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Ursula Nonnemacher spricht zur Direktwahl der Landräte

Verehrte Frau Vizepräsidentin! Meine Damen und Herren! Wir hatten fünf direkte Landratswahlen im Januar inklusive Stichwahlen. Es ist ein Landrat gewählt worden. Die Fakten sind bekannt. Die Wahlbeteiligung lag minimal bei 20,5 % im zweiten Wahlgang im Landkreis Barmin und maximal bei 30,6 % im ersten Wahlgang im Landkreis Ostprignitz-Ruppin.

Die Wahlbeteiligung nach einem kaum vorhandenen Wahlkampf, nach einem Superwahljahr 2009, das zusätzlich einen Wahlkampf zwischen den Jahren, zwischen Weihnachten und Neujahr, erfordert hätte, außerdem ein ausgesprochen strenger Winter und schlechte Witterungsverhältnissen - wundern wir uns angesichts dessen wirklich über diese Wahlbeteiligung? Eigentlich können wir uns darüber nicht wundern.

Zum Vergleich möchte ich Folgendens anführen: Bei den traditionell im Juni stattfindenden Europawahlen im Jahre 2004 gab es in Brandenburg eine Wahlbeteiligung von 26,9 %. - Herr Schulze, vielleicht hören Sie einmal zu, Sie stören mich.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

In der Stadt Bandenburg an der Havel war bei den Europawahlen im Jahr 2004 eine Wahlbeteiligung von 18,3 % zu verzeichnen. Im Sommer 2009 ergab sich eine Wahlbeteiligung von 29,9 %. Meine Damen und Herren! Das sind in etwa dieselben Größenordnungen wie bei den Landratswahlen - und die Europawahlen hat auch noch niemand zur Disposition gestellt. Jetzt werden die Wahlen also wieder an die Kreistage zurückfallen. Ich möchte mit Ihnen einmal ein bisschen rechnen.

(Frau Melior [SPD]: Wir haben ein Gesetz!)

Weil immer behauptet wird, die Kreistage seien so viel besser legitimiert, möchte ich einmal rechnen. Bei der Kreistagswahl 2008 in meinem Landkreis Havelland haben sich 47,7 % der Menschen an der Wahl beteiligt, also 47,7 % bei Kommunalwahlen. Davon waren 95,1 % gültige Stimmen. Davon hat die SPD als stärkste Partei 28,8 % erhalten. Man muss nicht Mathematik studiert haben, um zu wissen, dass damit dieses Quorum, das wir an die Landratswahlen anlegen, auch verfehlt worden wäre. Die hätten das Quorum von 15 % der Wahlberechtigten damit auch nicht erreicht.

(Zuruf des Abgeordneten Senftleben [CDU])

Trotzdem stellt die SPD seit der Wende anhaltend den Landrat im Havelland - übrigens immer denselben.

(Allgemeine Heiterkeit)

Herrn Dr. Schröders Amtszeit wäre am 15. Februar 2010 ausgelaufen. Aber leider hatte man gedacht, die armen Havelländer könnten bei dem schlechten Wetter nicht zur Wahl geschickt werden. Es hat sich eine Hinterzimmerkoalition

(Heiterkeit)

aus SPD, CDU, Bauern Plus und der FDP gefunden, die dann im September doch noch wieder schnell eine Wahl über den Kreistag durchgeführt hat. Meine Damen und Herren von der Jamaika-Opposition, das war kein Glanzstück demokratischer Geradlinigkeit.

(Beifall GRÜNE/B90)

Natürlich kann eine durchschnittlich 20- oder 26-%ige Wahlbeteiligung nicht zufriedenstellen. Wir müssen für unsere Demokratie werben, wir müssen die politische Bildung und generell die Bürgerbeteiligung fördern. Man kann darüber nachdenken, die Landratswahlen mit anderen Wahlen zu synchronisieren. Man kann auch darüber nachdenken, ob sie alle fünf Jahre gemeinsam mit den Landtagswahlen stattfinden sollen. Nur abschaffen kann man sie nicht!

(Beifall GRÜNE/B90 und DIE LINKE)

In unserem Rechtsstaat darf und kann jeder wählen, er muss aber nicht wählen. Was für ein verheerendes Signal, das wir an diejenigen Wähler aussenden, die wählen gehen, wenn wir sagen: Ihr geht zur Wahl, ihr geht zur Stichwahl, aber April, April!, eure Stimmen interessieren uns irgendwie nicht. - Das können wir uns nicht leisten. Auch ohne das umstrittene Quorum wäre eine Direktwahl immer noch demokratischer als undemokratische, undurchsichtige Hinterzimmerkungelrunden.

(Na, na, na! bei der SPD)

Wenn jetzt vonseiten der SPD nach der Abschaffung der Direktwahl gerufen wird - wir haben sie gerade einmal zwei Monate, jetzt wird schon die Abschaffung debattiert -, dann sage ich ganz klar: Es geht hier um die Verteidigung sozialdemokratischer Erbhöfe und nicht um irgendwelche demokratietaktischen Überlegungen.

(Vereinzelt Beifall CDU)

Liebe Kollegen von der CDU! Sie haben einen schönen Antrag gestellt, kurz, prägnant und klar, und wir sagen mit Freuden: Ja, die Direktwahl der Landräte wollen wir beibehalten haben.

(Beifall CDU)