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Michael Jungclaus spricht zur Großen Anfrage "Umsetzung der Nationalen Biodiversitätsstrategie im Land Brandenburg

- Es gilt das gesprochene Wort! -

Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste,

Im Dezember 2006 hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen 2010 zum Internationalen Jahr der Biodiversität erklärt. Ein Jahr später dann beschloss die Bundesregierung eine nationale Biodiversitätsstrategie.

In Brandenburg hat die zuständige Ministerin Tack aufgefordert, dies zum Anlass zunehmen, um dem Schutz der biologischen Vielfalt mehr Aufmerksamkeit zu schenken und das Thema stärker in politische und gesellschaftliche Prozesse zu integrieren.

Wir haben diese Aufforderung ernst genommen, zur Biodiversität eine Großen Anfrage gestellt und das Thema so ins Parlament gebracht.

Das bisherige Ergebnis auf EU-Ebene ist allerdings ernüchternd: Das beschlossene Ziel, bis 2010 den Rückgang der Arten zu stoppen, wurde nicht erreicht. Stattdessen wird in Brüssel nun erneut an einer wohlklingenden Zielformulierung für 2020 gebastelt. Erfolgreiche Politik sieht anders aus!

Und auch in Brandenburg gibt es trotz einiger erfreulicher Erfolge bei Adlern und Wölfen ein riesiges Defizit bei der Erhaltung der biologischen Vielfalt.

Auch hier ist nicht gelungen, den Rückgang der Artenvielfalt entscheidend zu verlangsamen. Nach wie vor sind gravierende Rückgänge bei einer Vielzahl von Arten und deren Lebensräumen zu verzeichnen. Nur noch etwa ein Viertel der bedrohten Arten finden hier gesicherte Lebensbedingungen vor. Dreiviertel aller Biotoptypen in unserem Land sind gefährdet. Und da Brandenburg vom Klimawandel besonders betroffen ist, steht zu befürchten, dass sich diese prekäre Lage in Zukunft weiter verschärfen wird.

Ursachen für den Rückgang der Artenvielfalt sind steigende Nähr- und Schadstoffeinträge in Ökosysteme, eine negative Wasserbilanz in Feuchtgebieten sowie die zunehmende Flächenversiegelung und -zerschneidung. Auch durch industriell betriebene Landwirtschaft, den Braunkohletagebau und sinkende Grundwasserpegel werden immer mehr natürliche Lebensräume zerstört.

Die Bundesregierung hat ihre Strategie zur biologischen Vielfalt als Kabinettsbeschluss verabschiedet, d.h. alle Ressorts haben dieser Strategie zugestimmt und tragen die dort vereinbarten Ziele mit. Die Strategie umfasst 330 Ziele und 430 damit verbundene notwendige Maßnahmen. Sie beinhaltet allerdings auch konkrete Arbeitsaufträge für die einzelnen Landesregierungen. Aber da hat der Lehrer scheinbar Hausaufgaben verteilt und sich darauf verlassen, dass die Schüler diese dann irgendwann auch mal erledigen werden. Aber, weit gefehlt!

Drei Jahre später existiert in Brandenburg immer noch keine Landesstrategie zur biologischen Vielfalt. Die Landesregierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag zwar dafür ausgesprochen, die Strategie zur biologischen Vielfalt umzusetzen, jedoch bis heute keine konkreten Maßnahmen genannt.

Diese Situation war der Anlass für unsere Fraktion, eine Große Anfrage zu stellen, um diesem Thema die notwendige Bedeutung in Parlament und Verwaltung zukommen zu lassen. Und ehrlich gesagt – unter uns – wollten wir Ihnen, verehrte Frau Ministerin Tack, auch gerne eine Vorlage anbieten, ihre Landesstrategie endlich – unter dem sanften Druck der grünen Opposition - auf den Weg zu bringen und mit guten Antworten auf unsere Fragen zu glänzen. Allerdings bin ich - gelinde gesagt – enttäuscht.

Denn in den Antworten steckt nichts weiter als alter Wein in neuen Schläuchen.

Dabei gibt die nationale Biodiversitätsstrategie zum Teil sehr konkrete Ziele vor. Und in unseren 47 Fragen haben wir versucht die Landesregierung zu präzisen Aussagen zu bringen, welche dieser vom Bund geforderten Maßnahmen 1:1 in Brandenburg umgesetzt werden. Leider bleiben die Antworten oft schwammig und weichen somit von den konkreten Forderungen ab. Beispielhaft sei hier Frage 17 erwähnt: Die Bundesstrategie sieht auf 10% der Waldflächen der öffentlichen Hand bis 2020 eine natürliche Entwicklung vor. Also eine klare Zeitansage verbunden mit einem konkreten Flächenziel. Doch in ihrer Antwort Fehlanzeige: Sie drücken sich um eine klare Aussage.

Die Kernbotschaft ihrer Antworten lautet: Es wird keine Landesstrategie geben, denn es gibt ja angeblich ausreichend Instrumente, um die dramatische Problemlage in den Griff zu bekommen.

Sie zählen zwar alle ihre wichtigen bereits existierenden Programme auf. Aber wollen Sie damit ernsthaft eine erforderliche Strategie ersetzen?

Im Umkehrschluss würde dies ja bedeuten, dass die Nationale Strategie der Bundesregierung völlig umsonst geschrieben und verabschiedet wurde.

Alle Ministerien des Bundes tragen diese Strategie mit und fordern darin die Länder zum Handeln auf. Und Brandenburg sagt nichts anderes als: Wir machen schon alles richtig! Wir machen weiter so wie bisher!

Das erinnert mich an meine Kinder zu Hause: Nö Papa, Hausaufgaben gab's heute keine ...

Die Bundesregierung entwickelt eine progressive Strategie - kommt ja nicht so oft vor – und unten kommt davon nichts an.

Es wird immer wieder betont – auch aus ihrem Haus – das der Erhalt der biologischen Vielfalt ebenso wie der Kampf gegen den Klimawandel mit höchster Priorität angegangen werden muss. Und dann, ziehen Sie sich, wenn es konkret wird, auf die Nennung Ihrer alten Instrumente zurück. Zur Bewältigung der Probleme hätte ich mehr erwartet als die Ankündigung - Zitat „die national Strategie im Wege landesspezifischer Maßnahmen umzusetzen".

So wichtig spezielle Artenschutzprogramme auch sind, solange sie nicht in eine übergreifende Strategie zum Erhalt der Biologischen Vielfalt eingebunden werden, stellen sie lediglich den Versuch dar, Symptome zu bekämpfen, nicht aber die Ursachen zu beheben.

Wir brauchen in Brandenburg eine Biodiversitäts-Politik aus einem Guss statt Flickwerk im Artenschutz!

Und ich sage Ihnen auch gerne, was genau wir erwarten:

Um die Situation nachhaltig zu verbessern, braucht es wie schon gesagt eine Strategie.

Aber das hat die Landesregierung ja schon bei der Verabschiedung ihrer Energietaktik nicht begriffen. Und nun droht es im Umwelt- und Naturschutz genauso zu enden.

Was im bisherigen Regierungshandeln fehlt sind:

  • konkrete Ziele, die überprüfbar sind,
  • ein Zeithorizont, bis wann die Ziele umzusetzen sind
  • und ein konkreter Maßnahmenkatalog, wie sie umgesetzt werden sollen

Hinzu kommt, biologische Vielfalt ist keine reine Naturschutzaufgabe. Der Schutz der biologischen Vielfalt ist ein Querschnittthema, an dessen Umsetzung ressortübergreifend gearbeitet werden muss. Nicht nur das Umweltministerium ist hier gefordert, sondern ebenso das Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft sowie das Wirtschaftsministerium und so weiter.

Darüber hinaus müssen wir Vertreter von Naturschutz, Land- und Forstwirtschaft, der Tourismuswirtschaft und dem Infrastrukturbereich an einen Tisch holen und gemeinsam zukunftsfähige Konzepte zum Erhalt der biologischen Vielfalt entwickeln. Und getragen werden, müssen solche Konzepte dann von einer verbindlichen Strategie, der sich alle relevanten Akteure verpflichten fühlen.

Einzelmaßnahmen und Presseerklärungen der Ministerin allein ersetzen diese rechtsverbindliche Strategie definitiv nicht.

Es geht uns bei diesen Forderungen nicht um Umwelt- und Naturschutz um des Selbstwillens. Es geht um den Erhalt der Lebensgrundlage für unsere Gesellschaft. Nicht nur ethische Gründe verpflichten uns dazu! Umweltschutz ist auch aus ökonomischen Gründen zwingend!

Der Erhalt von Ökosystemen und der darin enthaltenen biologischen Vielfalt ist bei Weitem kostengünstiger als die Versuche einmal zerstörte Funktionen wiederherzustellen oder durch technische Lösungen auszugleichen. Beispiele sind hier die Luftreinhaltung durch den Erhalt von Wäldern und die Gewinnung von sauberem Trinkwasser mit intakten Ökosystemen.

Oder, um es in den Worten unserer Ministerin zu formulieren: „Artenverlust ist irreversibel, verpasste Chancen kehren nicht zurück. Gefährdungsanalysen zeigen aber auch, dass gezielte und rechtzeitig durchgeführte Maßnahmen beachtliche Erfolge erzielen können".

Hierin, Frau Ministerin, gebe ich Ihnen vollkommen Recht. Und deshalb ist es höchste Zeit eine umfassende und ressortübergreifende Biodiversitätsstrategie zu formulieren.

Unsere grüne Fraktion geht soweit schon mal in Vorleistung, indem wir am 21. September einen Fachkongress zum Erhalt der Biologischen Vielfalt durchführen und dort gemeinsam mit Expertinnen und Experten die Notwendigkeit einer Landesstrategie öffentlich diskutieren.

Hierzu lade ich Sie alle herzlich ein. Vielen Dank!

Redemanuskript als pdf

Große Anfrage der Fraktion Bündnis90/Die Grünen "Umsetzung der Nationalen Biodiversitätsstrategie im Land Brandenburg" sowie die Antwort der Landesregierung als pdf