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Marie Luise von Halem spricht zu "Fünftes Gesetz zur Änderung des Kindertagesstättengesetzes"

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- Es gilt das gesprochene Wort ! -

Anrede,

Die Verbesserung des Kita-Personalschlüssels für beide Kita-Altersgruppen ist das bildungspolitische Highlight der Koalition (das Schüler-Bafog lasse ich hier mal außen vor). Natürlich bedeutet er eine Verbesserung frühkindlicher Bildung und natürlich begrüßen wir ihn.

Aber das ABER kommt schnell: Trotz dieser Veränderung liegt Brandenburg im bundesweiten Vergleich der Betreuungsschlüssel weiterhin auf dem drittletzten Platz. Noch schlechtere Betreuungsschlüssel haben nur Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern. Und es geht nicht nur um den Betreuungsschlüssel.

Die Anhörung letzte Woche hat bestätigt, was wir seit Monaten sagen: Wenn wir etwas ändern wollen, kann das nur ein erster Schritt sein, dem weitere folgen müssen. Manche bezweifelten gar, ob es überhaupt zu einer spürbaren Entlastung komme und sprachen von dem berühmten Tropfen auf den heißen Stein. Und wie schnell der verdampft, können wir anlässlich dieser Temperaturen gut ermessen.

Nein, für die bildungspolitische Hängematte gibt es überhaupt keinen Anlass. Wie miserabel das Brandenburger Bildungssystem ist, wurde uns ja letzte Woche im Rahmen des Ländervergleichs nochmal deutlich präsentiert. Unsere Deutsch-Ergebnisse sind – trotz denkbar weniger Kinder mit Migrationshintergrund - so katastrophal, dass wir uns fragen, ob die hier verantwortliche SPD weiß, ob 'Kompetenz' groß oder klein geschrieben wird. Der Brandenburger Bildungsnotstand ist nicht erst seit der Veröffentlichung der Ländervergleichsstudie in der letzten Woche bekannt, sondern seit Jahren. Substantielles ist nicht passiert. Jetzt sollen Deutschkenntnisse mit mehr obligatorischen Diktaten verbessert werden. Sagen Sie mir bloß, das habe mit dem heutigen Thema nichts zu tun!

Wenn ich gleichzeitig in der Anhörung zum Kita-Gesetz erfahre, dass die Anzahl der Kita-Kinder mit Sprachförderbedarf vom Landkreistag Brandenburg und anderen mit bis zu 30% eingeschätzt wird, die vom Land im Rahmen des Kita-Gesetzes vergebenen Mittel für die Sprachförderung nach Meinung der ExpertInnen bei weitem nicht ausreichend sind, dann offenbart sich mir die ganze Hilflosigkeit der Brandenburger Bildungspolitik.

Wir wissen mittlerweile alle, dass die Lernfähigkeit unserer Hirne in den ersten Lebensjahren am größten ist. Wer daraus keine Konsequenzen zu ziehen im Stande ist und meint, das Problem sei mit mehr Prüfungen im Schulalter zu lösen, der offenbart ein aus meiner Sicht höchst zweifelhaftes Verständnis von gelungener Bildungspolitik.

Aus unserer Sicht kann die Konsequenz nur der mehrfach und von uns heute nochmal geforderte Stufenplan für mehr Qualität im Kita-Bereich sein, inklusive weiterer Verbesserungen im Betreuungsschlüssel, besserer Leitungsfreistellungen und weiterer Veränderungen, die die ErzieherInnen befähigen, Betreuung als die Bildungsaufgabe umzusetzen, die unsere Kinder verdienen.

Wir müssen endlich lernen, frühkindlicher Bildung einen anderen Stellenwert beizumessen. Bei uns genießt der Universitätsprofessor gesellschaftliche Anerkennung, die Erzieherin ist für Sortieren von Bauklötzen zuständig und wird entsprechend bezahlt. Das muss sich ändern! Es muss sich nicht nur deshalb ändern, weil bessere Bildungschancen ein Frage von sozialer Gerechtigkeit sind. Es muss sich auch deshalb ändern, weil wir unsere wenigen Kinder neben den Bedrohungen des Klimawandels konfrontieren mit gigantischen Schuldenbergen, mit
immensen Versorgungslasten und einem sich zunehmend verschärfenden globalen Wettbewerb. Für all diese Herausforderungen sollten wir sie wenigstens gut ausbilden.