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Marie Luise von Halem spricht zu den Anträgen „Brandenburgs Landeswappen gehört in den Plenarsaal des Landtages Brandenburg“ und „Brandenburgs Wappentier im Plenarsaal würdig präsentieren“

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- Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede!

Der Kunst- und Architekturkritiker Hanno Rauterberg hat einmal in einem ZEIT-Artikel geschrieben, der Trend, alte Gebäude wieder aufzubauen, sei begründet in unserem Mangel an Visionen, an Utopien. Noch vor 50, 60 Jahren konnten wir in die Zukunft blicken in dem Glauben, sie werde schöner, besser, als die Gegenwart. Heute fehlen uns die Visionen, wir orientieren uns am Gestern. Die Zukunft, die Moderne und auch die Gegenwart haben ihre Strahlkraft verloren, wir gucken in die Vergangenheit. Und indem wir auf Eigenes verzichten, die Vergangenheit reproduzieren, machen wir sie uns gleichsam untertan.

Wenn heute das Ende des weißen Adlers im Plenarsaal beschlossen wird, dann haben wir zum zweiten Mal auf die Moderne verzichtet. Zuerst bei dem Beschluss, das Gebäude in der historischen Hülle zu errichten. Und dann bei dem Adler.

Prof. Kulka hat sich mit seinem Konzept den Wünschen nach der historischen Fassade angepasst, ist aber bei dem Übergang von außen nach innen bewundernswert gradlinig vorgegangen: Nach dem Übergang über das Knobelsdorff’sche Treppenhaus, in dem sich alt und neu verbinden, eine Symbiose schaffen, ist die Innengestaltung klar, schlicht, weiß, modern. Das wenige Rot findet sich in den Sitzmöbeln, ausschließlich in geometrischen Formen, replizierbar, ohne eigene Aussagekraft. Dieses Gesamtkonzept hat den Plenarsaal als Kernstück, auch weiß, schlicht, klar, die Aufmerksamkeit soll sich auf die Menschen richten, die darin agieren. Der weiße Adler ohne Schild, befreit von seinen heraldischen Zutaten, angebracht im Zentrum der Macht in diesem Raum, trotzdem nimmt er sich zurück; ist in der Form unmissverständlich das Wappentier, ordnet sich in der Farbe aber dem Gesamtkonzept unter, tritt damit zurück hinter die Menschen. Und ist doch präsent genug, die Anordnung der Formen an der Wand zu durchbrechen.

Dieser weiße Adler, so wie er jetzt hier hängt, ist das Tüpfelchen auf dem i dieses Gesamtkonzeptes. Er ist der Schlusspunkt, die Klammer, das Kunstwerk, in dem die Gesamtgestaltung kulminiert. Ihn zu entfernen, nimmt dem Ganzen die Spannung. Auch seinetwegen ist diesem Bau so viel Lob zuteil geworden, auch seinetwegen haben Künstler und Architekten weit über die Landesgrenzen hinaus ihren Zuspruch geäußert.

All das wollen Sie heute aufgeben.

Und ich kann Herrn Kulka gut verstehen, der immer wieder gesagt hat, er habe in seinem gut siebzigjährigen Leben in Ost und West zu oft erlebt, wie heraldische Embleme missbraucht wurden. Deshalb der weiße Adler: kraftvoll, unverkennbar, und doch zurückgenommen.

Ich hätte Herrn Kulka einen anderen Umgang mit seinem Werk gewünscht. Nicht nur, dass ihm vorgeworfen wurde, sich vor der Kommunikation mit uns zu drücken, nein, so auf diese Art und Weise in sein Gesamtkonzept einzugreifen, wird dem, was er für uns geleistet hat, in keiner Weise gerecht.

Gut, man kann der Meinung sein, es gäbe in diesem Land wichtigere politische Herausforderungen als die Adlerdebatte. Das ist nicht falsch. Trotzdem sollte der Wert der Symbole, mit denen wir uns umgeben – und damit auch des weißen Adlers! - nicht unterschätzt werden. Peter Tiede schrieb zur Adlerdebatte und unter Bezugnahme auf die Fette Henne, grau auf Glas, im Deutschen Bundestag: „Denn die Kunst der Freiheit zeigt sich in der Freiheit der Kunst“.

Davon werden wir nach dieser Abstimmung wahrscheinlich wieder ein Stückchen weiter entfernt sein.