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Sabine Niels spricht zur Aktuellen Stunde "Zukünftiger Umgang mit Schwerverbrechern im Strafvollzug des Landes Brandenburg"

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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich musste jetzt einfach das Papier mit nach vorn nehmen, um meinem Kollegen Danny Eichelbaum - ich verweise übrigens auf meine Rede vom letzten Jahr, als wir mit der CDU und der FDP den gemeinsamen Antrag zur Resozialisierung in den Landtag einbrachten - konkret vorzulesen. Er hatte an meine Kollegin Linda Teuteberg, FDP, die Frage gestellt, ob wir nicht an den bewährten Normen des Strafvollzugs festhalten.

Grundsatz des Strafvollzugs in § 3 Abs. 1 Strafvollzugsgesetz ist:

„Das Leben im Vollzug soll den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit als möglich angeglichen werden."

Absatz 2 besagt:

„Schädlichen Folgen des Freiheitsentzuges ist entgegenzuwirken."

In Absatz 3 heißt es:

„Der Vollzug ist darauf auszurichten, dass er dem Gefangenen hilft, sich in das Leben in Freiheit einzugliedern."

(Beifall der Abgeordneten Kaiser [DIE LINKE])

Es kam so weit, dass sehr viele Fachleute feststellten, dass eine Lockerung des Vollzuges nach zehn Jahren zu spät ist. Was noch? Wenn man die Experten Frieder Dünkel, Kirstin Drenkhahn hört, sagen sie Folgendes:

„Die zunehmende und bei einzelnen Gefangenen sehr weitgehende Lockerungspraxis hat nicht zu einem Verlust, sondern zu einer Zunahme von Sicherheit für die Bevölkerung und für die Vollzugsbediensteten geführt."

Was ist eigentlich passiert, als die Steuerzahler eine Reise des Rechtsausschusses in die Niederlande finanzierten? Warum hat der Steuerzahler für Danny Eichelbaum und den Fachreferenten auch noch die Reise nach Hamburg in die JVA Fuhlsbüttel finanziert?

(Jürgens [DIE LINKE]: Bravo! - Beifall DIE LINKE)

Was haben wir dort gehört? Es gibt keinen einzigen Experten, der dem, was ich eben zitierte, widerspricht. Es ist so, dass regelmäßig lediglich vom Fachbereich Politik ein Riesenfass aufgemacht wird, wonach wir angeblich Opfer verhöhnen und die Bevölkerung absolut in Schaden führen würden, wenn wir auch nur teilweise von der Zehnjahresfrist abgehen und jemandem eine Lockerung gewähren. Das ist Schwachsinn. Diese Meinung ist Schwachsinn.

(Beifall GRÜNE/B90 und DIE LINKE)

Ich rede nicht über die Person, die heute im ersten Wortbeitrag darüber gesprochen hat, sondern über die Meinung. Ja, Herr Burkardt, nicht so doll aufregen. Jetzt werde ich wieder ganz ruhig.

(Bischoff [SPD]: Noch ruhiger?)

Ich trage einige grundsätzliche Prinzipien vor. Wir hatten Herrn Prof. Dr. Walkenhorst von der Universität Köln zu Gast im Landtag Brandenburg. Wir, das heißt, die FDP, die CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Er sagte uns ganz eindeutig: Der offene Vollzug biete eine, wenn nicht die beste Vorbereitung auf das Leben in Freiheit. Wenn ich auf die vorhin genannten Experten zurückkommen darf: Wenn wir etwas dafür tun, dass die Rückfallquote auch der Schwerstverbrecher gesenkt wird, heißt das, dass wir die Bevölkerung schützen. Das ist genau das, was in dem Zitat steht.

(Beifall DIE LINKE sowie des Abgeordneten Bischoff [SPD] und des Abgeordneten Holzschuher [SPD])

Noch besser kann ich es nicht übersetzen. Insofern kann ich mich Frau Mächtig gar nicht so vorbehaltlos anschließen, wonach Herr Eichelbaum eventuell wider besseres Wissen hier geredet hat. Nein, vielleicht weiß er es ja nicht besser.

(Heiterkeit bei der Fraktion DIE LINKE)

Leider habe ich hier nur fünf Minuten Redezeit. Deswegen der Verweis auf die alte Rede und auf unsere Fachgespräche. Man kann doch nicht sagen, dass ein Täter-Opfer-Ausgleich darin bestehen würde, dass man bezüglich der Vollzugslockerung das höchstmögliche Maß wider besseren Wissens beibehält. Das kann es leider nicht sein. Die Vermischung der Debatte kommt doch wohl vor allem daher, dass in den Medien die großen schlimmen schweren Fälle der Wiederholungstäter, die Vollzugslockerung hatten, die vielleicht Täter waren, während sie gerade in Haft waren, aber Freigang hatten und Wiederholungstäter geworden sind, sehr breit zur Geltung. Bedauerlicherweise kommen gelungene Fälle von Resozialisierung in den Medien überhaupt nicht vor, nicht einmal randständig. Auch das ist etwas, was Universitätsprofessoren, die sich mit Rechtspsychologie und Resozialisierung beschäftigen und mit Justizvollzugsanstalten zusammenarbeiten, hervorheben. Das ist etwas, was Justizvollzugsbedienstete wissen, was Juristen wissen. Das kommt in der Medienberichterstattung aber nicht vor. Das wird seit Jahren von den Fachleuten bedauert, weil es dadurch zu dem Effekt kommt: Die einzigen, die daran festhalten, dass man so streng wie möglich mit Straftätern umgeht, das Bundesverfassungsgericht nicht beachtet und auch nicht unseren Grundsatz, das Recht auf Freiheit gewähren zu wollen, auch noch ignoriert, sind die Politiker - diese und jene, aber nicht solche, wie wir von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wir machen da einfach nicht mit. - Danke.

(Beifall GRÜNE/B90, SPD und DIE LINKE)