin zur tödlichen Hetzjagd auf Farid Guendoul in Guben, mit Mordversuchen, Brandanschlägen auf Asylbewerbereinrichtungen und Übergriffen auf Berliner Schulklassen mit hohem Anteil an Migrantenkindern Negativschlagzeilen. Das besorgniserregende Ausmaß an rechtsextremistischen Gewalttaten und der verbreitete Ausländerhass müssen als zeitgeschichtlicher Kontext auch bei einem Sündenfall des brandenburgischen Verfassungsschutzes – der V-Mann Affäre „Piatto“ – herangezogen werden. Dies soll problematische Entscheidungen nicht entschuldigen, aber verständlicher machen.

Dass Brandenburg mit seinen Problemen nicht allein stand, daran erinnert uns dieser Tage der 20. Jahrestag des entsetzlichen Brandanschlages von Solingen, bei dem 5 Frauen und Mädchen umgebracht wurden. Auch dies und der Verweis auf die Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen, Mölln und Hoyerswerda soll unsere Verantwortung in Brandenburg nicht kleinreden, sondern einordnen.

Verantwortung übernommen und Initiative gezeigt haben in den neunziger Jahren viele, zu Recht immer wieder hervorgehoben werden Almuth Berger und Manfred Stolpe. Die Gründung eines mobilen Beratungsteams 1992 und des Aktionsbündnisses gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit im Mai 1997 sind mit ihren Namen verbunden.

Dirk Wilking vom Brandenburgischen Institut für Gemeinwesenberatung beschreibt im Bericht sehr anschaulich, dass das Handlungskonzept „Tolerantes Brandenburg“ anfangs von vielen für eine reine PR-Maßnahme gehalten wurde. Heute wird eigentlich von niemandem mehr angezweifelt, dass das Konzept ein großer Erfolg ist und sich insgesamt sehr bewährt hat. Brandenburg hat in den letzten 15 Jahren einen guten Weg weg vom Leugnen, Bagatellisieren und Relativieren von rechtsextremer Gewalt hin zu klarer unmissverständlicher Positionierung gegen diese menschenverachtenden Einstellungen und zur Ermutigung der demokratischen Zivilgesellschaft genommen. Es ist auf diesem Weg ein besseres Land geworden. Heute wird der Gesetzesinitiative zur Änderung unserer Verfassung ein ähnlicher Vorwurf gemacht. Es handele sich bei der Antirassismusklausel um PR und Symbolpolitik. Ich halte dies für falsch.

Ich glaube fest daran, dass eine positive Staatszielbestimmung gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit mit der Zeit eine normative Wirkung entfalten wird und Brandenburgs Weg zur Förderung von Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit wirkungsvoll unterstützen wird. Genauso wie das „Tolerante Brandenburg“ nicht mehr belächelt, sondern zu einem effektiven und wachsenden Beratungs- und Handlungsnetz gediehen ist, welches geschätzt wird und auch in der Fläche des Landes auf immer mehr aufgeschlossene Akteure trifft. Die vielen Aktivitäten der zahlreichen Kooperationspartner legen davon Zeugnis ab. Ihnen sei für ihr Wirken herzlich gedankt!

Bei allem wissen wir: salbungsvolle Reden sind zu Jubiläen in Ordnung, ein tolerantes Brandenburg braucht aber die stetige Aktivität der pluralistischen demokratischen Gesellschaft. Wieder steigende Zahlen von rechtextremen Gewalttaten, die Integration von Einwanderern und Asylbewerbern, Wahlkämpfe, bei denen sich Rechtspopulisten in Szene setzen werden und die Begleitung des Wahlalters 16 sind ganz aktuelle Herausforderungen für uns alle. Ebenso Politikverdruss, sinkende Wahlbeteiligung, Neonazis in Sportvereinen und der Fankurve. In diesem Sinne freue ich mich auf die nächsten `Tage der Demokratie` im August in Potsdam.

Denn: die beste Prophylaxe gegen Extremismus und Intoleranz ist eine Stärkung der Demokratie.