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Marie Luise von Halem spricht zum Antrag "Kinderrechte in die Verfassung"

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Es gilt das gesprochene Wort !

Anrede,
Beim ersten Lesen klingt der vorliegende Antrag gut und plausibel. Kinderrechte stärken, ja, da machen wir doch mit. Beim zweiten Lesen wird man dann doch etwas stutzig. Was steht denn eigentlich in der UN-Kinderrechtskonvention?

Eine umfassendere Verankerung der UN-Konvention würde Kindern und Jugendlichen auch ein Recht auf Bildung, auf soziale Sicherheit und auf die Förderung ihrer Entwicklung zu eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten gewähren. Das ist mehr, als die Brandenburger Verfassung fordert. Wäre es dann nicht angemessener, erst einmal vor der eigenen Haustür zu kehren, als mit dem Finger auf andere zu zeigen? Und wo sind denn die praktischen Politikfelder, für die die Landesregierung und die sie tragenden Parteien selbst verantwortlich sind?

Warum gibt es für die annähernd 20% aller Kinder, bei denen in den Kindertagesstätten Sprachförderbedarf konstatiert wird, keine ausreichende Sprachförderung? Warum liegt die Quote armutsgefährdeter Kinder und Jugendlicher in Brandenburg bei etwa 20%? Warum verlassen 10 % aller Jugendlicher in Brandenburg die Schule ohne einen Schulabschluss? Was hilft uns da die Grundgesetzänderung?

Eine kleine Replik auf unsere gestrige Debatte kann ich mir nicht verkneifen: In der Begründung zu Ihrem Antrag wollen Sie die Rechte von Kindern und Jugendlichen als Grundrechtsträger und eigene Rechtspersönlichkeiten in das Grundgesetz aufgenommen sehen. So so. Sie begrüßen verschiedene Forderungen aus der UN-Kinderrechte-Konvention, wie unter anderem, ich zitiere: „ ...die Beteiligung bei öffentlichen Entscheidungen, die die Interessen der jungen Menschen berühren können ...". Ziemlich wortgleich habe ich das gestern für die Brandenburger Kommunalverfassung beantragt und Sie haben es abgelehnt. Wenn Sie aber mit den Fingern auf andere zeigen können, dann fällt Ihnen das gar nicht schwer. Wenn es hingegen Ernst wird mit Ihren blumigen Vorsätzen, dann verpuffen sie wie angepiekste Luftballons. Das ist, mit Verlaub, ein Verhalten, das schon ziemlich nah an der Scheinheiligkeit ist.

Hier sind die Baustellen, derer sich die Landesebene widmen sollte. Hier haben Sie Einfluss und Verantwortung! Das wäre wichtiger, als sich in blumigen Formulierungen zu ergehen und anderen zu sagen, was sie besser machen sollten. Kehren Sie vor Ihrer eigenen Haustür!