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Marie Luise von Halem spricht zum Antrag aller Fraktionen "Rabbinerausbildung in Brandenburg stärken"

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Es gilt das gesprochene Wort !

Anrede,

Seit anderthalbtausend Jahren leben Juden in Deutschland. Jüdische Gemeinden gab es im Mittelalter nicht nur am Rhein und in Süddeutschland, sondern schon zur ersten Jahrtausendwende z.B. auch in Magdeburg. Sie prägten über Jahrhunderte die Städte und das kulturelle Leben. Sie waren nicht 'Juden in Deutschland', sondern 'deutsche Juden'. Nach der Shoa änderte sich das. Der 1950 gegründete Dachverband der jüdischen Gemeinden hieß 'Zentralrat der Juden in Deutschland' – nicht der 'deutschen Juden'! - und so heißt er heute noch. Das klingt, um mich mal der Fachbegriffe aus der Bildungsdebatte zu bedienen, eher nach Integration denn nach Inklusion. Der israelische Historiker Moshe Zimmermann meint, die Wortkombination 'deutsche Juden' unterliege seit dem 3. Reich einem Boykott, der heute noch nicht aufgehoben sei. Die Juden im heutigen Deutschland seien vor allem ImmigrantInnen: jüdisch, aber nicht deutsch. Eine Wiedergeburt der deutschen Juden hält er für ausgeschlossen. Die Juden in Deutschland, so schreibt er, hätten keine Chance, jemals wieder eine entscheidende Rolle in der Entwicklung der jüdischen Religion oder Geschichte zu spielen. Vielleicht täuscht er sich ja doch.

Dazu bräuchten wir Vieles. Unter anderem ein geordnetes Angebot für die Rabbinerausbildung. 2010 versorgten 56 Rabbiner 108 Gemeinden in Deutschland, also etwa halb so viele Rabbiner wie Gemeinden.

Der Wissenschaftsrat hat 2010 Potsdam und Heidelberg als Standorte für Ausbildung des jüdischen Kultus- und Lehrpersonals empfohlen und dabei das breite Angebot gewürdigt, das in Potsdam bereits jetzt schon vorhanden ist. Brandenburg besitzt mit den Jüdischen Studien an der Universität Potsdam und dem An-Institut Abraham-Geiger-Kolleg eine ausgezeichnete Ausbildungsstätte für jüdische und auch nicht-jüdische Studierende. Das Abraham-Geiger-Kolleg ist eines der wenigen Rabbinerseminare in Zentraleuropa und hat 2006 die ersten in Deutschland ausgebildeten und hier ordinierten Rabbiner hervorgebracht. Diese national wie international anerkannten Einrichtungen tragen dazu bei, jüdisches Leben in Deutschland zu stärken und Bewusstsein für diese Kultur zu schaffen.

Nach den Empfehlungen des Wissenschaftsrates und wegen der Startbedingungen für Jüdische Studien am Standort Potsdam ist es geboten, die Institutionalisierung des Abraham-Geiger-Kollegs weiter voranzutreiben. Nicht mit blindem Aktionismus, sondern wohl überlegt. Das braucht natürlich auch Zeit.

Uns ist wichtig, dass die Hochschulstrukturkommission eine stärkere Institutionalisierung der Jüdischen Theologie in ihre Empfehlungen mit einbezieht.

Und natürlich muss die Kooperation mit dem Abraham-Geiger-Kolleg und die Institutionalisierung der Jüdischen Theologie auch in der Universität Potsdam gemeinsam mit allen Beteiligten weiterentwickelt werden. Ausbau bzw. Institutionalisierung der Jüdischen Theologie dürfen nicht zu Lasten anderer Bereiche an der Universität Potsdam oder anderer Hochschulen im Land gehen. Unseres Wissens ist dies aber nicht beabsichtigt. Dafür müssen wohl neben den BMBF-Geldern zusätzliche Gelder in die Hand genommen werden.

Die Lösung muss auch die Zustimmung der jüdischen Gemeinden treffen. Nur Partikularinteressen zu bedienen, kann nicht das Mittel der Wahl sein.

Durch die Beantragung der BMBF-Gelder für ein neues Zentrum für jüdische Studien Berlin-Brandenburg ist es bereits gelungen, die verschiedenen Angebote für jüdische Studien in Berlin-Brandenburg zu bündeln und publik zu machen. Auch deshalb halten wir es für das richtige Signal, gerade hier - in der Region Berlin-Brandenburg, in der Hauptstadtregion - jüdisches Leben, jüdische Kultur und die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Judentum voranzutreiben. Damit sich Juden doch bald wieder, Moshe Zimmermann zum Trotz, in Deutschland zu Hause fühlen und Impulse für die Entwicklung der jüdischen Religion von Deutschland ausgehen können.