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Marie Luise von Halem spricht zum dritten Demografiebericht des Landes Brandenburg

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- Es gilt das gesprochene Wort! -

Anrede

Einige von Ihnen werden sich erinnern: Im Jahr 2007 gab es den Film 'Neuland' der Regisseure Kunle und Lauinger, über das Leben in schrumpfenden Regionen Ostdeutschlands. Dort wurden 18 Helden des Alltags präsentiert, die mit außergewöhnlichen Ideen und viel Phantasie in Brandenburg und anderswo Neuland betraten. Ob ein Kraftwerk zur Brauerei umfunktioniert wurde oder ein Grünlandstreifen zur Zucht von Weinbergschnecken: All die dargestellten Projekte zeichneten sich dadurch aus, dass der gesellschaftliche Umbruch durch den demografischen Wandel nicht mit Resignation begleitet wird, sondern neue Räume entstehen, Frei-Räume, die zum Experimentieren einladen. Neulich erzählte mir jemand, in einem aussterbenden kalabrischen Bergdorf habe die eigentlich eher konservative Bevölkerung beschlossen, eine ganze Bootsladung nordafrikanischer Flüchtlinge aufzunehmen. Das habe zu einigen Überraschungen geführt, letztlich aber sei das Experiment geglückt.
Nicht alles lässt sich 1:1 auf Brandenburg übertragen, aber von der Lust auf neue Wege können wir auch noch ein bisschen mehr gebrauchen.
Es gibt schon durchaus gute Ansätze in Brandenburg:
Zum Beispiel die regionalen Runden, wie z.B. das Aktionsprogramm regionale Daseinsvorsorge, als Modellprojekt des BMVBS, das die Landkreise Uckermark und Elbe-Elster durchführen, letzterer mit Zukunftswerkstätten zu Themen wie Begegnung, Gesundheit, Energie und Wasser. Oder die Studienbeihilfe des Landkreises Elbe-Elster, 500 EUR monatlich für Medizinstudierende gegen die Verpflichtung, anschließend 4 Jahre im Landkreis zu arbeiten.
Oder den Uckermärker KombiBus – wobei man sich allerdings ein bisschen an den Kopf greift, warum es in Deutschland so schwierig sein muss, Personen und Fracht in einem Fahrzeug zu transportieren – was in den allermeisten Ländern dieser Erde das alltäglichste Geschäft ist.
Gut ist auch der Mobile Bürgerservice in Wittstock, der umgebaute Rettungswagen der Feuerwehr, der den Bürgerinnen und Bürgern die kommunalen Dienstleistungen vor's Haus bringt. Das ist zwar nicht unbedingt die ökologische Musterleistung, aber angesichts dessen, dass das Land trotz gegensätzlicher Beteuerungen offensichtlich außerstande ist, im ganzen Land die Breitbandversorgung sicher zu stellen, gilt leider die alte Regel: Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach.
Ein guter Ansatz ist auch die Demografiekommission des Bildungsministeriums, eine bunte Runde aus Schulexperten aus Praxis und Wissenschaft, Schulträgern und SchulpolitikerInnen auf der Suche nach der Grundschule für die Zeit nach dem demografischen Echo.
Hier engagieren sich viele Menschen, denken Neues und haben Dank verdient!
Mit Blick auf den nächsten Demografiebericht 2015 sollten wir allerdings nicht aus den Augen verlieren, was Frau Prof. Büsch von der SRH Hochschule Berlin in der Anhörung angemahnt hat: Wir bräuchten eindeutige Zielformulierungen. Sonst könnten Sinn und Wirksamkeit der einzelnen Maßnahmen nicht bewertet werden. Da hat sie Recht! Und wenn es uns außerdem gelänge, unsere Maßnahmen zu bündeln und zu 'branden' (neudeutsch für das Schaffen eines Markennamens), dann könnte das gegenüber anderen Bundesländern ein Standortvorteil und für RückkehrerInnen attraktiv sein.
Dazu gehört übrigens auch eine andere Agrarpolitik: mit einer gezielten Förderung des Ökolandbaus und bäuerlicher Strukturen statt einseitiger Ausrichtung auf die Agarindustrie!
Zur Formulierung der Ziele müssen wir alle beitragen, dürfen uns nicht erst zurücklehnen, die Konzepte von den anderen Ebenen verlangen und hinterher sagen: „Wenn ihr das so wollt, dann müsst ihr es auch bezahlen!“ Wer das tut, hat die Spielregeln falsch verstanden!
Und wir müssen uns von den alten Mustern lösen. „Die Zukunft wird nicht gemeistert von denen, die am Vergangenen kleben“, hat Willy Brandt einmal gesagt. Das gilt für uns alle.