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Marie Luise von Halem spricht zum Fortschrittsbericht über die Zusammenarbeit zwischen den Ländern Brandenburg und Berlin sowie die weitere Zusammenlegung von Behörden und Sonderbehörden

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- Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede!

Dieser ‚Fortschrittsbericht’ ist genauso wie die vorangegangenen sogenannten ‚Fortschrittsberichte’ in Wahrheit ein Rückschrittsbericht, ein Dokument planloser Tippelschritte und kleinmütiger Hasenfüßigkeit. Das Einzige, was hier wohl Strategie ist, ist der Widerstand gegen Berlin.

Die Landesregierung hat in den letzten fünf Jahren nichts dafür getan, dass Berlin und Brandenburg zusammenwachsen. Ganz im Gegenteil: Dem Projekt Länderfusion hat sie aktive Sterbehilfe geleistet. Weil für wichtige länderübergreifende Aufgaben nicht gemeinsam mit Berlin Lösungen entwickelt wurden, verstärken sich in vielen Bereichen die Probleme.

Nie hat diese Landesregierung für gemeinsames Agieren geworben, immer nur hat sie Ressentiments geschürt. Und dieses Musterbeispiel an Eskalationsstrategie gipfelt jetzt in Woidkes Kalter-Kriegs-Rhetorik. Gemeinsames Agieren sieht anders aus.

Diese Politik der getrennten Sterne, die Berlin und Brandenburg seit Jahren fahren, geht letztlich zu Lasten von uns Bürgerinnen und Bürgern. Wir spüren das in vielen Bereichen:

Bildung & Hochschule sind unterschiedliche Universen. Selbst bei so grundlegenden Dingen wie Lehrerbedarfsplanung oder Lehrerbildungsgesetzen kocht jeder sein eigenes Süppchen und wirbt sich gegenseitig die Fachleute ab.

Eine gemeinsame Hochschulentwicklungsplanung, die das Angebot von Hochschulen bündeln könnte, die teilweise nicht weiter voneinander entfernt sind als die einzelnen Gebäude anderer Hochschulen in großen Städten, gibt es nicht. Studierende, die Angebote in beiden Ländern nützen wollen, scheitern an bürokratischen Hindernissen.

Infrastruktur und Verkehr: Der Archetyp widerstreitender Interessen Berlins und Brandenburgs ist und bleibt der ÖPNV. Das Ergebnis: Regionalbahnen enden an der Stadtgrenze, S-Bahn-Planung wird zur Streit-Bahn-Planung. Eine gemeinsame Landesnahverkehrsplanung ist so fern wie die nächste Reise zum Mond. Dass Pendlerinnen und Pendler auf einen gut funktionierenden länderübergreifenden ÖPNV angewiesen sind – egal!

Bei der medizinischen Versorgung und der Gesundheitswirtschaft diktiert Konkurrenz statt Aufgabenteilung das Geschäft. Dass die gemeinsame medizinische Ausbildung mit der Charité nicht geklappt hat, daran waren natürlich allein die Berliner schuld. Anstatt neu zu verhandeln, wird mit dem Finger auf die Anderen gezeigt.

In Brandenburg leisten wir uns halbleere Justizvollzugsanstalten, Berlin baut eine neue in Großbeeren. Alles kostet unsere Steuergelder. Streit gibt es auch um den Chefposten des Medienrates: Brandenburg erhebt Anspruch darauf, Berlin lehnt das ab.

Nicht besser sieht es bei der Innovations- und Wirtschaftspolitik aus: 2010 wurde die Clusterstrategie initiiert. Von den 9 Clustern haben aber erst 3 einen Masterplan. Für die optimale Verzahnung von Wirtschaft und Wissenschaft, mit der wir unseren Standortvorteil ausschöpfen könnten, haben die Brandenburger Hochschulen immer noch zu schlechte Voraussetzungen. Von einer gemeinsamen Wirtschaftsfördergesellschaft wurde mal geredet. Das ist jetzt passé.

Wir haben mit unserer Studie zur gemeinsamen Energieversorgung ein Angebot gemacht für eine gemeinsame Energiewende. Aber auch hier fährt jedes Bundesland lieber die eigene Strategie.


Und zur großen gemeinsamen Geldvernichtungsmaschine, dem BER, der Woidke jetzt zu seiner Kriegsrhetorik angestachelt hat, muss vielleicht noch gesagt werden, dass auch Brandenburg Wowereit als Aufsichtsratsvorsitzenden vorgeschlagen hat. Wir haben das immer schon für einen Fehler gehalten! Es ist mitnichten immer Berlin an allem schuld.

Nein, wenn wir die großen gemeinsamen Herausforderungen des demografischen Wandels, der Energiewende und der Neuordnung des Länderfinanzausgleichs nach 2019 meistern wollen, tun wir gut daran, uns in der Kooperation mit Berlin neu zu orientieren.

Wir wollen, dass Brandenburg und Berlin im intensiven Austausch mit der Bevölkerung, der Wirtschaft und den Verbänden einen neuen Anlauf zur Schaffung eines gemeinsamen Bundeslandes unternehmen. Auf Augenhöhe und mit der Bevölkerung beider Länder.

Das hat auch etwas mit unserem demokratischen Verständnis zu tun, mit Transparenz und demokratischer Kontrolle. Die zentralen politischen Fragen, von denen wir hier reden, gehören in ein gemeinsames Parlament, und nicht in die Hinterstübchen der entsprechenden Ministerien! Wir wollen diskutieren, und nicht fertig verhandelte Staatsverträge abnicken! Fortschritt, der im internationalen Kontext auch wahrnehmbar ist, der nicht eigentlich ein Rückschritt ist, den müssen wir gemeinsam definieren. Mit den Menschen in der Region. In Berlin und Brandenburg, zusammen.