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Marie Luise von Halem spricht zum Änderungsentwurf des Hochschulgesetzes

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- Es gilt das gesprochene Wort ! -

Anrede,
Freiheit wird ja bei der FDP ganz groß geschrieben. Deshalb sollen jetzt alle Studierenden die Freiheit haben nach einem Semester aus der Studierendenschaft auszusteigen. Frei nach dem Motto: Wenn mir Eure Politik nicht passt oder mein Geld nicht lohnend für mich eingesetzt wird, dann nehme ich mir die Freiheit und steige aus. Dass die verfasste Studierendenschaft eine große Errungenschaft auch liberaler Studierendenbünde war – egal.

Das von Ihnen vorgeschlagene Modell gibt es bereits in Sachsen-Anhalt. Der Blick auf die Praxis zeigt: Von der Austrittsoption macht fast niemand Gebrauch. Der Handlungsdruck scheint so groß nicht zu sein.

Bündnis 90/Die Grünen waren immer für die verfasste Studierendenschaft und sehen in ihr als Solidargemeinschaft eine wichtige Errungenschaft, die den Studierenden Selbstverwaltung und demokratische Rechte garantiert. Wir begrüßen, dass bald nur noch Bayern keine verfasste Studierendenschaft mehr haben wird. In Baden-Württemberg freuen sich die Studierenden darauf, dass ihnen die grün-rote Landesregierung endlich wieder die demokratischen Rechte geben wird, die ihnen 1977 aberkannt wurden.

Wieso brauchen wir die verfasste Studierendenschaft in Brandenburg? Ohne sie gäbe es kein Semesterticket – denn die Studierendenschaft führt die Verhandlungen mit dem VBB, keinen Sozialfonds für Studierende in Notlagen, keine Beratungsangebote wie Rechtsberatung, BaföG-Beratung und Jobberatung, keine Wohnungsbörsen und keine Vertretung der Interessen gegenüber den Hochschulleitungen. Und all diese Angebote lassen sich wesentlich besser verhandeln, wenn die Grundlage die Solidargemeinschaft aller Studierenden ist.

Etwas möchte ich noch zu bedenken geben, liebe KollegInnen und Kollegen der FDP: Durch Ihren Antrag würden die Studierenden ebenfalls aus den Fachschaften austreten. Diese sind nämlich kein akademisches Gremium - wie in Ihrem Antrag beschrieben, sondern ein Organ der Studierendenschaft. Und dass die Fachschaften sehr gute Arbeit machen, nah an den Problemen der Studierenden, ist doch hier unstrittig? Die Fachschaften bekommen im Übrigen zum Beispiel an der Universität Potsdam ein Drittel der Studierendenschaftsbeiträge.

Wer sich in einer Demokratie schlecht vertreten fühlt, kann entweder resignieren, nicht mehr zur Wahl zu gehen und sich damit die Freiheit des persönlichen Ausstiegs nehmen. Oder man befördert und bereichert mit den eigenen Positionen die politischen Prozesse. Aus unserer Sicht ist das das Mittel der Wahl.