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Ursula Nonnemacher spricht zu den Anträgen „Wirksame Umsetzung des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes – 17 Maßnahmen zur unverzüglichen Rückführung ausreisepflichtiger Ausländer und „Spielräume nutzen, Bundesgesetze menschenrechtsorientiert umsetzen!“

>> Zum Antrag „Spielräume nutzen, Bundesgesetze menschenrechtsorientiert umsetzen!“ (pdf-Datei)

– Es gilt das gesprochene Wort!

Am 3. Oktober 2015 feierte Deutschland 25 Jahre deutsche Einheit. Doch die größere Aufgabe kommt erst noch, sagte Bundespräsident Joachim Gauck in seiner Rede beim zentralen Festakt in der Alten Oper in Frankfurt am Main: Die Integration der Flüchtlinge. Ja, die Herausforderung ist groß. Umso wichtiger ist, dass wir diese Aufgabe gemeinsam meistern und nicht gegeneinander kämpfen.

Zahlreiche Gipfeltreffen finden derzeit statt, auf europäischer Ebene, auf Bundes- und auf Landesebene, in der Hoffnung, die Asylverfahren beschleunigen zu können und den Menschen in Not so schnell wie möglich zu helfen. Uns Grünen geht es dabei nicht darum, uns abzuschotten und die Menschen zu vergraulen. Wir wollen die Asylverfahren optimieren und dafür sorgen, dass sich Geflüchtete in Deutschland geborgen fühlen, integrieren können.

Joachim Gauck sagte am Donnerstag vergangener Woche noch etwas, als er Flüchtlinge und ehrenamtliche HelferInnen in Bergisch-Gladbach traf. Er sagte: „Es werden Horrorszenarien für die Zukunft entwickelt“. Diese seien gefährlich, weil sie eine „Angstkultur“ förderten und Ohnmachtsgefühle. Auch ich will keine Stimmungsmache zu Lasten von Menschen aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten oder Geduldeten, keine Aufteilung von Flüchtlingen in Gute und Böse. Wir Grünen zeigen uns kompromissbereit und erkennen die großen Anstrengungen auf allen Ebenen an. Aber eine Politik, die Menschen schikaniert und auf Ausgrenzung, Abschreckung und Abschiebung setzt, halten wir für brandgefährlich.

Den Antrag der CDU Fraktion „wirksame Umsetzung des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes – Siebzehn Maßnahmen zur unverzüglichen Rückführung ausreisepflichtiger Ausländer“ lehnen wir ab.

Sie setzen sich in Ihrem Antrag für eine konsequente und unverzügliche Abschiebung von Ausreisepflichtigen ein. Hierbei beziehen Sie sich vor allem auf Menschen aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten. Ich sage es noch einmal: Wir als Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wollen auch mit den neuen Bundesgesetzen keine Abschreckungs- und Abschiebepolitik im Land Brandenburg! Wir unterstützen die Landesregierung darin, dass sie auf die freiwillige Ausreise von Menschen setzt und damit auch ihrer rechtlichen Verpflichtung nachkommt. Denn gemäß § 58 Absatz 1 Aufenthaltsgesetz ist eine Abschiebung erst möglich, wenn die freiwillige Erfüllung der Ausreise nicht gesichert ist. Auf diesen Vorrang der freiwilligen Ausreise vor der zwangsweisen Rückführung weist dankenswerterweise ja auch das Ministerium hin!

Die Debatte darf sich aus unserer Sicht nicht um Abschiebung, Transitzentren, Ausreisezentren, Einwanderungszentren oder Ausreiseeinrichtungen wie Sie es in Ihrem Antrag nennen, drehen, die vor allem Menschen aus sogenannten sicheren Herkunftsländern treffen. Laut dpa teilte das brandenburgische Innenministerium am 6. November 2015 mit, dass in den Erstaufnahmestellen im Land Brandenburg derzeit ohnehin nur 46 Menschen aus den entsprechenden Balkanländern seien. Hinzu kommt, dass die konsequente Abschiebung ausreisepflichtiger Menschen faktisch und rechtlich größtenteils schlicht nicht möglich ist, zum Beispiel aufgrund der Bindung an eigene minderjährige Kinder, aufgrund von Reiseunfähigkeit, wegen unterbrochener Verkehrswege oder fehlender Papiere.

Ich freue mich, dass Herr Woidke anlässlich eines Spitzentreffens gegenüber der Bundesregierung sagte: „Es wäre ein starkes Signal, wenn wir langsam anfangen, über die Hauptaufgabe der kommenden Monate und Jahre zu reden, und das ist die Integration der Menschen.“ Ja, die größte Herausforderung und die größte Aufgabe ist auch in Brandenburg die Integration der vielen neu zu uns kommenden Menschen!

Um tatsächlich die Asylverfahren zu beschleunigen, hätte man durch die Bundesgesetze Widerrufsverfahren abschaffen müssen, Altfallregelungen einführen müssen und die Aufnahme offensichtlich begründeter Fälle wie die von Syrerinnen und Syrern erleichtern müssen. Unsere grünen Forderungen für eine Beschleunigung und Vereinfachung der Verfahren wurden leider nicht aufgegriffen. Auch ein Aussetzen der Dublin III Verordnung, die Asylverfahren verlängert und Kapazitäten beim Bundesamt bindet, erscheint unter dem Gesichtspunkt Verfahrenserleichterung sinnvoll. Aber der Bundesinnenminister Thomas de Maizière scheint weiterhin kein Interesse an der Entlastung des ihm unterstehenden Bundesamts zu haben. Die heimliche Wiedereinführung der umfangreichen Schutzprüfung und des Dublinverfahrens bei syrischen Flüchtlingen sind hier jedenfalls nicht gerade zielführend!

Um zurück nach Brandenburg zu kommen: Für meine Fraktion sind in dieser schwierigen Situation bei der Umsetzung der Neuregelungen im Asylverfahren jetzt vor allem zwei Punkte wichtig:

Erstens, Dort, wo die Bundesgesetze Handlungsspielräume eröffnen, müssen diese genutzt werden. Wir möchten diese Spielräume zum Wohle des Landes und im Interesse der Flüchtlinge menschenrechtsorientiert ausfüllen!

Zweitens, Dort, wo uns die Gesetze neue Möglichkeiten eröffnen, unseren Umgang mit den Flüchtlingen zu verbessern, müssen wir diese umsetzen und nutzen!

Dafür setzen wir uns mit unserem Antrag „Spielräume nutzen, Bundesgesetze menschenrechtsorientiert umsetzen!“ ein.

Durch das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz können nunmehr wieder vermehrt Sachleistungen statt Bargeld ausgereicht werden – sowohl in der Erstaufnahmeeinrichtung als auch in den Gemeinschaftsunterkünften. Das Sachleistungsprinzip ist nicht nur diskriminierend, es verursacht auch einen hohen bürokratischen Aufwand. Wir fordern daher die Landesregierung dazu auf, in der Erstaufnahmeeinrichtung den notwendigen persönlichen Bedarf durch Bargeld zu leisten und auf eine entsprechende Regelung auch in den Gemeinschaftsunterkünften hinzuwirken!

Wir freuen uns über die Ankündigung der Landesregierung, Sprachkurse auch den Flüchtlingen anzubieten, die von der Neuregelung im Aufenthaltsgesetz nicht profitieren. Wir fordern, dass Asylsuchende, die keinen Anspruch auf einen Integrationskurs haben oder für die die Kapazitäten beim Bundesamt erschöpft sind, trotzdem die Möglichkeit bekommen, sich in Brandenburg zu integrieren durch das Erlernen der deutschen Sprache.

Auch unterstützen wir die Landesregierung bei ihren Bemühungen, gemeinsam mit den Landkreisen und kreisfreien Städten endlich die elektronische Gesundheitskarte für Flüchtlinge einzuführen. Wir fordern sie dazu auf, alles zu tun, damit diese so schnell wie möglich an die Geflüchteten ausgereicht werden kann. Das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz hat nämlich noch einmal deutlich gemacht, dass das Land hier tätig werden kann.

Auch bei der Umsetzung des bereits seit August in Kraft getretenen Gesetzes zur Aufenthaltsbeendigung und zum Bleiberecht sollte die Landesregierung die Menschenrechte der Betroffenen im Blick haben und Möglichkeiten zur besseren Integration langjährig Geduldeter nutzen.

Abschiebehaft darf nur als ultima ratio in Betracht kommen. Gemäß den Anforderungen der europäischen Rückführungsrichtlinie und der Neuregelung im Aufenthaltsgesetz muss schutzbedürftigen Personen in Abschiebehaft besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Hilfsorganisationen muss auch ohne Antrag der inhaftierten Person Zugang zur Abschiebehaft gewährt werden.

Zudem fördert es die Willkommenskultur im Land Brandenburg, wenn Flüchtlingen neben ihren Pflichten auch aktiv ihre Rechte und Möglichkeiten zum Verbleib im Land deutlich gemacht werden. Die Landesregierung sollte aktiv darauf hinwirken, dass zum Beispiel Geduldete mit neuer Bleibeperspektive, die schon seit Jahren in Deutschland leben und integriert sind, auch hier bleiben dürfen!

Gemeinsam müssen wir dafür Sorge tragen, dass in Brandenburg ein humaner Umgang mit Menschen in Not gewährleistet wird, bürokratische Hindernisse abgebaut und die Integration der Geflüchteten in die Gesellschaft vorangetrieben werden. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag.

>> Zum Antrag „Spielräume nutzen, Bundesgesetze menschenrechtsorientiert umsetzen!“ (pdf-Datei)

Der Antrag wurde abgelehnt.