Zum Inhalt springen

Ursula Nonnemacher spricht zur Aktuellen Stunde „Zuwanderung gestalten - Das Tolerante Brandenburg stärken“

- Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede!

Das Thema der Aktuellen Stunde lautet „Zuwanderung gestalten, das tolerante Brandenburg stärken.“ In den vergangenen Tagen war allerdings oftmals nicht von Zuwanderung, Toleranz und Integration die Rede, sondern von Abschreckung, Ausgrenzung und Abschiebung.

Erstens zur Abschreckung: Wie schon angekündigt kann jetzt die Zeit nach Ankunft in der Erstaufnahme von drei auf sechs Monate ausgedehnt werden. Asylsuchende aus den jetzt beschlossenen sicheren Herkunftsstaaten bleiben bis zum Abschluss des Verfahrens dort. In der Erstaufnahmeeinrichtung soll es dann nur noch Sachleistungen geben. Dies soll dazu führen, mögliche „Fehlanreize zu beseitigen“, wie es die Bundesregierung formuliert. Der Ersatz des Taschengeldes durch Sachleistungen kann auch auf andere Gemeinschaftsunterkünfte ausgeweitet werden. Einen längeren Erstaufenthalt in überfüllten Massenunterkünften finden wir schwer erträglich. Er setzt im Gegenzug voraus, dass die Asylverfahren in dieser Zeit auch wirklich abgeschlossen werden. Eine deutliche Entlastung des Bundesamtes für Migration ließe sich etwa herbeiführen durch

- eine beschleunigte Anerkennung von offensichtlich begründeten Asylbegehren
beispielsweise aus den Herkunftsländern Syrien und Eritrea

- eine Altfallregelung für länger als ein Jahr anhängige Fälle sowie

- ein Verzicht auf die Widerrufsverfahren drei Jahre nach Anerkennung.

Aber zu diesen Ansätzen, die eine klare Verkürzung der Verfahrensdauer zur Folge hätten, ist im sogenannten „Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz“ paradoxerweise kaum etwas zu finden. Der Bund hat sich gestern verpflichtet, die Verfahren ab 2016 in maximal 5 Monaten abzuschließen. Der Umsetzung dieser Ankündigung sehen wir gespannt entgegen, befürchten aber, dass viele Menschen unzumutbar lange in den Erstaufnahmeeinrichtungen bleiben werden. Für Menschen aus den sog. sicheren Herkunftsländern werden sie zu Abschiebelager.

Zweitens zur Ausgrenzung: Nicht nur die Liste der sicheren Herkunftsländer soll erweitert werden, ein Vorschlag, den meine Fraktion stets als grundgesetzwidrig kritisiert hat- auch sollen gegenüber einer Gruppe geduldeter Flüchtlinge diskriminierende Leistungskürzen sowie rigorose Arbeitsverbote eingeführt werden. Die eben noch erkämpften Bleiberechtsregelungen, die eine gelungene Integration der geduldeten Menschen voraussetzen, werden damit ausgehöhlt!

Drittens zur Abschiebung: Die Bundesregierung will festlegen, dass Abschiebungen generell nicht mehr angekündigt werden. Damit müssen die Betroffenen in ständiger Angst leben, sie wissen nicht, wann die Polizei bei ihnen erscheint, möglicherweise auch nachts. Das ist inhuman gerade gegenüber Personen, die bereits lange Leidenswege hinter sich gebracht haben.

Ich will nicht darüber hin weggehen, dass gestern gerade in finanzieller Sicht für die Länder doch einige Verbesserungen ausgehandelt wurden: 2 Milliarden Bundesgelder für 2015,

4 Milliarden für 2016, die jährlich 500 Millionen für den sozialen Wohnungsbau und 350 Millionen für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge sind nicht zu verachten. Immerhin finden sich Ansätze zur Erleichterung von Arbeitsmigration für Menschen aus den Westbalkanstaaten und eine Unterstützung der Roma in ihren Heimatländern wieder. Auch 10.000 neue Stellen im Bundesfreiwilligendienst begrüße ich. Dass nebenbei auch noch ein Kompromiss bei den Regionalisierungsmittel erreicht und das Betreuungsgeld den Ländern zur Verfügung gestellt wird ist ebenfalls begrüßenswert.

Auf Landesebene sieht meine Fraktion trotz großer Anstrengungen von Seiten der Landesbehörden und der Kommunen trotzdem etwas Optimierungsbedarf. Momentan beschäftigen wir uns angesichts der steigenden Zahl von Schutzsuchenden, die Brandenburg täglich erreichen, vor allem mit dem Thema Erstaufnahme und Unterbringung. Unsere Fraktion ist der Auffassung, dass es aufgrund der aktuellen Prognosen von 25.000 bis 30.000 Flüchtlingen für Brandenburg zu kurz gedacht ist, Außenstellen wie aktuell den Standort Potsdam lediglich als Zwischenlösungen zu behandeln. Mit unserem Entschließungsantrag setzen wir uns daher dafür ein, die bestehenden und geplanten Außenstellen in Brandenburg auszubauen. Die Außenstellen müssen umgehend personell und technisch so ausgestattet werden, dass Flüchtlinge dort vollständig versorgt und nicht nach Eisenhüttenstadt verlegt werden müssen.