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Marie Luise von Halem spricht zur Änderung des Kindertagesstättengesetzes

>> Zum Änderungsantrag (als PDF-Datei)

- Es gilt das gesprochene Wort ! -

Anrede,

die Verbesserung des Kita-Personalschlüssels für beide Kita-Altersgruppen ist mit 36 Mio zusätzlicher Kosten der einzige größere Schritt im Bildungsbereich. Natürlich bedeutet er eine Verbesserung frühkindlicher Bildung und natürlich begrüßen wir ihn. Trotz dieser Veränderung liegt Brandenburg aber im bundesweiten Vergleich weiterhin auf dem drittletzten Platz. Noch schlechtere Betreuungsschlüssel haben nur Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern.

Ich will damit die Leistung der Koalition gar nicht schmälern, sondern nur unsere Forderung nach einem Stufenplan für bessere Qualität in den Kindertagesstätten aufrecht erhalten. Wir können uns nicht zurück lehnen und ich mag es nicht glauben, dass Sie sich als Regierungsfraktionen davon verabschiedet haben, im Laufe der Legislaturperiode weitere Änderungen im Kita-Bereich einzubringen.

Ein solcher Stufenplan muss folgende Punkte enthalten:

Erstens: Personal.

Auch wenn wir begrüßen, dass die Ausbildungskapazitäten für Erzieherinnen und Erzieher vergrößert wurden, wissen wir noch nicht, ob es uns überhaupt gelingen wird, den Personalbedarf der nächsten Jahre zu decken. Und selbst wenn wir die ausgebildeten jungen Erzieherinnen tatsächlich für Brandenburg gewinnen, dann wird uns die Überalterung des Personals noch lange zu schaffen machen: In vielen Regionen Brandenburgs, nicht nur in den Berlin-fernen, liegt der Anteil der über 50-jährigen Erzieherinnen weit über 50%. Und wie der Männeranteil in diesem Metier ist, wissen wir alle.

Zweitens: Qualität.

Mitarbeiterinnen der Kitas und insbesondere die Kita-Leitungen kommen mit einer notwendigen Öffnung für Andersqualifizierte, die sich berufsbegleitend und auf Basis individueller Bildungspläne qualifizieren, zusätzliche Herausforderungen hinzu: fachliche Anleitung und zusätzlicher Koordinierungsbedarf. Allein diese neuen Aufgaben machen deutlich, dass bessere Freistellung für pädagogische Leitungsaufgaben in Zukunft unverzichtbar ist.

Wir dürfen auch nicht vergessen, dass bei der Berechnung des Betreuungsschlüssels Ausfälle durch Krankheit nicht berücksichtigt sind. Das heißt de facto, dass die tatsächlichen Gruppen, die von einer Erzieherin betreut werden, oft erheblich größer sind als 6 Kinder bis 3 Jahre oder 12 im Alter von 3-6. Teamarbeit, Elternkontakte,
Vor- und Nachbereitung sowie zeitliche und finanzielle Spielräume für Fachberatungen und Fortbildungen sind unerlässlich. Die Entwicklung der Kinder wird jetzt dokumentiert. Für die Erzieherinnen und Erzieher ist allerdings auch das eine Zusatzaufgabe ohne eigene Zeitkontingente.

Sprachstandserhebungen finden in großem Umfang statt und das Ergebnis ist, wie wir am Mittwoch gehört haben, ein Förderbedarf von knapp 20%. Können wir den eigentlich leisten? Wer Ausdrucksfähigkeit von Kindern gezielt fördern will, muss Zeit haben, ihnen zuzuhören und mit ihnen zu reden. Insofern ist die beste Sprachförderung eine Erhöhung des Betreuungsschlüssels.

All diese Punkte, die ein solcher Stufenplan enthalten muss, werden wir demnächst in der von uns beantragten Anhörung näher beleuchten können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir hohe Qualität in der frühkindlichen Bildung wollen, dann müssen wir mehr wollen, als es die Koalition jetzt vorgibt. Die vorgeschlagene Änderung des Kita-Gesetzes ist noch kein Akt nachhaltiger Bildungsplanung. Denken wir weiter!

Wir reden heute nicht nur über das Kita-Gesetz, sondern im nächsten Tagesordnungspunkt auch über das Ausbildungsförderungsgesetz. Damit reden wir über die grundsätzliche Frage, wie und in welchem Alter am besten in Bildung investiert wird. Eine Bertelsmann-Studie vom März 2008 zur Korrelation von Krippenbesuch und Gymnasium kommt zu folgendem Schluss: „Für den Durchschnitt der Kinder aus den untersuchten Jahrgängen erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, ein Gymnasium zu besuchen, von 36 Prozent auf rund 50 Prozent, wenn sie vorher eine Krippe besucht haben. Für benachteiligte Kinder liegt die Verbesserung der Bildungschancen durch einen Krippenbesuch noch höher. Von diesen Kindern gehen rund zwei Drittel mehr aufs Gymnasium.“ … „Damit werden durch den Krippenbesuch eines Kindes volkswirtschaftliche Nutzeneffekte ausgelöst, die nahezu dreimal höher sind als die entstandenen Kosten für den Krippenbesuch ….“

Wir können froh sein über die hohe Betreuungsquote, hier erreichen wir einen viel breiteren Querschnitt aller Kinder, hier lohnt es sich! Deshalb: vergessen Sie das Schüler-Lafög und investieren Sie das Geld in die ersten Jahre der Kinder!