Zum Inhalt springen

Marie Luise von Halem spricht in der Aktuellen Stunde zum Thema "Was ist uns die Bildung wert?"

Redemanuskript als pdf

Antrag

- Es gilt das gesprochene Wort ! -

Anrede

Was ist hier eigentlich aktuell? Donnerstag und Freitag letzter Woche hat die Kultusministerkonferenz (KMK) mit großer Mehrheit und mit Brandenburger Stimme ein von Bund und Ländern gemeinsam erarbeitetes Papier beschlossen, das nicht nur das Ziel festschreibt, bis 2015 die Ausgaben für Bildung und Forschung bundesweit insgesamt auf 10 % des Bruttoinlandsproduktes (BIP) zu erhöhen, sondern auch konkrete Vorschläge zur Umsetzung enthält.

Entstanden ist das Papier im Auftrag des letzten Bildungsgipfels im Dezember 2009. Kanzlerin Merkel und die Länderchefs hatten sich darauf geeinigt, die Ausgaben für Bildung und Forschung entsprechend aufzustocken. Am 10. Juni auf dem nächsten Bildungsgipfel wird Kanzlerin Merkel mit den Ministerpräsidenten beraten, ob und wie die zusätzlichen Gelder für die Bildung eingesetzt werden. Ganz aktuell ist heute, dass über eine zeitliche Streckung des Vorhabens diskutiert wird. Das Ziel ist, die Abhängigkeit des Bildungserfolges von der sozialen Herkunft zu reduzieren und die Zahl der Jugendlichen, deren Kompetenzen für eine Ausbildung mangelhaft sind, zu minimieren.

Ein solches Ziel an Prozenten des BIP festzumachen, ist natürlich kritisch zu sehen: Die Bildungsausgaben werden konjunkturabhängig gemacht, bei sinkender Wirtschaftskraft stiege der Anteil der Bildungsausgaben, ohne dass real mehr ausgegeben würde. Eine seriöse Grundlage für solide Bildungspolitik ist das nicht! Wir operieren deshalb lieber mit der konkret diskutierten Zahl, 13 zusätzliche Mrd. jährlich bis 2015. Unklar ist aber noch die Finanzierung: Der Bund stellt 40 % der Gesamtsumme in Aussicht, 5,2 Mrd. Allen voran die CDU-geführten Länder wollen diese Unterstützung in Form eines höheren Anteils an der Umsatzsteuer, möglichst ohne Zweckbindung, damit sie selbst entscheiden können, wo das Geld investiert wird. Das lehnen wir ab – allzu durchsichtig ist das Manöver:

Ein erhöhter Umsatzsteueranteil ergäbe nur eine Verlängerung der Teigmasse Landeshaushalt: Die Finanzminister rühren dreimal um und keiner wird mehr wissen, ob die Gelder tatsächlich da ankommen, wo sie hingehören: im Bildungssystem! Nein, der Bund soll mitreden dürfen, wir wollen klar definierte und abrechenbare Programme, eine sichtbare Mittelverwendung in den Ländern! Darauf müssen die Länder bestehen, wenn sie ihrerseits
ebenfalls zusätzliches Geld bereitstellen.

Wir Bündnisgrüne fordern dazu seit langem, dass der Kardinalfehler der Föderalismusreform rückgängig gemacht und das Kooperationsverbot endlich abgeschafft wird. Nur so werden die künstlichen Umwege wie z.B. beim Konjunkturpaket II überflüssig. Ähnlich krude ist die jetzt im Maßnahmenkatalog der KMK geplante Förderung lokaler Bildungsbündnisse durch das Bundesbildungsministerium. Statt (wegen des Kooperationsverbotes unzulässiger!) fester Zuwendungen an Schulen in sozialen Brennpunkten, um diese in ihren jeweiligen
pädagogischen Konzepten zu unterstützen, sollen Elternvereine als Durchlauferhitzer dienen:

Im Bundesbildungsministerium wird derzeit geprüft, ob Fördervereine von Grundschulen mit 1 Mrd EUR unterstützt werden können. Das bedeutet, riesige Summen in die Hand ehrenamtlich agierender Vereine zu geben, ohne ausreichenden Nachweis über pädagogisch sinnvolle Verwendung.

Nein!

Wir wollen, dass der Bund sich finanziell beteiligt an der Verbesserung des Bildungssystems in Deutschland und er soll auch mitreden dürfen. Projekte wie das 2004 von rot-grün aufgelegte Ganztagsschulprogramm sind bundesweit sinnvoll und nötig! Wir begrüßen, dass der Rechtsanspruch auf ein Betreuungsangebot für Kinder unter drei Jahren ab 2013 erneut bekräftigt wird. Aber es lässt aufhorchen, dass die Formulierung nur lautet: „Bund, Länder und Gemeinden unternehmen große Anstrengungen“ zur Erfüllung des Rechtsanspruches – verbirgt sich dahinter doch der erste Schritt in den Ausstieg? Die Länder verpflichten sich im Maßnahmenkatalog, die frühkindliche Bildung zu verbessern und wollen z.B. „Förderkonzepte mit dem Schwerpunkt 'Sprachförderung' in Kindertageseinrichtungen, Kindertagespflege und Grundschulen umsetzen.“ Sie wollen zudem die Zahl der SchulabgängerInnen ohne allgemein bildenden Abschluss auf Null setzen, individuelle Förderung verstärken, zusätzliche Förderlehrkräfte einsetzen, die Fortbildungsangebote für Lehrkräfte und pädagogisches Personal nachhaltig ausbauen, den Unterricht kompetenzorientiert entwickeln, Qualität evaluieren, Angebote der Schulsozialarbeit ausbauen, die UN-Konvention über die Rechte der Menschen mit Behinderungen umsetzen, Bildungslandschaften einrichten usw. und so fort. (Die genannten Begriffe sind übrigens samt und sonders Zitate aus dem Papier!)

Diese Maßnahmen sind nur ein kleines Streiflicht aus dem wunderbaren Füllhorn, das die Kultusministerkonferenz im Rahmen der Steigerung der Bildungausgaben und mit Zustimmung auch unseres Ministeriums beschlossen hat. Einige kleine Schritte in genau diese Richtung wären Inhalt unseres Antrages im Januar gewesen: „Bessere Lehr- und Lernbedingungen schaffen“ - aber über den wollten die Damen und Herren der Koalitionsparteien nicht einmal im Ausschuss diskutieren.

Darum frage ich Sie heute, und ich frage die Landesregierung: Wie werden Sie diese Ziele bis 2015 umsetzen? - U.a. angesichts dessen, dass die neue Personalbedarfsplanung bis 2014 ein Minus von weiteren 280 LehrerInnen vorsieht? Wir wollen wissen, wie sich die Landesregierung zum Bildungsgipfel am 10. Juni positioniert. Wie stehen Sie zur Forderung der CDU-geführten Länder nach Erhöhung des Umsatzsteueranteils? Wo planen Sie Bildungsinvestitionen und wie gedenken Sie sie zu finanzieren? Welche Mittel sind entsprechend wo eingestellt? In welchen anderen Politikbereichen wird zu Gegenfinanzierung gekürzt?

Wir wissen auch, dass wir nicht im Lande 'Wünsch-dir-was' sind. Auch wir wollen – übrigens nicht zuletzt im Interesse der nachfolgenden Generationen – eine Konsolidierung des Landeshaushaltes. Aber wir halten unsere Forderung aufrecht, dass die demografische Rendite im Bildungssystem verbleibt und wir wollen die Mittel vernünftiger einsetzen, als das z.B. beim Schüler-Bafög passiert. Wir wollen die Chance ergreifen, die der Bildungsgipfel nächste Woche gibt. Wir wollen, dass Brandenburg in der 'Bildungsrepublik Deutschland' auf den vorderen Rängen platziert ist und wir wollen darüber debattieren, im Landtag und in den Ausschüssen!