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Marie Luise von Halem spricht zum Antrag der CDU-Fraktion „Brandenburg 4.0 – Chancen der Digitalisierung nutzen“

Anrede

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, was für ein schöner Antrag! Ich habe darüber nachgedacht, ob wir diesen Antrag nicht hätten mit einbringen sollen. Zwei Punkte haben mich davon abgehalten: Erstens formulieren Sie im Futur, wenn Sie die Veränderungen durch die Digitalisierung beschreiben. Ist da was an Ihnen vorbei gegangen? Arabischer Frühling, NSA und Snowden, Web 2.0, 3.0 und dann erst 4.0 ...? – Wir sind doch schon mittendrin!

Zweitens: Nur mit einem lapidaren Nebensatz erwähnen Sie, dass Brandenburg digitales Entwicklungsland ist. Da gab es mal einen Regierungschef mit Namen Matthias Platzeck, der versprach zu seinem Regierungsantritt 2009, die weißen Flecken in Brandenburg mit Netz zu versorgen. Lang ist’s her, nix ist es geworden.

Thema INTERNETVERSORGUNG: Der Breitbandatlas des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur von Mitte 2015 zeigt: Bei der Versorgung mit mehr als 50 Mbit/s liegt Brandenburg an 5.-letzter Stelle (gefolgt von den vier anderen NBL – erschreckend!). Erstaunlicher Weise sind die alten Bundesländer einen guten Sprung voraus! Bei der LTE-Versorgung machen die anderen Ost-Länder einen Sprung, überholen teilweise die alten Bundesländer. – Brandenburg trägt mal wieder die rote Laterne. – Aber es gibt ja jetzt neue Versprechungen, man darf gespannt sein.

Ja, wir könnten einen solchen IT-Gipfel gut brauchen! Und zwar ohne Ressortzuschreibung, als Querschnittsthema.

Wir könnten reden über

  • Big Data: Die Verwertungsinteressen von Kommunen, von Wirtschaft im Spannungsfeld mit/gegen das Recht auf Privatsphäre und auf Vergessen. Und wir warum eigentlich auf EU-Ebene nach vier Jahren Befassung immer noch kein Datenschutzgesetz haben?
  • Über Dekarbonisierung, Reduktion von Ressourcenverbrauch
  • Über Nachbarschaftsnetzwerke und Tauschbörsen nach dem Motto ‚Teilen ist das neue Haben’!
  • Breitbandausbau als soziales Gerechtigkeitsthema der Zukunft: Digitalisierung schafft egalitäre Bildungszugänge: Jede-r (muss natürlich Englisch können) kann heute an den Vorlesungen amerikanischer Spitzenunis teilhaben.
  • Demokratie und ehrenamtliches Engagement: vom Arabischen Frühling bis zu der Flüchtlingshilfe in Brandenburg, wo über das Netz innerhalb weniger Stunden Hundertschaften mobilisiert worden sind.
  • Arbeitnehmerrechte? Digitale Verkaufsplattformen wie Amazon und Ebay: nicht besonders arbeitnehmerfreundlich! Ja, unterliegen internationaler Konkurrenz – aber welches sind unsere politischen Antworten darauf?? Wie verändert der Online-Handel unsere Innenstädte?
  • Open Data: Verfügbarmachung öffentlicher Daten – Wissen, das ja schon mit öffentlichen Geldern generiert worden sind! EU-Kommission prognostiziert 2011: Goldmine, Wachstumsschub von 40 Mrd € pro Jahr.
  • eGovernment: Wenn wir das ernst nehmen würden, könnten wir manche Herausforderungen des demografischen Wandels wesentlich einfacher lösen als mit der Kommunal- und Funktionalreform
  • Umgang mit Heterogenität in der Bildung: Individuelles Lernen, konkrete und persönlich zugeschnittene Förderung für jede einzelne Schülerin, das Lernprogramm passt sich den Schülern an: Auch das gibt es digital. Allerdings eher weniger in deutschen Schulen. Internationale ICILS-Studie: Deutschland insgesamt nur mittelmäßig, es gibt keine nennenswerte Leistungsspitze, fast 30% der getesteten Achtklässler*innen erreicht nur die untersten Kompetenzstufen.

Brandenburg 4.0: Das Web 4.0 ist das Internet der Dinge, da geht es fahrerlose Autos, um Kühlschränke, die, wenn sie leer sind, selbsttätig die Order an den Supermarkt zur Befüllung schicken, und um den Scanner, der uns zusammen mit dem morgendlichen Kaffee unsere aktuellen Gesundheitswerte präsentiert. Davon sind wir in Brbg – abgesehen von einigen Forschungsinseln - noch weit entfernt. Aber es würde sich schon lohnen, ein bisschen mehr Tempo zu machen. (Wahrscheinlich gibt’s dann bald auch eine App, die besser Flughäfen baut, als das unsere Flughafengesellschaft kann.)

Für viele ist Digitalisierung allerdings nur Trockenschwimmen: Erst brauchen wir die technische Anbindung! Dass die so miserabel ist, verwundert nicht, wenn man hört, wie sich die rot-rote Regierung hier bei diesem Thema spreizt!