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Michael Jungclaus spricht zum bündnisgrünen Antrag "Gesundheitsmonitoring am BER ausweiten und sofort beginnen"

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- Es gilt das gesprochene Wort! -

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste!

In Schönefeld stehen die Uhren auf kurz vor zwölf! In weniger als sieben Monaten soll der Willy Brandt Flughafen in Schönefeld eröffnet werden. Die Flugrouten stehen nicht fest, das Nachtflugverbot von 22-6 Uhr wird noch mindestens zweimal im Landtag behandelt, die Umsetzung der Schallschutzmaßnahmen läuft schleppend und ein Gesundheitsmonitoring für den Flughafen ist nach wie vor noch nicht einmal beauftragt!

Wir möchten mit unserem Antrag die Gelegenheit geben, den bisher vorgesehenen Untersuchungsumfang des Gesundheitsmonitorings zu hinterfragen und Sie zu einer Ausweitung sowie einem schnelleren Beginn der Untersuchungen zu bewegen.

Der aktuelle Stand ist, dass Sie, Frau Ministerin Tack für Brandenburg kein eigenes unabhängiges Gesundheitsmonitoring vorgesehen haben. Wir sind statt dessen als Vergleichsflughafen, sozusagen als Anhängsel einer Studie zur Lärmbelästigung und Lebensqualität am Flughafen Frankfurt/Main vorgesehen. Dagegen wäre ja grundsätzlich erst einmal nichts einzuwenden, sofern das Untersuchungsdesign dieser Studie den nötigen Gegebenheiten gerecht werden würde.

Aber genau dies ist nicht der Fall. Wie auch führende Experten in diesem Bereich wie Professor Greiser, Professor Kaltenbach, oder auch der inzwischen in ihrem Ministerium beschäftigte Dr. Maschke kritisieren, weist das Modul 1 zur Lärmbelästigung erhebliche Defizite auf.

Beispielsweise:

  • die schwer kalkulierbare Response-Rate
  • die geringe Stichprobenzahl
  • die fehlende Unterscheidung nach Frauen und Männer sowie
  • die Unmöglichkeit eines Vorher-Nachher-Vergleichs der Erkrankungsrate.

Und eben dieses Modul soll nun auch in unserer Flughafenregion zum Einsatz kommen. Hierbei handelt es sich um die einzige vorgesehene Untersuchung, aus der man anscheinend Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand der Anwohnerinnen und Anwohner ziehen will.

Wie der Antwort des Ministeriums auf die entsprechende Fragen zu entnehmen ist, liegt der Schwerpunkt des Monitorings auf der Belästigung und Lebensqualität, nicht aber auf dem Gesundheitszustand!

Da stellt sich dann aber die Frage: Womit rechtfertigen Sie eigentlich den Titel „Gesundheitsmonitoring"?

Im Umfeld des Flughafens Willy Brandt sollen nach ihrem Bericht in der letzten Ausschusssitzung 5.000 Bürgerinnen und Bürger zur Lärmbelästigung und Lebensqualität befragt werden. Abgesehen von der viel zu geringen Stichprobenzahl haben wir auch höchste Zweifel an der Objektivität der Untersuchungsergebnisse.

Von dieser Untersuchungsart können keine belastbaren Ergebnisse zur Häufigkeit von Krankheiten oder zur Neuerkrankungsrate erwartet werden. Weiterhin bleibt anzuzweifeln, ob alle Bevölkerungsschichten bei einer derartigen Befragung ausreichend repräsentiert würden und die Ergebnisse verallgemeinert werden könnten. Es heißt ja nicht, dass jeder zufällig ausgewählte Befragte auch an der Studie teilnimmt.

Höchst zweifelhaft ist auch, dass bisher keine Befragungen in einer unbelasteten Referenzregion vorgesehen sind, oder haben Sie sich im Rahmen Ihrer aktuellen Prüfung doch noch dafür entscheiden können?

Zusammenfassend bleibt festzustellen: Die Untersuchung in Modul 1 können Sie sich, so wie sie bisher vorgesehen ist, sparen.

Damit wir Ergebnisse bekommen, aus denen man Rückschlüsse zur Entwicklung des Gesundheitszustandes ziehen kann, fordern wir deshalb mit unserem Antrag auch die Auswertung umfangreicher Krankenkassendaten als ergänzendes Modul. Diese Krankenkassendaten liegen standardisiert für die letzten Jahre vor und ermöglichen einen objektiven Vorher-Nachher-Vergleich zum Gesundheitszustand. Gleichzeitig könnten so auch belastete mit unbelasteten Regionen verglichen werden. Und die Stichprobenzahl könnte mit geringem Aufwand im 6-stelligen Bereich liegen, nicht wie geplant bei lediglich 5.000.

Und das darf unserer Auffassung nach auch keine Geldfrage sein. Nachdem für das Gesundheitsmonitoring ursprünglich mal 1,5 Millionen Euro im Raum standen, rechnet das Ministerium auf entsprechende Nachfrage im Ausschuss mit 100.000 EUR. Mal zum Vergleich: Das entspricht ungefähr einer halben Tankfüllung bei einem A380.

Sofern Sie nicht bei einem Phantom-Gesundheitsmonitoring bleiben wollen, fordern wir Sie auf, das ergänzende Modul 2 mit einer Auswertung umfangreicher Krankenkassendaten in die Untersuchungen mit aufzunehmen. Wer einen Flughafen in einer Großstadtregion baut und sagt Lärmschutz vor Wirtschaftlichkeit, darf an dieser Stelle nicht sparen. Wir werben deshalb für ein aussagekräftiges Gesundheitsmonitoring und bitten Sie um Unterstützung für unser Anliegen!

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste!

Wir haben ja jetzt diverse Argumente für ihr „Gesundheitsmonitoring light" gehört, doch für mich hört es sich schlichtweg so an, als ob Sie sich vor den höheren Kosten drücken möchten. Ein vernünftiges Gesundheitsmonitoring gibt es aber nicht zum Nulltarif, das sollte uns allen klar sein.

Schaut man sich die Gesamtinvestitionen des Flughafens von über 2,4 Milliarden € an, sind die maximal 1,5 Mio. € für eine ordentliche Auswertung von Krankenkassendaten völlig vertretbar. Ob Sie die Gelder zu 100 Prozent aus dem Landeshaushalt finanzieren, zusätzliche Forschungsgelder aquirieren oder eine Beteiligung Berlins oder des Bundes einfordern, sei Ihnen überlassen. Fakt ist, dass wir ein umfangreicheres Gesundheitsmonitoring benötigen, als bisher vorgesehen!

Und auch das Argument, man könne doch die Ergebnisse des Moduls 2 vom Flughafen Frankfurt/Main auf Schönefeld übertragen, teilen wir nicht. Die Bevölkerungs- und Siedlungsstruktur im Umfeld der beiden Flughäfen ist eben nicht identisch. Auch die aktuelle Lärmbelastung an beiden Flughäfen und die zukünftige Entwicklung wird sich unterscheiden. So wissen wir heute noch nicht einmal, welche Flugzeugtypen überhaupt auf welchen Flugrouten unterwegs sein werden.

Sofern Sie aber vorhaben, mit einem Gesundheitsmonitoring belastbare Ergebnisse zu erhalten, aus denen ortsgenaue zusätzliche Schallschutzmaßnahmen abgeleitet werden können, brauchen wir eine auf Brandenburg zugeschnittene Studie. Ansonsten hören sie dann im Streitfall: „Die Ergebnisse aus Frankfurt/Main reichen nicht aus, beweisen Sie uns, dass sich auch im Umfeld Schönefeld der Gesundheitszustand der Menschen verschlechtert hat". Rechtsstreits, die auf Kosten der Betroffenen ausgetragen werden, sind damit vorprogrammiert.

Wir brauchen kein Monitoring, meine Damen und Herren, welches zum Ergebnis hat, dass Lärm belästigt. Das wissen wir schon heute!

Wir brauchen ein Monitoring, mit dem der Gesundheitszustand der Anwohnerinnen und Anwohner verlässlich dokumentiert werden kann. Vielen Dank!