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Marie Luise von Halem spricht zum Staatsvertrag über die Einrichtung einer Gemeinsamen elektronischen Überwachungsstelle der Länder

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- Es gilt das gesprochene Wort ! -

Anrede,
Einrichtung einer gemeinsamen Überwachungsstelle der Länder heißt auf Deutsch 'Fußfessel'. Und dass es hier nicht darum geht, sie einzuführen oder nicht, brauche ich nicht weiter zu erläutern. Aber dass die Empfehlung auch nach der Anhörung im Hauptausschuss weiterhin lautet, dem Staatsvertrag unverändert zuzustimmen, ist angesichts der dort aufgeworfenen Fragestellungen schon beachtlich.
Natürlich ist es einfacher und vielleicht auch wirtschaftlicher, sich einem bestehenden Projekt anzuschließen als ein eigenes zu entwickeln. Aber ganz so einfach sollten wir es uns doch nicht machen.
Der Einsatz der Fußfessel gaukelt eine Sicherheit vor, die mit derselben nicht zu erreichen ist. Es ist völlig offen, ob sie auf gefährliche Straftäter überhaupt eine abschreckende Wirkung hat. Schließlich ist es ein leichtes, die apparativen Überwachungslücken auszunützen!
Es geht ja auch nicht um eine Echtzeit-Überwachung. Unmöglich kann man ausschließen, dass jemand allen Schulen, Kitas, Spielplätzen oder verbotenen Wohnungen näher kommt. Es oder sie kann das immer tun, dann gibt es einen Alarm bei der gemeinsamen Überwachungsstelle, der wird an das entsprechende Bundesland weiter geleitet, dort wird der Bewährungshelfer informiert – und allein bis dahin kann schon ziemlich viel Zeit vergehen (in einem von der Staatsekretärin genannten Beispiel dauerte es 45 min, bis der Alarm aus der Überwachungsstelle in Bad Vilbel in Brandenburg ankam!). Und was der Bewährungshelfer dann tut bzw. verhindern kann, steht nochmal auf einem anderen Papier. Die Kommunikationskette bis zu einer möglichen Intervention ist jedenfalls ziemlich lang.
In der Anhörung wurde auch darauf hingewiesen, dass die Richter noch keine Erfahrung damit haben, d.h. sie stellen z.T. unmöglich umzusetzende Bedingungen wie einen 1.000m-Radius um verbotene Einrichtungen zu ziehen. Dies wäre aber absurd, da dann in vielen Orten kaum noch erlaubter Aufenthaltsbereich übrig bleibt. Auf der anderen Seite ist die datenschutzrechtliche Bewertung auch nicht ausgereift – was passiert eigentlich mit den durch die Fußfessel erstellten Bewegungsprofilen?
Dazu kommen eine Vielzahl technischer Bedenken, wie z.B. die Akku-Laufzeit. Sind wir sicher, eine überwachte Person werde auch zuverlässig Sorge tragen, die Batterien immer rechtzeitig auszuwechseln? (In Hessen waren 90% der Alarme Fehlalarme, dadurch bedingt, dass die Akkus zu Neige gingen!) Was machen wir in unterirdischen Räumen, Kellern, Tiefgaragen, in U-Bahnen oder anderen Betongebäuden, wo die GPS-Erreichbarkeit nicht sichergestellt ist? Mal ganz abgesehen von den Weiten Brandenburgs – wie das dort um die Netze bestellt ist, davon wissen wir alle ein Lied zu singen!
Der Glaube an die Fußfesseln ist trügerisch, eine Luftnummer, ein Placebo für die Überwachungsfanatiker. Statt die Aufmerksamkeit auf die Fußfessel zu lenken, sollten wir uns besser Gedanken machen, wie eine erfolgreiche Resozialisierung von Straftätern in der Haft gelingen kann.
Wenn wir uns schon mit diesem Staatsvertrag auf das Placebo-Päckchen einlassen – denn irgend einen Weg müssen wir uns angesichts der Verankerung im Strafgesetzbuch ja einfallen lassen – dann sollten wir zumindest eine sorgfältige Evaluierung einplanen, wie wir das mit unserem Entschließungsantrag vorsehen oder die FDP in ihrem. Nur einfach das Angebot zu machen, der Minister könne dem Ausschuss ja mal berichten, ist schon sehr dünn.
Der Vorschlag der CDU jedenfalls, den Einsatzbereich von Fußfesseln auch noch auszuweiten, macht schon deutlich, wo die Gefahren des vorliegenden Staatsvertrages liegen. Eine solche Ausweitung der Überwachungsbereiche kommt für uns überhaupt nicht in Frage. Ich erinnere mich, es gab auch mal einen Vorschlag der CDU zur Einführung von Fußfesseln für Schulschwänzer. Passen Sie auf, eines Tages kommt die Reihe dann auch an die Stimmzettelfälscher!