Zum Inhalt springen

Heide Schinowsky spricht zum Antrag der CDU-Fraktion „Brandenburgisches Vergabegesetz an bundeseinheitliche Mindestlohnregelung anpassen“

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben nun einiges zum Mindestlohn gehört und uns mit Sinn und Unsinn von brandenburgspezifischen Mindestlohnregelungen befasst. Um unsere Einschätzung dazu gleich einmal vorwegzuschicken: Selbstverständlich erfordert das Inkrafttreten der Regelungen auf Bundesebene, dass wir uns damit in Brandenburg noch einmal beschäftigen, mit der Kompatibilität, mit der Frage: Wie geht das eigentlich zusammen? Deshalb unterstützen wir auch eine erneute Beratung bzw. eine entsprechende Novellierung des Vergabegesetzes. Aber um es auch gleich ganz deutlich zu machen: Im Gegensatz zur CDU halten wir das
Vergabegesetz nicht für überflüssig. Das überrascht Sie jetzt wahrscheinlich auch nicht.

(Bretz [CDU]: Nein!)

In der weiteren Diskussion zum Vergabegesetz sollten wir uns aber nicht nur mit dem Mindestlohn beschäftigen; denn das ist nur ein Teil des Gesetzes. Wir sollten diese Neuregelungsnotwendigkeit und auch die inzwischen vorliegende Evaluation - um die ging es ja vorhin schon - vielmehr zum Anlass nehmen, das Vergabegesetz insgesamt auf den Prüfstand zu stellen. Noch einmal einen Schritt zurück: Warum gibt es eigentlich das Vergabegesetz? Rot-Rot wollte damit damals vor allem den Mindestlohn verankern. Das kann man so machen.

Dieses politische Ziel hatten und haben wir auch, deshalb haben wir dem zugestimmt. Andere politische Gestaltungsspielräume wurden jedoch zu wenig oder zu unverbindlich im Gesetz verankert. So hätten hiermit deutlich mehr soziale und ökologische Impulse im Sinne nachhaltigen Wirtschaftens gegeben werden können. Bei öffentlichen Vergaben geht es um beträchtliche finanzielle Mittel.

Ich will es noch einmal kurz bebildern: Das Land Brandenburg gibt jährlich rund eine Milliarde Euro für Beschaffungen aus. Die Kommunen erhöhen die Nachfrage der öffentlichen Hand um weitere 2 Milliarden Euro. Mindestens eine Milliarde Euro gewährt das Land Unternehmen, Vereinen und Verbänden in Form von Zuwendungen. Das ist eine beträchtliche Nachfragemacht und zeigt, ein entsprechend ausgestaltetes Vergabegesetz könnte wichtige Impulse für eine sozial und ökologisch nachhaltige Wirtschaftsweise geben. Wir hatten uns deshalb in der letzten Legislaturperiode mit einem eigenen Vergabegesetz für entsprechende verbindliche Regelungen bzw. Vergabekriterien eingesetzt. Um nur zwei Beispiele zu nennen: die Einhaltung der sogenannten ILO-Kernarbeitsnormen zur Begrenzung unfairen Wettbewerbs oder auch eine verbindliche Berücksichtigung von Umweltbelangen durch die Einbeziehung der Lebenszykluskosten und von Umweltzertifikaten in die Vergabeentscheidung.

(Loehr [DIE LINKE]: Kann man machen!)

- Das kann man machen?

(Loehr [DIE LINKE]: Ja!)

- Darüber kommen wir ins Gespräch, sehr gut.

(Zuruf des Abgeordneten Domres [DIE LINKE])

- Noch nicht weitreichend genug. Aber gut, das diskutieren wir noch.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, neben der im CDU-Antrag angesprochenen Problematik bei der Mindestlohnregelung hat auch die vorliegende Evaluation des Gesetzes deutlich werden lassen, dass mit Blick auf Wirksamkeit, Umsetzbarkeit, Bürokratie und Relevanz des Gesetzes großer Handlungsbedarf besteht. Aus unserer Sicht begründet zudem alleine die Tatsache, dass soziale, umweltbezogene und innovative Kriterien in den Vergaben bislang zu wenig eine Rolle spielen, die Überprüfung dieses Gesetzes. Diese Kriterien könnten und sollten die wesentlichen Aspekte eines novellierten Brandenburgischen Vergabegesetzes werden.

Und nicht zuletzt - dieses Stichwort fiel heute, glaube ich, noch gar nicht - ergibt sich Handlungsbedarf natürlich auch aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs zum nordrhein-westfälischen Vergabegesetz vom 18. September dieses Jahres. Alles spricht klar für eine Novellierung des Vergabegesetzes, und zwar - wie eben beschrieben - deutlich umfassender, als es im Entschließungsantrag der Koalition angelegt ist. Wir werden uns deshalb zum Entschließungsantrag enthalten, freuen uns aber umso mehr auf die gemeinsamen Debatten dazu in den entsprechenden Gremien. - Vielen Dank.

(Beifall B90/GRÜNE)