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Marie Luise von Halem spricht zum Haushaltsplan des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur für 2013/2014

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- Es gilt das gesprochene Wort ! -

Anrede

Das aktuelle Gutachten der PolitikwissenschaftlerInnen Lorenz, Anter und Reutter für die Enquete-Kommission 5/1 zu Brandenburgs Entwicklung im Vergleich zu den anderen neuen Bundesländern macht bemerkenswerte Aussagen zu Wissenschaft und Kultur in Brandenburg. Zur Hochschullandschaft stellen die Gutachter fest:

„Ein konstantes Problem der brandenburgischen Hochschulpolitik stellt die dauerhaft angespannte Finanzlage des Bundeslandes dar sowie der konstant niedrige Anteil der Hochschulausgaben am Bruttoinlandsprodukt des Landes. Angesichts des begrenzten finanziellen Spielraums muss Brandenburg vor allem darum bemüht sein, den Anschluss an die anderen Bundesländer zu halten“ und weiter: „Fest steht, dass die Konsolidierung der brandenburgischen Hochschullandschaft noch immer nicht abgeschlossen ist.“ - Die Kritik an der Unterfinanzierung zieht sich ja auch wie ein roter Faden durch die anderen Hochschulgutachten.

Um Brandenburgs Hochschullandschaft anschlussfähig zu halten – von echter Wettbewerbsfähigkeit ganz zu schweigen - muss die Landesregierung in ihrem Haushaltsentwurf an manchen Punkten umsteuern:
Wichtigster Punkt: Verzichten Sie auf die Festschreibung der Globalen Minderausgabe! Dass Sie diese titelscharf einstellen, macht sie ja nicht weniger perfide. Wettbewerbsfähiger werden die Brandenburger Hochschulen so nicht! (Im Übrigen täte es wahrscheinlich auch der Hochschullandschaft durchaus gut, wir würden nochmal ernsthaft über eine Länderfusion nachdenken!)

Ein ähnliches Versteckspiel betreiben Sie ja auch bei Teilen der Mittel aus dem Hochschulpakt 2020, mit denen Sie die globale Minderausgabe kompensieren und an Stelle der wegfallenden festen Arbeitsverträge dann nur Lehrbeauftragte finanzieren. Eine seriöse Verwendung der Mittel im Sinne besserer Studienbedingungen für die Studierenden in Brandenburg verlangt aber Transparenz und eine klare Zuweisung an die Fächer, die mit einer besonders großen Nachfrage zu kämpfen haben!

Ausdrücklich kritisiere ich hier nicht die grundsätzliche Vereinbarung mit den Hochschulen über den Einsatz der Mittel auch zur Verbesserung der Auslastung minder nachgefragter Studiengänge.

Kritikwürdig an dieser Vergabepraxis ist aber, dass sie die ohnehin schon prekären Arbeitsbedingungen durch den Einsatz kurzfristig Beschäftigter als Feuerwehr an den Brandenburger Hochschulen perpetuiert! Viele voll qualifizierte Absolventinnen und Absolventen werden auf Honorarbasis als Lehrbeauftragte oder mit kurzfristigen unterbezahlten Kettenverträgen als Hilfskräfte eingesetzt. Das ist der Brandenburger Weg für den wissenschaftlichen Nachwuchs.

Dazu gehören auch die Arbeitsbedingungen der studentischen Beschäftigten, die in Brandenburg 30 % weniger als in Berlin bekommen! Das wollte die Koalition immerhin im Koalitionsvertrag verbessern. Leider nur mit einem butterweichen Darauf-hin-wirken-wollen, die studentischen Beschäftigten in den TV-L zu integrieren, de facto aber einen Tarifvertrag auf den Sankt Nimmerleinstag verschiebt! Genau wie Kündigungsschutz, vernünftige Vertragslaufzeiten, von einer angemessenen Bezahlung ganz zu schweigen. Die Unterausstattung des brandenburgischen Hochschulsystems wird so auf den Schultern der Schwächsten im Wissenschaftssystem, der Studierenden, der MitarbeiterInnen und der prekären Hilfskräfte und Lehrbeauftragten ausgetragen.

Ein Anschluss an die anderen Bundesländer, wie im aktuellen Enquete-Gutachten gefordert, rückt so in weite Ferne, die Wettbewerbsfähigkeit mit dem benachbarten Hochschulstandort ohnehin. Zumal im Brandenburger Hochschulgesetz leider die notwendigen Schutzklauseln gegen Ausbeutung fehlen, wie z.B. eine Mindestbeschäftigungsdauer für Hilfskräfte oder klare Regeln für Lehrbeauftragte.

Ihre Wertschätzung für die Hochschulbeschäftigten haben Sie deutlich gemacht, als wir im vergangenen Jahr forderten, die globale Minderausgabe in das Landesamt für Straßenbau zu übertragen. Das wurde von den Koalitionsfraktionen im Haushaltsausschuss mit der Begründung abgeschmettert, das sei unmöglich, denn die dort Beschäftigten seien nicht so leicht kündbar.

Das war zwar letztes Jahr - als wir von der Bescherung noch nichts wussten, die uns des Ministerpräsidenten gewissenhafte Arbeit im Flughafen-Aufsichtsrat jetzt scheibchenweise vor die Füße legt - aber die Grundhaltung gegenüber den Hochschulen hat sich nicht geändert.

Auch im Kulturbereich hat das Enquete-Gutachten deutliche Ausstattungsdefizite aufgezeigt. „Brandenburg lag mit seinen Pro-Kopf-Ausgaben für Kultur stets an letzter Stelle im Vergleich mit den übrigen neuen Bundesländern“ heißt es im entsprechenden Abschnitt. Unser Antrag zur kulturellen Bildung wurde immerhin vom ganzen Landtag mit getragen und wir unterstützen das entstandene Konzept. Im Gespräch ist jetzt ein gemeinsamer Fonds von MBJS und MWFK. Der aber taucht in der Haushaltsplanung gar nicht erst auf. Alle wollten wir doch die kulturelle Bildung stärken! Warum findet das im Haushalt keinen Niederschlag?

Grundsätzlich begrüßen wir auch die kulturpolitische Strategie. Aber der Teufel steckt im Detail: Die neuen Richtlinien zur Finanzierung kultureller Projekte haben in der Kunst- und Kulturszene Irritationen ausgelöst. Die Änderungen des Verfahrens sind leider nicht ausreichend kommuniziert worden. Hoffentlich führt das nicht dazu, dass sinnvolle Projekte auf der Strecke bleiben und im Effekt das Gegenteil erreicht wird, nämlich eine Schwächung der Kulturszene in Brandenburg.

An diesem Punkt, mangelnder Kommunikation verbunden mit einem Vertrauensverlust bei den Akteuren, schließt sich der Kreis zu den Lausitzer Hochschulen:

Die geplante Neugründung der Lausitzer Hochschulen als BTU Cottbus-Senftenberg ist – wir sehen es an der Volksinitiative – ein Kommunikationsdesaster. Sie ist aber auch aus der Perspektive des Haushalts nicht wirklich gut implementiert. So ist zwar geplant, in den nächsten zwei Jahren insgesamt 3,7 Millionen Euro in den Tarifvertrag Umbau zu stecken, und auch in die geplanten Gesundheitsstudiengänge wird Geld fließen. Der nötige Overhead für die Fusion der beiden Hochschulen, der zusätzliche Verwaltungs- Koordinierungs- und Umzugsaufwand, wird aber nicht geleistet. Ganz im Gegenteil: Zusätzlich zu den Belastungen, die die Neugründung mit sich bringen wird, müssen die Hochschulen auch noch die Globale Minderausgabe stemmen.

Dabei haben in der Anhörung am 5. Dezember die Expertinnen und Experten einmütig festgestellt, dass eine Neugründung in jedem Fall zumindest erstmal mehr kosten wird, als der Erhalt des Status Quo. Wenn Sie, sehr geehrte Koalitionsfraktionen, die Neugründung nicht auf ein solides finanzielles Fundament stellen, sondern sie aus den laufenden Mitteln geleistet werden soll, so kommt das in der Tat einer Kürzung gleich! Wenn Sie hier schon Fakten schaffen wollen, dann tun Sie dies seriös und finanzieren die 10.000 von Ihnen in Ihrem eigenen Beschluss zur Volksinitiative versprochenen Studienplätze aus!

Dafür müssten Sie allerdings einige Millionen Euro mehr in die Hand nehmen. Und natürlich auch kooperationswillige Hochschulen vorfinden. Dass diese Kooperationswilligkeit mit Ihren Plänen so nicht gegeben ist, müsste Ihnen klar sein.

Angesichts des festgefahrenen Streits in der Lausitz schlagen wir deshalb vor, einen 16-köpfigen Lausitzrat einzurichten, der paritätisch mit Hochschulangehörigen sowie VertreterInnen der Städte, der Landesregierung, der Wirtschaft vor Ort, einem Umweltforschungsinstitut sowie Landesrektorenkonferenz und Landeshochschulrat besetzt ist. Dieser Lausitzrat soll max. zwei Jahre Zeit bekommen, ein tragfähiges Konzept zu erarbeiten, das die Forderungen der Emmermann-Kommission umsetzt, Durchlässigkeit zwischen den Studiengängen und bessere Kooperation in Lehre und Forschung garantiert, sowie die Beteiligten weitestgehend einbindet und für demokratische Hochschulstrukturen Sorge trägt. Wir fordern die Akteure vor Ort auf, endlich aus den Schützengräben zu kommen und einen konstruktiven Vorschlag zu machen.

Damit das aber gelingt, brauchen wir eine neue Vertrauenskultur. Und zu der gehört auch eine solide finanzielle Ausstattung. Und nicht nur immer der Griff in die Rücklagen, globale Minderausgabe und die ewige rote Laterne.