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Ursula Nonnemacher spricht zum bündnisgrünen Gesetzentwurf „Gesetz zur Regelung des Informationszugangs im Land Brandenburg“

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- Es gilt das gesprochene Wort !

Anrede!

Man könnte ja glatt lachen, wenn es nicht so traurig wäre: Sowohl die Landesregierung als auch die Koalitionsfraktionen verharren im Zeitalter des Aktengeheimnisses. Dabei ist das Aktengeheimnis ein Relikt aus vordemokratischer Zeit. Zumindest sieht das Staatsrat Dr. Ralf Kleindiek aus Hamburg so. Er hat noch mehr so schöne Zitate zum Thema gesammelt und der SPD kürzlich in einer Veranstaltung nahe gebracht, die möchte ich Ihnen hier nicht vorenthalten:

„Es ist dem Untertanen untersagt, den Maßstab seiner beschränkten Einsicht an die Handlungen der Obrigkeit anzulegen." Friedrich Wilhelm I., Kurfürst von Brandenburg und Herzog von Preußen

„Es bedarf keiner näheren Begründung, daß die öffentliche Verwaltung nur dann rechtsstaatlich einwandfrei, zuverlässig und unparteiisch arbeiten kann, wenn sichergestellt ist, daß über die dienstlichen Vorgänge von seiten der Behördenbediensteten nach außen grundsätzlich Stillschweigen bewahrt wird." Bundesverfassungsgericht vom 28.4.1970 (BVerfGE 28, 191, 198)

In genau dieser Denkweise ist die Koalition stecken geblieben.

Ich war wirklich mehr als enttäuscht über die Änderungen, die die Koalition zum Gesetzentwurf in den Innenausschuss eingebracht hat. Nach einer Anhörung, in der der Regierungsentwurf viel Kritik einstecken musste, weil er den Zugang zu Behördeninformationen mehr erschwert als erleichtert, kamen die Koalitionsfraktionen jetzt mit einem Antrag daher, der quasi keine inhaltlichen Änderungen enthält. Da ist die Rede von „redaktionellen Neuformulierungen", „keinerlei inhaltlichen Änderungen" und einer „Anpassung der Nummerierung". Der fünfseitige Antrag sieht nach viel aus, ist aber an Peinlichkeit nicht zu überbieten, meine Damen und Herren! Allein die ILB wird „nicht in Gänze" aus dem Anwendungsbereich herausgenommen und es wird klargestellt, dass die antragstellende Person ein Recht auf Kopien habe und Notizen anfertigen dürfe. Willkommen im Informationszeitalter, möchte man da sagen!

Dabei hatten die Juso-Hochschulgruppe Potsdam und die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen (ASJ) erst kürzlich zu einem Fachgespräch eingeladen, das sich der Frage widmete, wie man den qualitativen Sprung von der Informationsfreiheit zur Transparenzgesetzgebung schaffe. Aber wir kommen in Brandenburg ja leider nicht einmal bis zur Informationsfreiheit, wenn sich die BürgerInnen darüber freuen sollen, dass sie jetzt Notizen machen dürfen. Und das obwohl die SPD auf Bundesebene im Mai selbst einen Gesetzentwurf für ein Informationsfreiheits- und Transparenzgesetz vorgelegt hat! Da hätten sie sich doch mal einige Anregungen holen können, wenn Sie unseren schon ignorieren.

Zur Erinnerung: Meine Fraktion hat bereits im August 2012 einen umfassenden Gesetzentwurf vorgelegt, der in der Anhörung sehr gelobt wurde. Darin setzen wir uns für ein Gesetz ein, das den Bürgerinnen und Bürgern den weitest gehenden Zugang zu Informationen in Behörden und öffentlichen Stellen verschafft. Wir fordern einen Informationsanspruch gegenüber kommunalen Unternehmen und solchen, die Verbrauchsprodukte herstellen. Das neue Gesetz sollte die bisherige Rechtslage übersichtlicher machen und den Geist von ‚Open Data' in sich tragen. Wir wollen maximale Transparenz und nur ein Minimum an Ausnahmen. Schließlich sind die öffentlichen Daten mit Hilfe von Steuergeldern, also auf Kosten der Öffentlichkeit, zusammengetragen worden. Die Bürgerinnen und Bürger haben schon deshalb einen Anspruch darauf, Zugang zu diesen Informationen zu bekommen. Mit Daten wie beispielsweise zu Hygieneuntersuchungen in Restaurants, zum Planungsstand von Großprojekten oder Wetterdaten könnten wirtschaftliche Potentiale angeregt und die Bürgerbeteiligung gestärkt werden.

In der Anhörung des Innenausschusses zum Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz im März hatte ich mich in meinen Forderungen nach einem möglichst umfassenden Auskunftsanspruch der Bürgerinnen und Bürger bestärkt gesehen. Die vom Gros der Expertinnen und Experten gemachten Empfehlungen decken sich im Wesentlichen mit dem, was wir mit unserem bündnisgrünen Entwurf für ein Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz bezwecken. Gegenüber dem Entwurf der Landesregierung hatte ich hingegen viel Skepsis und Ablehnung wahrgenommen:

Der Entwurf der Landesregierung „ignoriere die Entwicklung", er sei „aus der Zeit gefallen", mache „ratlos"; „Transparenz sollte die Regel sein" und „Ausnahmen die Ausnahme" habe es beispielsweise von ExpertInnen geheißen.

Um die Dürftigkeit des Gesetzentwurfes etwas zu kaschieren, legen Sie jetzt last minute einen Entschließungsantrag zu Open-Government-Data vor. Da ist dann plötzlich von Transparenzkultur und Öffnung von Datenschätzen die Rede. Warum haben Sie ein Jahr untätig verrinnen lassen, um den Gesetzentwurf nachzubessern?

Da ich mit Herrn Dr. Kleindiek angefangen habe, möchte ich mich auch am Schluss meiner Rede gerne noch einmal auf ihn beziehen. In Hamburg wirbt die Landesregierung für das neue Transparenzgesetz mit folgenden Sprüchen:

„Haben Sie einen Plan?", „Haben Sie Geheimnisse?" und „Heute schon was gemerkt?"

Vielleicht sollte sich die Koalition diese Fragen auch einmal stellen.