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Sabine Niels spricht zum Haushaltsplan des Ministeriums für Infrastruktur und Landwirtschaft für 2013/2014

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- Es gilt das gesprochene Wort! -

Anrede!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Kollegin Alter! Ich würde mich freuen, wenn wir noch bis Freitag zusammenarbeiten könnten und dies nicht schon Ihre Abschiedsworte waren.

Wir haben schon einige Reden zum Haushalt für Infrastruktur und Landwirtschaft gehört. Bei allem Hören von Argumenten, warum unser Änderungsantrag bezüglich Landwirtschaft eventuell gar keine breite Mehrheit findet, haben mich doch alle Ihre Debattenbeiträge davon überzeugt, dass wir mit diesem wirklich winzigen Anteil – es ist ein Portokassenanteil – genau auf dem richtigen Weg sind, indem wir im Bereich Landwirtschaft tatsächlich Wirtschaftsförderung betreiben.

Ich erinnere daran, dass ich am 14. Juni 2011 – morgen werden es genau anderthalb Jahre her sein – den Antrag „Annahmestopp für Neuanträge zur Umstellung auf Ökolandbau zurücknehmen“ hier im Landtag vorgestellt habe. Ich habe damals vor allem auf die Leistungen des Ökolandbaus verwiesen, die jetzt noch einmal durch viele Studien bestätigt wurden, was den Erhalt der Artenvielfalt, die Biodiversität betrifft, was tatsächlich auch Wertschöpfung im ländlichen Raum angeht, eben diese naturschutzfachlichen, umweltfachlichen Aspekte, Schutz der Gewässer usw.

Heute mache ich es einmal anders, heute fokussiere ich mich eher darauf, einfach Ihre Argumente zu zitieren. Herr Folgart sagte es sehr schön. Der Haushalt, so dachte er, der heute verabschiedet werden soll, der Doppelhaushalt 2013/2014 zeige, "dass man in Wirtschaftskraft und Wertschöpfung investiere". Herr Genilke hat sehr schön erläutert, wie wichtig eine Umstellungsförderung für konventionelle Betriebe in den ersten zwei Jahren sei, in denen man noch nicht den Preis für ein Biolebensmittel verlangen könne, aber tatsächlich bereits den kompletten Arbeitseinsatz leisten müsse.

Dass Sie unbedingt zustimmen müssen, ist auch daran erkennbar, dass wir uns hier in einem bestimmten Standort bewegen, und zwar europaweit im größten Absatzmarkt für ökologische Produkte. Hier zitiere ich eine Studie, die „Förderung des ökologischen Landbaus Deutschlands im europäischen Vergleich“ heißt. Sie wurde von der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn erstellt. Hierin gibt es tatsächlich Zahlen, und zwar stieg der Handelsumsatz für diese Produkte des ökologischen Landbaus in den Jahren 2000 bis 2009 um etwa 180 %. Und diese Entwicklung geht nun ausgerechnet an deutschen Erzeugern vorbei, also an denjenigen, die in dem Land leben, das europaweit überhaupt die größte Kaufkraft in diesem Segment aufweist.

Der Flächenanteil und die Anzahl ökologisch bewirtschafteter Betriebe in Deutschland weisen unterproportionale Steigerungsraten auf. Im gleichen Zeitraum wuchs die ökologisch bewirtschaftete Fläche lediglich um 75 % gegenüber einem gestiegenen Handelsumsatz von 180 %. Das liegt auch daran, dass seit dem Jahr 2005 in Deutschland die Förderung des ökologischen Landbaus kontinuierlich nach unten gefahren wurde. Wir wurden mittlerweile von einigen Ländern überholt, zum Beispiel auch vom Nachbarland Polen. Dessen nicht genug, das Land Brandenburg hat innerhalb dieses wirklich peinlichen Landes Deutschland, das für den Ökolandbau kaum etwas tut, auch noch den vorletzten Platz. Dieser vorletzte Platz ist anscheinend auch noch nicht genug. Wir müssen unbedingt den letzten Platz in der Förderung des Ökolandbaus erreichen. Anscheinend wollen wir die Umstellung auf Ökolandbau immer noch nicht vorantreiben.

(Zuruf von der SPD: Wir führen doch gegenüber den anderen Bundesländern! - Weitere Zurufe)

– Ich finde die Zwischenrufe total Klasse. Wenn Sie sich darauf einigen könnten, dass immer nur einer zwischenruft, dann würde ich jeweils ganz gern auf die Zwischenrufe reagieren.

Wo liegen denn nun eigentlich die Schwerpunkte der Landesregierung? Es gab eine Antwort; Herr Genilke hat sie schon zitiert. Ministerpräsident Platzeck sagte auf dem Biobauerntag:

„Brandenburg setzt auf Bio und gehört zu den Bundesländern, in denen Ökolandbau konsequent gefördert wird.“

Wenn das der Auftakt zur Wende in der sozialdemokratischen Landwirtschaftspolitik sein sollte, so ist er gründlich missglückt. Aber es war einen Versuch wert und insofern meine Hochachtung.

Nun ist die Frage, Herr Ministerpräsident Platzeck: Haben Sie denn gar nicht bemerkt, dass Herr Vogelsänger in den Haushaltsverhandlungen dem Antrag, den wir als Änderungsantrag gestellt haben, gar nicht zugestimmt hat? Es geht wirklich um Peanuts von 150 000 Euro. Der ELER-Fonds würde dies mit 75 % bezuschussen.

Präsident Fritsch:

Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Folgart?

Frau Niels (GRÜNE/B90):

Nein, gestatte ich nicht. Ich freue mich auf Ihre Zwischenrufe mit Ihrer tiefen, dunklen Stimme, Herr Folgart.

Es ist also so, dass ganz andere Schwerpunkte bei der ELER gesetzt wurden, und zwar die einzelbetriebliche Förderung für die strukturschwachen Regionen. Man ist also der Meinung, dass es unsinnig sei, diesen boomenden Markt Ökolandbau hier in Brandenburg überhaupt zu fördern, und das auch noch mit der Begründung, dass wir, weil die Landwirte so gut durchhalten, deutschlandweit den größten Flächenanteil des Ökolandbaus haben.

Irgendwie scheinen auch die Abgeordneten der SPD ihrem eigenen Ministerpräsidenten nicht zu folgen, denn sonst hätten sie ja zugestimmt. Das ist besonders deswegen schade – ich habe die großen Plakate von Ministerpräsident Platzeck gesehen –, weil er uns allen versprochen hat, um jeden Arbeitsplatz zu kämpfen. Es ist tatsächlich so, dass in der Ökolandwirtschaft mehr Menschen eine Tätigkeit finden, besonders in den ländlichen Regionen. Insofern wäre das doch genau der brennende Punkt, an dem man mit wenig finanziellem Aufwand arbeiten kann.

(Beifall GRÜNE/B90)

Jetzt suche ich noch einmal die Schwerpunkte der Koalitionsfraktionen, und jetzt müssen wir einmal zum Landnutzungsantrag kommen. SPD und LINKE haben mit CDU und FDP einen wirklich sehr hübsch formulierten Antrag – schon die Überschrift gefällt mir gut – eingereicht.
(Frau Niels)

Ich lese einmal vor:

„Landnutzungspolitik für die Entwicklung und den Erhalt ländlicher Regionen gemeinsam denken, konkrete Umsetzung ermöglichen, dem Land dienen!“

Dahinter ist ein Ausrufezeichen. Ein Ausrufezeichen!

(Zuruf des Abgeordneten Genilke [CDU])

Nun lese ich einmal den Punkt 4 daraus vor:

„Bei der Umsetzung des Entwicklungsplans für den ländlichen Raum für die neue Förderperiode die Rahmenbedingungen und Förderinhalte so zu wählen, dass die Erwerbsbetriebe unter Beachtung der Anforderungen des Natur- und Umweltschutzes wettbewerbsfähig und nachhaltig wirtschaften können und Arbeitsplätze im ländlichen Raum sichern.“

Die Universität in Bonn hat zudem tatsächlich festgestellt, dass die Ökolandbaubetriebe wettbewerbsfähig sind, wenn sie es denn erst einmal geschafft haben, eine bestimmte Marge auf dem Markt anzubieten, und die Umstellungsperiode überstanden haben. Genau dorthin müssen wir erst einmal. Die Forderung ist bereits jetzt möglich.

Insofern kann ich auf die ELER-Jahrestagung in Neuseddin am 28. November verweisen, auf der Sie, Minister Vogelsänger, anwesend waren. Dort wurde in der Stärken-Schwächen-Analyse dargestellt, dass die multifunktionale Nutzung des Ökolandbaus wichtig ist und es ein riesiges, nicht genutztes Potenzial in diesem Bereich gibt.

Diesbezüglich zitiere ich aus einer Erhebung: Es wurden 450 Biolandwirte befragt, wovon 128 gesagt haben, dass sie vor der Umstellung auf den Ökolandbau ihren Landwirtschaftsbetrieb komplett aufgeben wollten. Durch die Betriebsumstellung jedoch wurden 60 % mehr Arbeitsplätze für Familienmitglieder, feste Mitarbeiter und Auszubildende bei diesen Betrieben geschaffen. Die 60 % beziehen sich auf den Stand nach der Umstellung, und zwar verglichen mit dem Zeitpunkt, als die Landwirte ihren landwirtschaftlichen Betrieb aufgeben wollten.

Im Biolandbau gibt es insgesamt - bezogen auf die bewirtschaftete Fläche - 34 % mehr Arbeitsplätze als im konventionellen Landbau. Diesbezüglich verweise ich noch einmal auf die erwiesene Wettbewerbsfähigkeit, die dann existiert, wenn ein landwirtschaftlicher Betrieb erst einmal biologische Produkte vermarkten kann. Das ist im Umstellungszeitraum leider nicht der Fall.

Die positiven Aspekte überzeugen Sie bestimmt. Sicherlich wollen Sie jetzt nicht zustimmen, weil wir wieder an das Landesgestüt Neustadt/Dosse heranwollen. Nein, ich sage jetzt vielmehr dazu etwas, dass wir uns tatsächlich immer wieder mit Kritik auseinandersetzen und uns jeweils eine andere Deckung überlegt haben.

Wie sieht die Deckung überhaupt aus? - Die Deckung haben wir aus dem Titel 683 80 des Kapitels „Strukturförderung, Landwirtschaft und Entwicklung ländlicher Räume“ genommen. Dort sind für das Jahr 2013 insgesamt 69,5 Millionen Euro eingestellt und für das Jahr 2014 26,4 Millionen Euro. Wir wollen jedoch nur 150 000 Euro.

Man kann jetzt sicherlich noch verschiedene Argumente hin- und herschieben, aber angesichts dieses Einzelplans frage ich mich: Was hat eigentlich das Land mit Tierkörperbeseitigung zu schaffen? Warum soll ausgerechnet Tierkörperbeseitigung noch immer subventioniert werden? Ist das eine Vorreiterfunktion von Brandenburg? - Ich würde gern einmal das Bundesland genannt bekommen, das in dieser Höhe die Entsorgung von Tierleichen subventioniert. So etwas ist mir jedenfalls schleierhaft.

(Beifall GRÜNE/B90)

Dieses Betriebsrisiko muss schließlich jeder landwirtschaftliche Betrieb tragen. Im Jahr 2011 steuerten wir diesbezüglich 0,3 Millionen Euro bei. Der Ansatz für 2013/2014 ist sogar mit 1,1 Millionen Euro festgeschrieben.

Des Weiteren ist zu sagen, dass ich nicht aus dem Koalitionsvertrag zitiert habe, in dem es auch um die Förderung des Ökolandbaus geht. Es ermüdet, wenn man all Ihre Argumente nimmt und feststellt, dass Sie im Ausschuss für Infrastruktur und Landwirtschaft überhaupt nicht zugestimmt haben. Dort waren wir mit einer einzigen Stimme vertreten. Dennoch wollte ich zumindest einige Argumente aus Ihrer eigenen Kiste nehmen, um verständlich zu machen, dass Sie hier die Chance haben, zuzustimmen, und die Ausschussempfehlungen nicht bindend sind. Sie alle sind freie Abgeordnete - so, wie auch ich.

(Frau Melior [SPD]: Wir treten aus der Fraktion auch nicht aus, um dann wieder einzutreten!)

Wir brauchen auch nur noch einige - etwa 42 - Stimmen.

Ein Beispiel zum Abstimmungsverhalten: Zur BTU Cottbus gab es aus der SPD-Fraktion Abgeordnete, die auf Toilette mussten und einige die der Volksinitiative zugestimmt haben. Bei den Tagebauen mussten bei der Linken Abgeordnete auf Toilette und einige stimmten ebenfalls gegen die Fusion der Universitäten. Jetzt erzählen Sie mir nicht, dass wir nach einem Mediationsverfahren im Block abstimmen. Das haben wir nie getan und werden wir auch nie tun, und Sie machen es Gott sei Dank auch nicht.

(Frau Melior [SPD]: Über die positiven Aspekte des Fraktionszwangs können wir gern sprechen! - Beifall GRÜNE/B90)