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Ursula Nonnemacher spricht zum Antrag der Fraktion DIE LINKE „Für eine offene und diskriminierungsfreie Gesellschaft - Ehe für alle auch in Brandenburg!“

- Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede!

Seit mehr als 30 Jahren setzen wir Grüne uns für die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgendern und Intersexuellen ein. Es geht auf unsere Initiativen zurück, dass Deutschland Vorreiter bei der Einführung der eingetragenen Lebenspartnerschaften wurde. Vor 25 Jahren, im Juli 1990, haben wir Grünen einen Antrag zur Öffnung der Ehe für Alle in den Bundestag eingebracht. Das war Anlass für den Bundestag, sich zum allerersten Mal mit diesem Thema auseinander zu setzen. Dann hat es aber weitere 11 Jahre gedauert, bis unter der rot-grünen Bundesregierung das „Gesetz über eingetragene Lebenspartnerschaften" 2001 in Kraft trat. Ein Wendepunkt im Kampf der Schwulen und Lesben um gesellschaftliche Anerkennung! Eine rechtliche Gleichstellung mit der Ehe war dadurch aber noch lange nicht erreicht. Wegen des Widerstandes der uniongeführten Bundesländer im Bundesrat konnte das ursprünglich umfassend geplante Gesetzeswerk nur in deutlich abgespeckter Form in Kraft treten. Trotzdem stellte es seit dem Kampf gegen den unseligen Paragraphen 175 eine Zäsur auf dem Weg der vollständigen Gleichberechtigung Homosexueller dar. In Brandenburg haben wir Bündnisgrüne entscheidend dazu beigetragen, dass der Landtag das Lebenspartnerschaftsanpassungsgesetz deutlich verbessert verabschiedet hat. Wir haben erwirkt, rückwirkende Versorgungsansprüche von LebenspartnerInnen weitreichend und rechtskonform zu sichern. Wir danken der Fraktion DIE LINKE dafür, dieses wichtige Thema für eine Aktuelle Stunde im Jahr 2015 aufzugreifen.

Immer noch sind Paare in einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft im gemeinsamen Adoptionsrecht sowie durch 150 Regelungen in 54 Gesetzen und Verordnungen Ehepaaren nicht gleich gestellt. Das ist, um es ganz deutlich zu sagen, Diskriminierung! Auch das Bundesverfassungsgericht stellte mehrfach klar: Eine Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnern mit Ehepaaren in sämtlichen Bereichen ist verfassungsrechtlich geboten. Aus dem Schutz von Ehe und Familie im Grundgesetz kann nicht abgeleitet werden, dass andere Lebensgemeinschaften mit geringeren Rechten ausgestattet werden. Die in unserem Grundgesetz an prominenter Stelle verankerten Gleichheits- und Freiheitsrechte begründen vielmehr zwingend, dass gleichgeschlechtliche Paare nicht schlechter gestellt sein dürfen als heterosexuelle.

Die Liebe von Menschen zueinander und ihre Bereitschaft, füreinander einzustehen, darf dem Staat nicht unterschiedlich viel wert sein. Beim Thema Ehe für Alle geht es um noch viel mehr als um Gesetze und Verordnungen. Es geht um die Überwindung einer historisch tief verwurzelten menschenverachtenden Diskriminierung von Homosexuellen. Von den Absurditäten des preußischen Allgemeinen Landrechtes über das Reichsstrafgesetzbuch bis zur Verfolgung und KZ-Internierung während der Nazizeit: der schändliche Paragraph 175 StGB hat viele Menschen, meist Männer, ins Unglück, in Haft, sogar in den Tod getrieben. Besonders empörend ist, dass der § 175 auch in seiner nationalsozialistischen Fassung nach 1945 in der Bundesrepublik erhalten blieb. Erst 1994 wurde das Sonderstrafrecht für homosexuelle Männer abgeschafft. Es geht beim Thema Ehe für alle auch um die endgültige Überwindung von Sonderbehandlung. Erst wenn gleiches Recht für alle gilt, haben wir Diskriminierung in diesem Bereich wenigsten formal überwunden. Es geht auch um den Kampf gegen tradierte Rollenbilder. Es geht darum, als Gesellschaft Ja! zu der lesbischen und schwulen Minderheit sagen. Es geht darum, Ja! zu homosexuellen Jugendliche zu sagen, und ihnen zu signalisieren, dass sie willkommene Mitglieder unserer Gesellschaft sind. Es geht um ein Ja! zu Regenbogenfamilien, in denen zwei Mütter oder zwei Väter ein Leben lang verbindlich Verantwortung für Kinder übernehmen und sich fürsorglich um sie kümmern.

Im Laufe der letzten Jahre wurde die Liste der Länder, die um Deutschland herum die Ehe für Alle öffnen, immer länger: Belgien, die Niederlande, Spanien, Norwegen, Kanada, Schweden Portugal, Dänemark, Frankreich, Südafrika, Argentinien, Brasilien, Uruguay, Island, Neuseeland, das Vereinigte Königreich, Luxemburg, Finnland. Sogar Länder wie das konservative Irland und die USA haben jüngst das Eheverbot für gleichgeschlechtliche Paare fallen gelassen! Da können wir nur gratulieren! Über zwei Drittel der BundesbürgerInnen befürwortet die Ehe für Alle, während unsere Bundesregierung immer noch in ihrer kleinkarierten Geisteshaltung verharrt. Lange wird sie dies nicht mehr durchhalten. Geben Sie die Ehe frei!

Die Zeit ist reif!