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Benjamin Raschke spricht zum Antrag „Einsetzung einer Enquête-Kommission: Zukunft der ländlichen Regionen vor dem Hintergrund des demografischen Wandels“

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Liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Präsident, sehr geehrte Gäste,

wir haben mehr als 20 Minuten viel über die ländlichen Räume gehört. Welches Bild von ländlichen Räumen hatten Sie eigentlich vor Augen? Weil wir alle den ländlichen Raum so lieben, vermute ich, dass es schöne Bilder sind. Ich unterstelle, dass niemand im Raum ist, der oder die das Gefühl hat, er oder sie würde zu wenig für den ländlichen Raum tun. Deshalb ist die Frage nicht unberechtigt, warum wir jetzt eine neue Kommission einrichten wollen – reicht der bisherige Politikbetrieb nicht? Wir wollen einen zusätzlichen Ausschuss schaffen, der den Steuerzahler Geld und uns, die wir drin sitzen werden, Lebenszeit und Nerven kosten wird.

Wir alle haben zwar ein gutes Bild von unserer Arbeit, aber doch auch das Gefühl, dass die Menschen in den ländlichen Räumen das ein bisschen anders sehen. Ihr Bild von unserer Arbeit ist vielleicht nicht ganz so gut wie umgekehrt. Folgendes Gefühl ist nicht so selten: Die dort in Potsdam haben uns gar nicht richtig auf dem Schirm. – Das ist manchmal ein resigniertes „Die haben uns aufgegeben!“, mal ein besorgtes „Wenn Ihr jetzt unseren Bahnhof schließt, sind wir abgehängt“; manchmal ein selbstbewusstes „Wir stellen so Großartiges auf die Beine – das müsst ihr doch einfach mal zur Kenntnis nehmen.“

Ich würde behaupten: Das Gefühl, wir würden die Menschen draußen im Lande nicht richtig wahrnehmen, wächst. Es wächst nicht, weil wir als Landtagsabgeordnete im-mer fauler würden – ich glaube, das stimmt zumindest im Schnitt nicht –, sondern weil die Herausforderung im Land größer wird. Viele von uns haben das im Wahlkampf auf Reisen durchs Land deutlich gemerkt.

Ich unterstelle, dass auch die Strohballtour unseres Ministerpräsidenten – Sie sehen, ich unterstelle Ihnen heute nur Gutes – nicht nur Show war, sondern dass auch dahinter das Gefühl steckte: Der ländliche Raum verdient mehr Aufmerksamkeit und Wertschätzung. – Das kann man auch an der Umbenennung unseres Umweltministeriums sehen, das seit dieser Legislaturperiode Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft heißt. Genauso wollen wir mit der Enquetekommis-sion zum Ausdruck bringen, dass uns hier in Potsdam der ländliche Raum wichtiger geworden ist.
Natürlich ist es mit der Gründung einer Enquetekommission allein nicht getan - das wäre nur kostspielige Symbolpolitik. Kollege Wichmann hat schon gesagt, dass wir hart arbeiten müssen, damit wir beim Zwischenbericht 2017 oder spätestens beim Abschlussbericht 2018 konkrete Ergebnisse und Handlungsempfehlungen vorlegen können. Arbeit haben wir genug; die Kollegen haben schon Einiges aufgezählt. Ich möchte zwei Dinge nennen, die wir Grünen mit der Kommission erreichen möchten: Erstens wollen wir gute Ideen für mehr Wertschöpfung in ländlichen Räumen sam-meln und anstoßen. Da geht es uns Grünen nicht nur um Infrastruktur und Breitband bis zum Bauernhof, aber natürlich spielt die Landwirtschaft eine große Rolle. Der bisherige Trend zur zentralisierten, industrialisierten Landwirtschaft zieht ja leider eher Wertschöpfung ab.

(Beifall B90/GRÜNE)

Vielleicht hat die solidarische Landwirtschaft da mehr zu bieten.

Zweitens - das ist am wichtigsten – wollen wir mit dieser Enquêtekommission dem Gefühl des Unausweichlichen etwas entgegensetzen, der Logik, dass der ländliche Raum nur verlieren kann. Es ist klar: Es wird viele schmerzhafte Veränderungen geben, aber es gibt eben auch eine Unzahl von Initiativen, Projekten und lebendigen Dörfern, die sich vom demografischen Wandel nicht kleinkriegen lassen, die jeden Tag ihr kleines Stückchen ländlichen Raum lebenswert und attraktiv machen. Für diese Menschen soll die Enquetekommission eine Bühne sein, damit sich diese Geisteshaltung ausbreiten kann. Zum Schluss ein Dank die Kollegen, die bei der Vorbereitung hart mitgearbeitet haben, insbesondere an die Landtagsverwaltung und die Präsidentin, die sich intensiv dafür eingesetzt hat, dass die Kommission eine ordentliche Ausstattung bekommt. In diesem Sinne, liebe Kolleginnen und Kollegen, freue ich mich auf die Arbeit – legen wir los! – Vielen Dank.

(Beifall B90/GRÜNE, SPD, DIE LINKE, BVB/FREIE WÄHLER Gruppe sowie des Abgeordneten Wichmann [CDU])