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Marie Luise von Halem spricht zum Gesetzentwurf zur weiteren Flexibilisierung von landesrechtlichen Standards in den Kommunen

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-Es gilt das gesprochene Wort !

Über die Verlängerung des Standarderprobungsgesetzes zu reden, ist ungefähr so, als käme ich vom Markt und würde meiner Familie den Einkaufskorb beschreiben an Stelle dessen, was drin ist. Also reden wir besser über den Inhalt, die unterschiedlichen Dinge, die durch das Standarderprobungsgesetz gemeinsam transportiert werden:

Die Rosinen hat man jetzt heraus gepickt: Dass mit der parallelen Änderung des Brandenburger Schulgesetzes den Kommunen als Schulträger jetzt per Gesetz Stimmrecht in den Schulkonferenzen eingeräumt wird, ist schlüssig und richtig. Die Erfahrungen mit dieser Abweichung waren durchwegs positiv, erfolgreiche Modelle wie die Lokalen Bildungslandschaften zeigen, welch enorme Verbesserungen, technisch, organisatorisch, aber auch pädagogisch, durch bessere Einbindung kommunaler Akteure zu erreichen sind. Und dass Übertragung von Verantwortung Engagement befördert, ist eine Binsenweisheit.

Was jetzt im Korb übrig ist, zeigt, dass Äpfel mit Birnen schwer zu vergleichen sind. Ich greife mir nur zwei mögliche Faulstellen heraus:

Erstens: Die Anhebung der Wertgrenzen für beschränkte und freihändige Vergabe.

Die Wertgrenzen für Vergabeverfahren wurden festgelegt, um Korruption zu erschweren. Natürlich sind beschränkte oder gar freihändige Vergaben mit weniger Aufwand verbunden, wer das aber will, sollte zumindest bei begründeter Anhebung der Wertgrenzen gleichzeitig z.B. einen Vergabebericht fordern. Vergabe ohne Ausschreibung erspart der Behörde erstmal Aufwand. Der Kurzsichtige bemisst sein Verhalten am schnellen Erfolg. Ob aber so letztlich zugunsten der Öffentlichen Hand und damit der SteuerzahlerInnen ein Optimum an Qualität und Kosten erreicht werden, darf bezweifelt werden.

Zweitens: Naturschutz

Hier waren die Wünsche nach Ausnahmegenehmigungen häufig problematisch: Kommunen beantragten, Ausgleichsmaßnahmen für den Wegebau erlassen zu bekommen, von Bauverboten an Gewässern abweichen zu dürfen, das Kahlschlagverbot nach § 2 Waldgesetz befristet aufheben zu dürfen, die Beteiligungspflicht von Naturschutzbeiräten und -verbänden einzuschränken, usw. Diese Ansinnen von Gemeinden wurden zum Glück entweder zurückgezogen oder abgelehnt. Aber die Begehrlichkeiten werden doch sehr deutlich und wer garantiert, dass sie nicht künftig genehmigt werden?

Auch einer der wenigen genehmigten Anträge im Bereich des Naturschutz ist durchaus problematisch: Der Landkreis Märkisch-Oderland beantragte die Abschaffung der Genehmigungspflicht für Landschaftsrahmenpläne (LRP) – hat aber bis heute keinen solchen vorgelegt.

Wir wollen keine weitere Erosion der Standards im Naturschutz. Hier macht der vermeintliche Bürokratieabbau wenig Sinn, weil wir Gefahr laufen, die gesellschaftlichen Kosten am Ende zu erhöhen statt zu minimieren.

Was sind unsere Konsequenzen?

Um Äpfel mit Birnen zu vergleichen, ist Sachverstand nötig. Der wurde noch im Januar-Bericht der Landesregierung zur Umsetzung des Standarderprobungsgesetzes angekündigt. Ich zitiere: „Im Frühjahr 2011 wird die TH Wildau (FH) den Abschlussbericht vorlegen, der auch Empfehlungen für das weitere Vorgehen der Landesregierung enthalten wird." Warum findet dieser Bericht jetzt nirgends Erwähnung? Auf Nachfrage erfuhren wir in Wildau, der Bericht werde dem Auftraggeber, also jetzt dem Innenministerium, Ende März vorgelegt.

Warum also die Eile mit dem Gesetz? Warum warten wir nicht die Ergebnisse des Abschlussberichtes ab, bevor wir hier diskutieren? Nehmen wir uns selbst nicht ernst? Missachten wir die Arbeit der TH Wildau? Handelt es sich hier um Markov'sches Transparenzgebahren? Sollen wir schnell noch etwas verabschieden, bevor Kritik laut wird?

Nein, so groß ist der Zeitdruck nicht, niemand zwingt uns zu solch einem unsauberen Verfahren. Wir sollten den Korb mitsamt Äpfeln und Birnen jetzt zumindest im Ausschuss besser begutachten, bevor wir ihn der weiteren Verwendung zuführen.