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Marie Luise von Halem spricht zum Gesetzentwurf zur Änderung medienrechtlicher Vorschriften

- Es gilt das gesprochene Wort! -

Anrede!

Das Strucksche Gesetz, nach dem kein Gesetz ein Parlament so verlässt, wie es hineinkommt, gilt für Staatsverträge leider nur sehr bedingt. Hier gibt es gute Gründe für das Strucksche Gesetz! Denn auch wir Parlamentarier in Berlin und in Brandenburg haben konstruktive Vorschläge.
Wir begrüßen das neue Rotationsprinzip zur Erhöhung des Anteils an weiblichen Rundfunkräten. Die bisherige Soll-Bestimmung hatte wenig Gleichstellung gebracht. Wir hätten uns aber gewünscht, dass man erstens die Zusammensetzung des Rundfunkrates insgesamt noch einmal kritisch hinterfragt: Warum haben Menschen mit Behinderungen dort eigentlich immer noch keinen Sitz? Und warum gibt es keine weiteren Überlegungen zur angemessenen Repräsentation gesellschaftlicher Gruppen, z.B. von Religionsgemeinschaften?


Zweitens wollen wir die Rechte der sogenannten ‚festen Freien' stärken. Das sind ja keine Gelegenheitskräfte, sondern arbeitnehmerähnliche Beschäftigte, d.h. sie arbeiten innerhalb von sechs Monaten 42 Tage, also mindestens sieben Tage im Monat. Neben den rund 1.800 Festangestellten machen nahezu ebenso viele ‚feste Freie' das Programm. Der Staatsvertrag sieht für die Freien jetzt eine gesonderte Freienvertretung neben dem Personalrat vor. Das ist aber nur ein halber Schritt, wo ein ganzer notwendig wäre! Auch Ver.di, der Journalistenverband, die jetzige freiwillige Freienvertretung und der Personalrat wollen die Aufnahme der Freien in den Personalrat. Das ist bei der Anhörung im Abgeordnetenhaus noch einmal sehr deutlich geworden. Die meisten dieser freien MitarbeiterInnen machen sowieso die gleiche Arbeit wie ihre festangestellten Kolleginnen und Kollegen - nur eben auf anderer arbeitsvertraglicher Grundlage. Warum also zwei Personalvertretungen - eine erster und eine zweiter Klasse? Diese Doppelstruktur jetzt zu institutionalisieren ist kurzsichtig und ungerecht.
Andere Funkhäuser zeigen, dass ein gemeinsamer Personalrat möglich ist: beim Hessischen Rundfunk, beim Saarländischen Rundfunk, beim WDR und bei Radio Bremen wählen und besetzen Festangestellte und Freie gemeinsam den Personalrat. Beim SWR ist diese Regelung in Vorbereitung, und auch beim ZDF können Freie den Personalrat mitwählen.


In der jetzt vorgesehenen Staatsvertragsänderung steht: Die Intendantin schafft die Freienvertretung. Wer entscheidet also letztlich über deren Rechte? Legt die auch die Intendantin fest? Nach welchen Regularien wird das Statut verhandelt? In der Berliner Anhörung sagte die Personalratsvertreterin dazu: „Dann verhandeln wir drei Jahre über ein Statut, das es nie geben wird, und dann ist auch die Evaluierung in zwei Jahren erst einmal hinfällig."


Der Brandenburger Landtag sollte den Wunsch der Beschäftigten nach ordentlicher Interessenvertretung aufnehmen. Alle Mitarbeitervertretungen des RBB haben sich für eine Aufnahme der Freien in den Personalrat ausgesprochen: der Redakteursausschuss, die Frauenvertreterin, die Jugend- und Auszubildendenvertretung und die Schwerbehindertenvertretung. Welche guten Gründe gibt es, ihnen den gemeinsamen Personalrat zu verwehren?


Drittens sollte die Anhörung im November auch noch klären, was der rbb für mehr Transparenz im Umgang mit Rundfunkgebühren tun kann. Warum z.B. muss der Verwaltungsrat nach § 20 rbb-Staatsvertrag immer nichtöffentlich tagen? Das verhindert, dass die Protokolle wie beim Rundfunkrat veröffentlicht werden können.


Viele Fragen, nach der Anhörung sind wir hoffentlich klüger.

Und noch ein Nachsatz:
Es ist das Recht des Parlamentes, bei der Verhandlung von Staatsverträgen frühzeitig und umfassend eingebunden zu werden. Die Verhandlungen zu den vorliegenden Staatsverträgen begannen ja bereits mit Jahresbeginn 2012! Uns mit Vorlauf nur kleine appetitliche und unverfängliche Häppchen zu präsentieren dann nach der Vogel-friss-oder-stirb-Methode zu sagen, es könne sowieso nichts mehr geändert werden, wird der Rolle des Parlamentes nicht gerecht. Mal ganz abgesehen davon, dass diese Staatsverträge mit Berlin ein wunderbarer Beleg dafür sind, wie unendlich viel demokratischer es zugehen würde, wenn wir diese Punkte in einem gemeinsamen Parlament verhandeln könnten!

Redemanuskript als PDF